DAS WETTER

#1

Definiert die Editorial-Anrede „Hi Kids“ die Zielgruppe? Ein bisschen vielleicht. Jedenfalls haben viele der Autoren selbst noch (lange) nicht das dreißigste Lebensjahr erreicht. Außerdem haben nahezu alle Schreiber auch sonst direkt als Bandmitglieder oder Labelmacher mit Musik zu tun.

Max Leßmann (VIERKANTTRETLAGER), Paul Pötsch (TRÜMMER), Oskar Wald (CHUCKAMUCK), Pola Schulten und Christin Schalko (ZUCKER), Philipp Wulf und Hendrik Otremba (MESSER) sind beispielsweise dabei.

Ambitioniert ist Das Wetter auf jeden Fall. Ein Magazin für Text und Musik. Nicht so industriegesteuert wie die Spex, weniger wissenschaftslastig als die Testcard. Erinnert in Sachen inhaltlicher und stilistischer Vielfalt etwas an die leider verblichene PNG.

Die Auswahl der Themen trifft zwar nicht immer meinen Geschmack – neben NO AGE, Alfred Hilsberg und den GOLDENEN ZITRONEN finden sich beispielsweise Artikel zu TRÜMMER, Casper, Dagobert und MESSER, bieten aber ausnahmslos Anlass zu Gespräch und Diskussion.

Manchmal bestätigen sich alte Vorurteile – ja, es gibt einfach Leute, die arrogante Arschlöcher sind –, manchmal gewinnt man tatsächlich neue Einblicke. Besonders gelungen sind meiner Meinung nach die uneditierten Interviews, sie bilden eins zu eins ab und überlassen die Deutung allein dem Leser.

Schön. Das nenne ich unbevormundendes Schreiben. Ist aber wohl eine Grundsatzfrage. Und, sehr sympathisch, im Gegensatz zu vielen anderen Musikmagazinen nimmt man sich nicht zu 100% ernst.

Am Lektorat sollte man zukünftig noch ein wenig feilen, sonst ist das Heft von Grafik, Aufbau und Grundkonzept her recht gelungen. Das Wetter beweist: Provokation ist möglich, auch heute noch.

Der Popdiskurs ist tot. Lang lebe der Popdiskurs!