SONS OF JIM WAYNE

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Deutschland sucht den Country-Star

Country ist ja schon seit einiger Zeit hoffähig geworden, und durch die letzten Platten von Johnny Cash kann sich jetzt auch der Popintellektuelle ganz gehörig daran abarbeiten. Obwohl, wenn Deutsche Country machen, klingt das immer noch komisch, und wird oftmals mit den verbrecherischen Umtrieben eines Gunter Gabriel oder Nervensägen wie TRUCK STOP in Verbindung gebracht. Positive Gegenbeispiele sind sicher die Hamburger FINK („die deutsche Antwort auf 16 HORSEPOWER“, ähem ...) und das Ruhrpott-Ensemble JIM WAYNE SWINGTETT, die zwei sehr schöne Platten namens „Western Star Games“ und „Time & Efforts“ gemacht haben, auf denen sie stilistisch alles abdecken konnten, was man sich so unter Country amerikanischer Prägung vorstellen kann („westfalisierte Roots-Songs und verregneter Country – angereichert mit einem bisserl Bluegrass und Folk“).

Das JIM WAYNE SWINGTETT existiert mittlerweile nicht mehr, was Stefan Kullik, Hauptberuflich Promoter bei NTT in Dortmund und Anfang der 90er Mitglied von WHOA!, nicht davon abgehalten hat, unter dem Namen SONS OF JIM WAYNE dieses Jahr mit „Sweet Madonna“ nahtlos an die Werke der Vorgängerband anzuknüpfen, wenn auch stilistisch etwas reduzierter. Sein Partner dabei heißt Bernd Uebelhöde, der mal kurzfristig Schlagzeuger von WELL WELL WELL war, bevor er von 1986 bis 1991 mit FERRYBOAT BILL vier Platten aufnahm, die man rückblickend als echte Pioniertaten in Sachen deutscher Countryrock ansehen muss. Neben einigen anderen Bands aus Waltrop und der näheren Umgebung hatte sich dort zu dieser Zeit eine äußerst fruchtbare Musiker-Szene entwickelt, die ihren amerikanischen Vorbildern erfolgreich nacheiferte – sozusagen Klein-Seattle mitten im Ruhrpott. Insofern hat es durchaus nostalgischen Wert, mehr als 10 Jahre später Uebelhödes brummelndes Organ erneut zu hören, untermalt von Musik, die nicht unbedingt weit von seiner alten Band FERRYBOAT BILL entfernt ist, und über den man sagt, dass kaum jemand so bitter aus der Wäsche gucken kann.

Wie seht ihr das, hat sich an der grundsätzlichen Akzeptanz von Country in Deutschland etwas geändert, oder verbinden das die meisten Leute immer noch mit diesen Trucker-Klischees?


Stefan: Ich glaube schon, dass das Ohr jetzt offener dafür ist. Ich weiß nicht, ob das vor fünf oder sechs Jahren auch so war. Vielleicht haben die Leute, wie so oft, was in der Werbung gehört und sehen, dass das ist doch nicht alles Trucker-Musik ist, was es da so gibt. Trucker-Musik hat halt immer diesen komischen Gunter Gabriel- und TRUCK STOP-Hintergrund. Aber wenn jemand sagt, wir würden Musik fürs Autofahren machen, ist das eigentlich perfekt. Es gibt ja solchen Country und solchen Country, da existieren unheimlich viele Facetten. Johnny Cash hat da sicher auch seinen Teil zu beigetragen, dass Leute sich plötzlich für Country interessieren, die das vorher eben nicht getan haben. Wenn selbst die Visions jetzt darüber schreibt ...
Bernd: Die Leute können von mir aus darüber denken, was sie wollen, ich habe da kein Problem mit. Mein Vater war auch Fernfahrer und von dem hatte ich damals auch viele Platten in dieser Richtung.

Und wie sieht es dabei dann mit der berühmten Authentizität aus? Dürfen Deutsche Country machen?

Stefan:
Deswegen lehnen es wohl viele Leute auch ab, zum Beispiel der Kritikerpapst vom Rolling Stone, Wolfgang Doebeling, hört sich unsere Scheibe erst gar nicht an. Zum Glück gibt es da auch noch andere Leute und so hat der Rolling Stone damals auch einen Song vom SWINGTETT auf seinen Sampler genommen. Beim Bayrischen Rundfunk gibt es aber auch jemanden, der strikt sagt, er hört sich keine deutschen Bands an, die englisch singen. Alles, was du hörst, hat einen Einfluss auf dich und ich bin mit so Musik aufgewachsen. Ich glaube nicht, dass ich weniger von dieser Musik gehört habe, als irgendein Country-Fuzzi aus Amerika. Natürlich spielt da öfter eine Countryband, als im Ruhrgebiet. Dazu kommen ja noch andere Einflüsse, die das ganze Spektrum nur breiter machen. Johnny Cash nimmt ja auch andere Songs und macht daraus Country. Bei den SWINGTETT-Scheiben hatten wir allerdings auch noch Shorti dabei, der so einen richtig ausgeprägten germanischen Akzent hatte. Das wird dir dann doch mal übelgenommen.
Bernd: Für so einen Doebeling sind wir zu einfach gestrickt, für den sind wir Leute, die auf Truckermusik und Fußball stehen – und Frauen mit dicken Titten.

