MARATHONMANN

Und wir vergessen was vor uns liegt

Als mir die Promo-CD aus dem Briefumschlag auf den Schreibtisch rutscht, ohne weitere Infos, Texte oder Artwork, läuft vor meinen Augen ein Flashback meiner bisherigen Gespräche mit Sänger/Bassist Michi ab.

Dumme Angewohnheit von mir, Gesprächspartnern immer ein ehrliches Feedback zu geben, anstatt einfach alles abzufeiern, was sowieso schon jeder abgefeiert hat: dem aufmerksamen Leser/Hörer meiner Reviews/Interviews wird der kritische Unterton im Subtext nicht entgangen sein.

Und jetzt? Man blickt tief in Sänger Michis Herz, wenn man sich „Und wir vergessen was vor uns liegt“ anhört. Jeder der zwölf Songs hat eine immanente Wut und jeder der zwölf Texte hat diesen Drang, die Mauer im Kopf und die Mauern im Umfeld einzureißen und zu zerbröseln: alles auf Null, immer wieder Hoffnung, aber immer wieder auch Enttäuschung, Zweifel und dieser scheiß-permanente Kampf um Sinnhaftigkeit, in einer Epoche, die Globalität glorifiziert, aber Regionalität produziert.

Die ihre Kinder mit medialen Drogen mürbe macht, aber Zigaretten und Alkohol verteufelt: Hauptsache, gesund sterben. Ich habe diese Platte jetzt siebenmal gehört und nicht einmal unterbrochen, geschweige denn ausgemacht: nämlich weil sie berührt und Bedeutung hat.

Vergessen! Erinnern! Speichern!