FAITH NO MORE

Sol Invictus

Eigentlich dürfte jeder, dessen prägende musikalische Sozialisation Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger stattfand, eine Meinung zum schmalen Gesamtwerk von FAITH NO MORE haben. Während manche „Angel Dust“ von 1992 für das absolute Meisterwerk der Band halten, schätzen andere eher das Frühwerk in Gestalt von „Introduce Yourself“ (1987) und dem 1989er Durchbruch-Album „The Real Thing“ mit den herausstechenden Alternative-Rockdisco-Hits „We care a lot“ und „Epic“.

„The Real Thing“ markierte dann auch den Übergang von der Chuck Mosley- zur Mike Patton-Phase, die FAITH NO MORE erst den Kultstatus einbrachte, von dem die Band heute noch zehrt. Damals allerdings war es eine recht einschneidende Veränderung für die Band, schließlich war Mosley als Sänger und Songschreiber maßgeblich für den typischen FAITH NO MORE-Sound verantwortlich.

Während Pattons Rolle auf „The Real Thing“ noch deutlich bescheidener ausfiel, denn der MR. BUNGLE-Frontmann stieß erst zur Band, als das Album schon quasi fertig war, konnte er durch seine extravaganten musikalischen Interessen und seinen eigenwilligen Gesangsstil schnell das Ruder an sich reißen.

Selbst wenn man Neunziger-Crossover dieser Art, wie ihn auch die RED HOT CHILI PEPPERS prägten, grundsätzlich hasst, muss man FAITH NO MORE zugestehen, mit ihrem Mix aus Metal, Funk, Pop und Resten von Punk frischen Wind in die amerikanische Rockmusik der späten Achtziger gebracht zu haben.

An „King For A Day“ von 1995 und dem finalen Album „Album Of The Year“ von 1997 schieden sich dann zwar die Geister, auch wenn man rückblickend sagen muss, dass deren etwas fokussiertere Rockigkeit inzwischen mehr Spaß macht als die stilistischen Verrenkungen von „The Real Thing“ oder „Angel Dust“.

Im Prinzip knüpft „Sol Invictus“ 18 Jahre später unmittelbar an „Album Of The Year“ an, ohne dass die Urmitglieder Mike Patton, Billy Gould, Mike Bordin und Roddy Bottum von ihrem Trademark-Sound abgerückt wären.

Allerdings wirkt „Sol Invictus“ deutlich gemächlicher und weniger aggressiv. Möglicherweise wäre es nur ein durchschnittliches Alternative-Rock-Album unter vielen, wäre da nicht der exzentrische Frontmann, dessen Post-FAITH NO MORE-Schaffen bei FANTÔMAS oder seine Rolle als Ipecac-Labelchef schon lange das der Band überschattet, die ihn bekannt gemacht hatte.

Und auch wenn „Sol Invictus“ kein Album ist, für das sich einer der Beteiligten schämen müsste, sind natürlich Überlegungen erlaubt, ob es sich dabei um ein tatsächlich notwendiges Ventil für deren kreatives Mitteilungsbedürfnis handelt oder es nur dazu dient, die Rentenkasse aufzufüllen.

Was ja ebenfalls für die seit 2009 absolvierten Live-Auftritte von FAITH NO MORE gilt, denn nichts verkauft sich bekanntlich besser als hübsch verpackte Nostalgie.