VATERLAND

Nina Bunjevac

Nina Bunjevac wühlt sich in ihrer autobiografischen Graphic Novel „Vaterland“ durch ihre über Jahrzehnte totgeschwiegene Familiengeschichte und begreift nach und nach, wie ihr 1977 bei einem missglückten Sprengstoffanschlag ums Leben gekommener Vater zum Terroristen und Attentäter werden konnte.

Als Sohn eines gewalttätigen Säufers wird er schon früh zum Vollwaisen, besucht eine Militärakademie und wird wegen eines öffentlichen Bekenntnisses zu Tito-Kritiker Djilas inhaftiert. Aus der Haft entlassen beschließt er, nach Kanada ins Exil zu fliehen.

Erst dort radikalisiert er sich. „Vaterland“ hat mir vor Augen geführt, wie wenig ich über Jugoslawien und den eigentlich erst im 20. Jahrhundert aufflammenden Konflikt der dort lebenden Ethnien weiß.

Davon, dass es in den 1970ern eine serbische Terrororganisation gab, die in ganz Nordamerika Anschläge verübte, hatte ich noch nie gehört. Auch das brutale Vorgehen der kroatisch-nationalistischen Ustascha war mir kein Begriff.

Damit erscheinen die Jugoslawienkriege der 1990er in einem anderen Licht, als Ende einer Gewaltspirale, bei der Täter und Opfer nicht immer klar zu unterscheiden sind. Auch Bunjevac beschreibt diese Spirale wertungsfrei, ohne sich auf eine Seite zu schlagen.

Ihre schnörkellos schraffierten, schwarz-weißen Zeichnungen erzeugen Schwermut und kühle Distanz, die den Unwillen der Autorin, sich mit diesem Abschnitt des eigenen Lebens zu beschäftigen auffangen und grafisch widerspiegeln.

Viele verklären die Kindheit zu einer unbeschwerten, sorgenfreien Zeit. Bunjevac tut das Gegenteil. Ein nachdenklich stimmendes Buch über ein trauriges Kapitel serbo-kroatischer Geschichte.