Warum singt ihr nicht direkt deutsch wie FINK? In eurem Programm findet sich ja skurrilerweise auch der EXTRABREIT-Song „Junge, wir können so heiß sein“.

Stefan:
Bei deutschen Texten tendiert man immer dazu, irgendwelche großen Aussagen zu treffen. Bands wie FINK verzetteln sich da meiner Meinung nach völlig. Das sind natürlich auch gute Musiker und die machen das auch gut, aber mich berührt es textlich null. Ich bin da eher Melodienfanatiker. Aber ‚Junge, wir können so heiß sein‘ kann man wunderbar im Country-Rhythmus spielen – da haben wir dann aber auch schon drei Promille oder so.
Bernd: Wir lehnen ja auch nicht grundsätzlich deutschsprachige Musik ab, ich bitte dich. Ich habe früher auch jahrelang deutsche Texte gesungen.

Irgendwo habe ich gelesen, die Simplizität der Songstrukturen würde den Geist der Wayne Familie ausmachen. Wie simpel ist Country denn?

Stefan:
Punk ist es nicht, denn für Country braucht man schon fünf Akkorde, aber es ist wirklich ziemlich einfach. Es gibt gewisse Schemata und wenn du C-F-G spielen kannst, kannst du schon die Hälfte aller Countrysongs spielen – Hank Williams-Songs sowieso.
Bernd: Das gute an Country ist, dass man das in jeder Form spielen kann, egal ob mit zwei Leuten oder einer ganzen Band. Wenn du jetzt natürlich eine aktuelle Countrynummer aus den Staaten 1:1 nachspielen willst, bekommst du schon deine Schwierigkeiten, denn die sind musikalisch alle völlig hochgetunet.

Wie habt ihr beiden euch eigentlich getroffen? Die letzte FERRYBOAT BILL-Platte kam 1991 heraus. Bernd scheint ja seitdem keine Musik mehr gemacht zu haben, oder?

Bernd:
Also, 92 waren wir mit FERRYBOAT BILL noch auf Tour und drei Jahre haben wir richtig davon gelebt. Ich bin damals noch studieren gegangen, Sozialarbeit, und hab BAFÖG gekriegt. Aber eigentlich bin ich Schlosser. Irgendwann ist mein Vater dann gestorben und meine Mutter hätte aus dem Haus rausgemusst. Da habe ich mir mal die Perspektiven mit Sozialarbeit überlegt, und die waren damals echt lächerlich. Ich habe dann superlange gar nichts gemacht, außer arbeiten gehen. Das JIM WAYNE SWINGTETT war dann irgendwann an einem toten Punkt angekommen und wollten da einen neuen Spirit reinkriegen. Als die mich dann anriefen, habe ich mich ziemlich gefreut, da ich die von diversen Partys kannte. Als ich dann eingestiegen bin, ist direkt ein anderer ausgestiegen, aber nicht wegen mir, haha. Dann waren wir nur noch zu viert, und auf der Tour stellte sich dann heraus, dass wir beide am besten zusammen klarkamen. Und dann sind wir im Prinzip übrig geblieben.
Stefan: Wir wohnen ja auch nur 500 Meter auseinander. Zumal Bernd auch ein Banjo hatte, was sich für diese Art von Musik super anbietet.
Bernd: Waltrop ist halt eine kleine Stadt.

In Waltrop hatte sich Ende der 80er eine richtig inzestuöse Szene entwickelt. Bernd hat noch zwei andere Brüder, die Musik gemacht haben, während sich die Finke-Brüder bei WELL WELL WELL oder dem Big Store-Label austobten ...

Bernd: Bis wir mit FERRYBOAT BILL die erste Platte machen konnten, hat es allerdings sechs Jahre gedauert. So lange haben wir immer vor denselben 100 Leuten gespielt, aber im Monat zweimal. So haben auch WELL WELL WELL angefangen. Die erste Band, in der ich überhaupt mitgespielt habe, hieß DILETTANTISCHE EINHEIT. Jochen Finke war da Frontmann und die haben deutschsprachige Punkmusik gespielt. Die brauchten damals einen Schlagzeuger, aber ich hatte bisher nur Gitarre gespielt. Und wir sind dann in der Aula des Gymnasiums aufgetreten. Das war mein erster Gig überhaupt, da war ich 16. In Bands zu spielen hatte in Waltrop immer Tradition, und es gibt immer noch zig Bands da. Auf einem Stadt-Sampler hast du locker 20 Bands drauf. Da sind auch immer welche dabei, die wirklich innovativ sind.
Stefan: Ich bin sowieso nur zugereister Waltroper und erst mit 18 oder 19 da hingekommen. Da stand die Szene schon. Jochen Finke und Daniel Lütkenhaus hatten damals Big Store gegründet. Als sie sich getrennt haben, hat Jochen mit Warehouse und NTT weitergemacht, wo auch die beiden letzten FERRYBOAT BILL-Scheiben rauskamen. Aber die ganze Sippe wohnt ja noch in Waltrop, auch so jemand wie Produzenten-Maestro Olaf Opal. Es gibt auch nur eine vernünftige Kneipe, so dass man sich unweigerlich jeden Freitag trifft.