AMOCO CADIZ

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Yuppiepunk

Die Amoco Cadiz sorgte am 16. März 1978 für weltweite Schlagzeilen. Das Schiff, unter libanesischer Flagge schippernd, verursachte nach einem kompletten Durchbruch der Schiffswand vor der Nordwestküste Frankreichs, die bis dahin weltweit größte Ölkatastrophe. Dabei ergossen sich 230.000 Tonnen Öl ins Meer, vergleichbar mit der gesamten Fläche des Saarlandes. 25 Jahre später sitze ich mit den Verantwortlichen dieser Sauerei in einem Kölner Wohnzimmer und frage sie, was das mit Jello Biafra zu tun haben soll.

Wenn man in der Flut heutiger Umweltkatastrophen den Namen dieses Schiffes nicht kennt, wüsste man ja auf Anhieb erst mal weder, um welche Stilrichtung sich eure Musik dreht, noch woher ihr kommt.


Martin: Nachdem wir uns 2001 gegründet hatten, damals noch als Trio, rückte auch irgendwann der erste Auftritt näher. Aufgrund meiner HÜSKER DÜ-Sammlung, haben wir uns dann überlegt, die Band ‚New Day Rising‘ zu nennen. Huber war zum Glück so schlau, mal im Internet nachzusehen und kam dann mit der Nachricht rüber, die Band würde es schon geben. AMOCO CADIZ sollte eigentlich mein Künstlername werden, weil ich mich privat sehr mit Umweltkatastrophen beschäftige. Eines meiner Hobbys sind untergegangene Öltanker. Das hat eine diabolische Schönheit. Die Anderen fanden den Namen auch gut, also hab ich als Künstlernamen stattdessen Yuppiepunk genommen – den ich übrigens ziemlich bescheuert finde.
Huber: Haha.
Martin: So hat mich mal vor Jahren ein Ranz-Punk beschimpft, weil ich einen schrottigen Fiesta besaß. Das fand ich lustig, aber auch reichlich bescheuert.
Huber: AMOCO CADIZ klang für mich gut und außerdem kommt nicht direkt die Assoziation Punkrock hoch. Mit dem Bandnamen könntest du auch Elektro-Mucke machen.

Eure erste Veröffentlichung „Die Anyone“ war ja eine Mini-CD und liegt nun auch schon eine Weile zurück. Ich war davon sehr begeistert und habe das auch in einem Review geäußert (Ox #50). Ihr habt ja einiges an Energie da rein gesteckt, hat es sich gelohnt?

Martin:
Nun ja, wir haben für ‚Die Anyone‘ unser eigenes Label Amocore gegründet. Das fanden wir eigentlich ziemlich cool, so was selbst in die Hand zu nehmen. Eigentlich ist die CD aus ‘ner Demo-Session entstanden. Die Demos hatten wir im Studio aufgenommen und die wurden dann besser, als wir das gedacht hatten. Wir haben das dann ein paar Freunden vorgespielt und weil so viel positive Resonanz kam, haben wir uns entschlossen, das zu veröffentlichen. Da es aber in dem Sinne kein wirklich fertiges Produkt war, hatte keiner von uns Bock, damit hausieren zu gehen, daher die Sache mit dem eigenen Label.

Wahrscheinlich kein billiger Spaß, oder?

Martin:
Stimmt. Das Studio, Pressen der DCD, Covergestaltung und nicht zuletzt GEMA-Anmeldung. Aber ohne GEMA wirst du kein Presswerk finden. Wir hatten aber auch keine Lust, ein paar Hundert selber zu brennen. Außerdem wollten wir schon was ‚echtes‘. Hahaha. Andererseits kannst du aber heute auch nicht mehr mit ‘nem Demo ankommen, das aussieht wie 1987, oder ‘ner ollen Kassette, das wandert bei vielen Leuten nämlich direkt in die Tonne.
Wuschek: Insgesamt waren es bestimmt 3.000 Euro und die werden auch erst mal nicht reinkommen. Das ist eher so wie ‘ne Briefmarkensammlung. Ich glaube unsere Formation wird noch ein paar Jährchen länger halten und wer weiß, in vier oder fünf Jahren machen wir vielleicht mal ‘n Fläschchen Wasser auf, ‚Prost Freunde, die erste Scheibe ist drin‘, haha. Investieren muss man schon.
Martin: Wir sind mit ‚Die Anyone‘ bisher weitergekommen, als wir ursprünglich gedacht haben.
Wuschek: Eine CD bringt ja auch noch andere Sachen mit sich. Ein Freund von mir, der in Berlin in der Videoproduktion arbeitet, war von der Platte so angefixt, dass er meinte, wir sollen versuchen eine Japan-Tour auf die Beine zu stellen.

Japan?

Wuschek:
Deutsche Bands haben in Japan echte Chancen.
Huber: Da ist was dran. Ich kenne das noch von früher aus der Metal-Szene. Da waren einige Bands, die hier keiner kannte, schon tierisch erfolgreich.
Wuschek: Es ist ein echtes Problem, dass Bands, die einen deutschen Stempel haben, hier schnell belächelt werden. Wir haben früher Konzerte in Köln organisiert. Kaum, dass da ein Ami-Stempel drauf war, platzte der Laden aus allen Nähten. Bei deutschen Bands hattest du dagegen 30 verschränkte Arme vor der Bühne. Und in Japan ist das nicht anders, aber da sind wir die Exoten, haha.

