DIE WAHRE GESCHICHTE DES UNBEKANNTEN SOLDATEN

Jacques Tardi

Traumatisierte Hauptcharaktere, albtraumhafte Ausschweifungen, blutige Zwischensequenzen, viel nacktes Fleisch und immer wieder überraschende Sprünge und Wendungen – in den beiden surrealen Kurzgeschichten „Die wahre Geschichte des unbekannten Soldaten“ und „Die Guillotine“ findet sich alles, was einen Tardi-Comic auszeichnet.

Während die erste, erstmals 1974 erschienene Kurzgeschichte in der Zeit vor und während des Ersten Weltkriegs spielt, erstreckt sich die Handlung von „Die Guillotine“ auf die 1920er Jahre und damit auf die Zeit unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg.

Gemein haben die beiden die Beschäftigung mit der Frage nach der Entmenschlichung/Entsozialisierung des Individuums durch die Erfahrung des Kriegs und/oder gesellschaftliche Zurückweisung. Dies kommt nicht nur in den Dialogen, sondern insbesondere auch in den bis ins Hässliche überdreht bis verzerrten Schwarzweißbildern in einer Art in sich verkehrtem Anti-Art-Deco-Stil zum Ausdruck.

Dass Tardi den Orden der Fremdenlegion abgelehnt hat, ist da nicht weiter verwunderlich – es ist mir nur ein Rätsel, warum die Legion diesen einem bekennenden Antimilitaristen überhaupt angeboten hat.

Beide Geschichten sind sicherlich tiefenpsychologisch hochinteressant und vielfältig deutbar, zerren mit dem stetigen Wandeln am Rande des Wahnsinns aber auch ein wenig am Nervenkostüm des Lesers, der beim ersten Lesen zeitweise gar nicht nachvollziehen kann, was da eigentlich gerade passiert.

Wer aber beispielsweise dazu in der Lage ist, sich Terry Gilliams „Tideland“ nachts alleine von Anfang bis Ende anzusehen (nein, nicht jeder schafft das), wird aber auch mit diesem Doppelband fertig werden, ohne selbst in der Klapse zu landen.