CEREBRAL BALLZY

Jaded & Faded

Es war 2011 als – zumindest für den europäischen Raum – quasi aus dem Nichts eine augenscheinlich wild zusammengewürfelte Gruppe Halbstarker aus New York die Hardcore- und Punk-Szene überrollte. Ohne nennenswerte vorherige Releases wurde das selbstbetitelte Debütalbum via Cooking Vinyl veröffentlicht und die Kritiker waren begeistert.

Denn eines hatten die fünf Jungs gemeinsam: ihre Liebe zum Hardcore-Punk der Achtziger. Vom kompromisslosen Sound bis hin zu Artworks von Raymond Pettibon atmeten CEREBRAL BALLZY den Geist ihrer Idole wie BLACK FLAG und BAD BRAINS.

OFF! wurden schnell zu den großen Brüdern der Heranwachsenden, nahmen sie mit auf Tour, gaben Ratschläge. Nichtsdestotrotz wirkten die Jungs angesichts der hohen Erwartungen schnell überfordert – sollte etwa auch diese Band dem Hype zum Opfer fallen? Vernünftigerweise nahmen sich CEREBRAL BALLZY nach all dem Aufruhr um ihr Debüt genug Zeit, um einen Nachfolger aufzunehmen.

Nach drei Jahren präsentieren sie nun „Jaded & Faded“ via Cult Records, dem Label von THE-STROKES-Frontmann Julian Casablancas, der ein enger Freund der Band ist und an den klanglichen Veränderungen nicht ganz unschuldig sein dürfte.

Schnell wird klar: das Warten hat sich gelohnt. 13 Songs ins 27 Minuten beweisen zwar, dass die Band noch immer nicht gern lang um den heißen Brei herumspielt, doch die Brachialität des ersten Albums ist etwas verflogen.

Während in früheren Songs wie „Drug myself dumb“ und „SK8 all day“ die einfachen Vorzüge des Punkerlebens in New York besungen wurden, hat Frontmann Honor Titus mit den Jahren etwas mehr Tiefgang bekommen.

„What do I have to be for you to let me in?“ fragt er in „Fake I.D.“ – Identitätsfindung ist mit Anfang zwanzig noch ein großes Thema. Parallel zu den reflektierteren Lyrics hat sich auch musikalisch einiges getan: man traut sich doch wirklich an Melodien! Was nämlich bis jetzt kaum einer wusste: die Jungs stehen total auf Powerpop.

Als Paradebeispiel dafür steht „Lonely as America“ – nicht unbedingt poppig, aber so melancholisch und catchy, dass man sofort mitsummen muss. Das Rotzig-Nörgelige ist zwar nicht aus Titus’ Stimme wegzukriegen, doch das macht eigentlich erst den Charme dieser Songs aus, auch wenn nicht jeder Ton zu 100% sitzt.

Wer an dem neuen Sound Gefallen findet, wird ebenfalls „Better in leather“ in Dauerschleife hören, das sich mit Frauengesang noch einmal extra vom Rest des Albums abhebt. Ihre Wurzeln haben CEREBRAL BALLZY trotz des Reifungsprozesses nicht vergessen: „Fast food“ steht sowohl thematisch als auch klanglich in der Tradition des Vorgängeralbums, und selten hat Honor Titus giftiger gekeift und die Band härter auf ihre Instrumente eingehauen als bei „Speed wobbles“.

Insofern ist für jeden etwas dabei und man kann nur staunen, was die New Yorker da aus sich rausgeholt haben. „Cerebral Ballzy“ war schon ein absolutes Hitalbum, aber das ist nochmal ein ganz anderes Level.

Respekt.