Wuschek, die anderen haben ja als Trio angefangen und du bist erst später dazu gekommen.

Wuschek:
Ich kannte Martin noch von früher, wo wir zusammen bei SUIZARIA gespielt haben. Danach bin ich dann bei HEITER BIS WOLKIG eingestiegen und habe dort aktiv bis 2001 mitgemacht. Wichtig war mir immer, dass die Musik Spaß macht. Bei HBW war das irgendwann Thema, ob es eher kommerzieller werden soll, oder ob der Spaß erhalten bleibt. Das war dann nicht mehr meine Sache.

Was mir bei eurem Konzert im Gebäude 9 aufgefallen ist, war die Tatsache, dass du als Gitarrist den Frontmann gemacht hast, während Huber und Martin als Sänger die Flanken bildeten.

Huber:
Das war aber keine bestimmte Planung. Das hatte sich durch den Bühnenaufbau so ergeben.
Wuschek: Ich habe aber natürlich den Vorteil, dass ich mich nicht aufs Singen konzentrieren muss, von daher kann ich mehr agieren und auch schon mal Feuer spucken. Es gibt durch diese Rollenverteilung in der Band keinen, der sich besonders dicke tun muss.

Ab wann darf man auf eine Fortsetzung in Form einer neuen Platte hoffen?

Martin:
Wir gehen zwischen August und Oktober ins Studio, um eine CD aufzunehmen. Das wird so aussehen, dass die punkigen Songs schneller und härter, aber auch kürzer werden. Im Gegensatz dazu sind ein paar Songs dabei, die balladesker, also auch langsamer als auf der Mini-CD werden. Bei manchen Stücken werden wir mit zwei Bässen arbeiten. Textlich und musikalisch wird es also eher härter zur Sache gehen. Ob wir damit auf einem anderen Label rauskommen oder wieder bei Amocore wird sich noch zeigen.

Bislang ist eure Popularität ja eher auf lokaler Ebene in Köln und Umgebung beschränkt, ich finde das eigentlich schade.

Martin:
Wir müssen dazu sagen, dass wir es nicht besonders eilig haben und uns deswegen primär um den lokalen Bereich kümmern. Was den Vertrieb angeht, hoffen wir natürlich, dass sich in Zukunft da noch was ergeben wird. Allerdings hat keiner von uns Bock Klinken zu putzen.
Wuschek: Für Leute von außerhalb gibt es die Möglichkeit, uns vielleicht mal live zu sehen. Allerdings spielen wir natürlich im Vorbandstatus. Wohin wir eigentlich gerne wollen ist, was den derzeitigen Vertrieb angeht, dass die Leute unsere Homepage besuchen und die Platte direkt über uns bestellen. Allerdings läuft das schon sehr schleppend, haha.
Huber: Als Vorband zu spielen kann aber auch sehr positiv sein. Wir haben in Flensburg vor einer brasilianischen Band gespielt, da sind die Leute voll mitgegangen, Pogo ab dem zweiten Song und das, obwohl uns wirklich keiner kannte.
Martin: Was da oben auch sehr positiv aufgefallen ist, war, egal wo man hinging, dass überall für das Konzert plakatiert wurde. Das war schon klasse. In Köln sieht es da eher schlecht aus. Überhaupt ist die ganze Kölner Situation total beschissen. Hier fehlen die Auftrittsmöglichkeiten für kleinere Bands. Der Sonic Ballroom ist zum Beispiel im Mai auch dicht gemacht worden. Das war noch ein Laden, da bekam man als Band den Großteil der Kasse. Das gibt es sonst nicht. In renommierten Läden bekommt man als kleine Band entweder gar nichts, oder man muss sogar in Vorkasse treten.
Huber: Darum geht es auch in dem Song ‚Exploitation is the backbone of Rock‘n‘Roll‘.
Wuschek: Das die Läden hier alle dicht machen, liegt vor allem an diesem beschissenen Ordnungsamt, das total diktatorische Maßstäbe ansetzt.

Irgendwer hat mal geschrieben, dass Huber als Sänger gut als Jello Biafras jüngerer Bruder durchgehen würde. Die Ähnlichkeit der Stimme ist ja wirklich frappierend. Steckt da Absicht hinter?

Huber:
Nein, auf keinen Fall. Ich komme ja eigentlich aus dem Metal-Bereich. Als ich vor ungefähr zwölf Jahren in meiner ersten Punkband gesungen habe, sagte mir jemand, ich würde mich anhören wie der Sänger von DEAD KENNEDYS. Zu der Zeit kannte ich die noch gar nicht.
Wuschek: Erzähl mal die Story dazu.
Huber: Ich habe einen Kumpel in Amerika, der ist Booker, für Bands wie TRAIL OF DEAD, BACKYARD BABIES, aber eben auch Biafra. Der kennt Jello ziemlich gut und hat sein Büro im gleichen Gebäude wie Alternative Tentacles und dem hatte ich auch unsere CD geschickt. Der ist dann rüber in sein Büro und hat Jello gefragt, ob er mal die neue DEAD KENNEDYS hören wolle, die hätte er grad im Postfach gehabt. Er legt ‚Cojones‘ ein und Jello hört es sich an, meint, ‚What the hell is this?‘ und war erst mal richtig irritiert, wo die jetzt diesen Sänger her haben, haha.