MEATMEN

Savage Sagas From The ...

Manchmal kann Provokation so viel Spaß machen, auch mit Mitte vierzig und 2014: Beim selbstveranstalteten Vegan-Brunch mit einem MEATMEN-Shirt auflaufen, das sorgt für verstörte Blicke und Getuschel. Für verklemmtes Political-Correctness-Getue war die 1981 in Lansing, Michigan gegründete Band allerdings noch nie zu haben, denn wenn Bandgründer und -kopf Tesco Vee eine Wunde sah, die der Hardcore-Szene Schmerzen bereiten könnte, war er schon immer der Erste, der Salz in diese streute.

Robert Vermeulen, wie Tesco Vee im richtigen Leben heißt, ist Jahrgang 1955, und als er 1979 mit 24 das Touch and Go-Fanzine gründete, aus dem später das legendäre Label wurde – NECROS-Bassist Corey Rusk war 1981 eingestiegen und übernahm Label wie Zine 1983 ganz –, arbeitete er bereits als Lehrer.

Der ungehobelte, grobe Klotz, für den ihn manche wegen seiner anzüglichen Texte halten (diese stehen KASSIERER und LOKALMATADORE in nichts nach), ist Tesco Vee keineswegs, er hat einfach einen ausgesprochen süffisanten Humor und ein feines Gespür für Szenebefindlichkeiten sowie die empfindlichen Stellen der US-Gesellschaft.

Und ganz unsubtil stellt sich Mr. Vee bei Konzerten auch einfach mit einem menschengroßen, aufblasbaren Riesenpenis auf die Bühne ... Diese Provo-Qualitäten zeichnen auch das neue MEATMEN-Album aus, das erste seit „Pope On A Rope“ (1995).

Stolze zwanzig Tracks umfasst „Savage Sagas From The Meatmen“, etwas weniger Songs, denn ein paar der Titel sind hörspielartige Einschübe, einer davon begeistert als Pseudo-Werbeclip für eine John Brannon (NEGATIVE APPROACH)-Kinderpuppe.

Von Tesco und seiner Truppe, die hier aus Daniel Dirtbag am Bass, Hindu Kush an der Gitarre und Swarty „Bun Length“ Franklin am Schlagzeug besteht, bekommt in den nicht jugendfreien Texten in einem rücksichtslosen Rundumschlag so ziemlich jeder sein Fett ab.

In „Pissed hot for weed“ setzt sich Tesco für eine umfassende Marihuana-Legalisierung ein, „The ballad of stinky penis“ kann es an infantiler Beklopptheit mit „Christmas time for my penis“ von den VANDALS aufnehmen, in „The Dwarves are the 2nd greatest band in the world“ wird klar gemacht, wer auf Platz eins steht, in „Dinosaur“ beinahe wehmütig der Hardcore-Szene der frühen Achtziger gehuldigt, und „Big bloody booger on the bathroom wall“ offenbart, dass der Lehrer Vermeulen offensichtlich regelmäßig Schultoilettenwände inspiziert ...

Grandios der Rausschmeißer, in dem Tesco alle nervigen Fragen überambitionierter MEATMEN-Fans am Stück beantwortet – zum Schluss mit einem Faustschlag in die Fresse. Musikalisch hat Tesco Vee seine Truppe in jene Richtung dirigiert, wie man sie von den anderen Spätwerken auch kennt: Kein Hardcore, kein Punk, sondern metallischer Rock, was aber nicht abschrecken sollte.

Flapsigen NOFX-Sound muss man sich anderweitig besorgen. Eine höchst unterhaltsame und kurzweilige Platte in schicker Comic-Aufmachung.