BLANCANIEVES

2011 entstand mit „The Artist“ eine charmante Hommage an die Stummfilmzeit, die mit fünf Oscars belohnt wurde. Möglicherweise war der Erfolg von „The Artist“ der Grund dafür, dass Regisseur Pablo Berger auch sein bereits 2006 konzipiertes Projekt „Blancanieves“ drehen konnte.

Denn „Blancanieves“ wurde ebenfalls mit Mitteln des Stummfilms umgesetzt, verzichtet also auf Dialoge und verlässt sich abgesehen von gelegentlichen Texttafeln allein auf die Ausdruckskraft seiner Bilder und Darsteller.

Der Titel „Blancanieves“ heißt erst mal nichts anderes als „Schneewittchen“, und vom Dauerbrenner der Brüder Grimm gab es ja 2012 noch drei weitere Filmadaptionen. Allerdings kann Berger seinem erst zweiten Film, der im nicht gerade märchenhaften Spanien der 20er Jahre spielt, eine streckenweise außergewöhnliche Note verleihen.

Bergers Schneewittchen (anfangs handelt es sich eher um Aschenputtel) heißt Carmen und ist die Tochter eines berühmten Stierkämpfers. Der endete wegen einer Unachtsamkeit im Duell mit einem Stier im Rollstuhl, während seine ehemalige Krankenpflegerin, die er inzwischen geehelicht hatte, in Saus und Braus lebt und ihn von der Außenwelt abschottet.

Ihrer Rolle als böser Stiefmutter wird sie bestens gerecht und degradiert Carmen zum Dienstmädchen. Irgendwann kommen dann auch die sieben Zwerge ins Spiel, wodurch „Blancanieves“ plötzlich in Richtung von Todd Brownings Film „Freaks“ steuert.

Berger mag sich dabei visuell etwas an Jean-Pierre Jeunets skurrilem Inszenierungsstil orientieren, schafft es aber darüber hinaus, eine durchweg originelle wie herzerwärmende Geschichte mit leicht makaberer Note zu erzählen, die voller Überraschungen steckt und bei der die wundervoll arrangierten Bilder tatsächlich mehr als tausend Worte sagen.