SHE-MALE TROUBLE

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Geschlechterkampf

Wie’s so ist: Man kennt sich seit Jahren, hat so viel miteinander zu tun, dass man sich irgendwie beinahe blöd vorkommt, mit dem Gegenüber ein ernsthaftes Interview zu machen, weil irgendwie weiß man ja eh schon alles. Aber dann kam das erste Album der Berliner SHE-MALE TROUBLE rein, endlich, und was lange dauerte wurde endlich gut, und jetzt gibt’s dann also doch ein Interview mit Torsten von SHE-MALE TROUBLE und seines Zeichens auch Boss von XNO Records.

Ich kenne dich schon seit Ende der Achtziger, als deine erste Band THE RESISTORS auf der ersten Ox-7" waren. Dann gingst du nach Berlin, deine nächste Band hieß PEARL HARBOR, und dann, Mitte der Neunziger, gab es FEMALE TROUBLE ... Wie ging das alles los bei dir mit Musik und Band und so weiter?


Los ging’s in der Grundschule mit "Ich will Gitarre spielen". Zweimal geäußert hatten meine Eltern gleich meine Ernsthaftigkeit in dieser Angelegenheit erkannt und schickten mich zum Melodica-Unterricht. Hat mich und meinen Melodica-Lehrer nicht wirklich glücklich gemacht. Dann durfte ich im Gitarre-Akkordeon-Orchester Fiorini akustische Gitarre lernen und nach zwei Jahren – die übrigens weder mich noch den Herrn Fiorini glücklich gemacht hatten – hatte ich beides drauf: G7 und ‚Griechischer Wein‘. Da war die Sache ausgereizt. Später hab ich meine 5 DM Taschengeld die Woche bis zu einer Asco SG-Kopie gespart und habe damit jeden Tag meine Universum-Stereoanlage getriezt, bis nichts mehr raus kam. Von den RESISTORS bis SHE-MALE TROUBLE war’s ein langer Weg und dazwischen gab es auch noch Bands wie z.B. DROOLER. Den Bodensee hab ich wegen chronischer Langeweile verlassen und Carola sowie FEMALE TROUBLE hab ich ‘92 oder ‘93 in Berlin kennen gelernt.

Anfangs war FEMALE TROUBLE ja die Band deiner Freundin Carola, eine reine Frauenband. Wann und warum dein Einstieg, warum wurde aus FEMALE SHE-MALE?

1994 hab ich die Debüt EP ‚Angry Mad Pussy‘ der damaligen All-Girl-Band FEMALE TROUBLE auf XNO raus gebracht. Aber bereits auf der ersten Tour mit GUNJAH und MINDWAR gab es gröberen Streit in der Band, woraufhin die Bassistin noch während der Tour gefeuert wurde. Ich war Tourbegleiter, hatte offensichtlich nichts zu tun und wurde dann zum Bass spielen aufgefordert. So hab ich im Treppenhaus des AK 47 in Düsseldorf die ersten fünf Songs gelernt und bin von dort direkt auf die Bühne. Und da wir uns so gut verstanden, haben wir jahrelang in dieser 3-Mädels/1-Junge-Version gespielt, bis die Gitarristin schwanger wurde und es die Schlagzeugerin zurück ins heimische Sizilien zog. Für die beiden Mädels kamen dann 3 Jungs in die Band und wir zahlten der vollzogenen Geschlechtsumwandlung unserer Band Tribut und änderten den Bandnamen in SHE-MALE TROUBLE.

Kaum eine andere Band hat sich so lange Zeit gelassen mit ihrem ersten Album – mehr als „nur“ Singles und Samplertracks war von euch all die Jahre nicht zu bekommen ...

Das war ja eigentlich ganz anders geplant. Nach ‚Burner‘ sollte bald ein Longplayer folgen, aber mit der Anzahl neuer Songs wuchs auch die Anzahl der Differenzen zwischen uns, so dass zwei Jungs die Band verließen und wir mehr oder weniger noch mal von vorn beginnen mussten. Im Juni 2001 haben wir dann die ersten Songs für dieses Platte aufgenommen. Wir dachten, dass wir jetzt noch zack, zack ein paar Songs schreiben, sofort wieder ins Studio gehen und dass die Scheibe dann spätestens Anfang 2002 erscheinen könnte. Aber wir wollten natürlich ‘ne geile Platte machen und haben uns deshalb den Luxus geleistet, nur Sachen für die Platte zuzulassen, die uns wirklich gefallen. Und das hieß zum einen, dass wir über 20 Songs geschrieben haben, wovon am Ende nur 14 auf dem Album sind, und dass wir viele Parts und sogar ganze Songs auch mehrmals aufgenommen haben. Und dann kam auch noch ‘ne Portion Pech dazu, als Carola kurz vor Beendigung der Gesangsaufnahmen bei ‘nem Konzert aus den Latschen gekippt ist und für längere Zeit im Krankenhaus lag. Und plötzlich waren zwei Jahre vergangen. Wir haben selbst am letzten Tag des Mixes noch morgens zuhause Gesang aufgenommen, und einen Song haben wir sogar nicht mehr geschafft, obwohl ‚nur noch‘ der Gesang fehlte.

Jetzt isses raus, das Album, besser produziert als alles zuvor, und man meint bisweilen eine ganz andere Band vor sich zu haben, so stimmig ist alles, ähem ... Seid ihr zufrieden?

Ja, wir sind zufrieden. Nicht dass wir nicht immer noch ein paar Sachen finden, die wir – wenn wir Zeit hätten – noch mal oder anders machen wollen würden, aber wir sind echt zufrieden. Worauf wir wirklich stolz sind, ist, dass diese Platte wirklich nach ‚She-Male Trouble‘ klingt.

Eure letzte Tour, das Package mit CRIME KAISERS und SEX MUSEUM, musste ja abgebrochen werden wegen gesundheitlicher Probleme. Jetzt wieder alles im Lot? Tour nachgeholt?

Ja. Carola ist wieder fit und wir haben die Tour auch schon nachgeholt. War echt ‘ne harte Nummer für uns – nicht nur für Carola. Während der Tour hab ich noch manchmal an der betreffenden Stelle im Set zu ihr rübergeschaut, um mich zu vergewissern, dass sie noch da ist.

Praktischerweise hast du ja ein eigenes Label, XNO Records. Erzähl mal! Wann, warum, wieso, und überhaupt? Ihr macht ja auch das BEATSTEAKS-Management, die erste Platte – wie kam’s, wie läuft’s?


Ich saß einst als Gitarrist der RESISTORS am Bodensee und wollte Konzerte spielen. Da sich sonst keiner für uns interessiert hat, hab ich die Sache selber in die Hand genommen und hab alle Konzertveranstalter angerufen, deren Telefonnummern ich habhaft werden konnte. Das lief ganz gut und andere Bands fragten, ob ich das nicht auch für sie tun könnte. Und plötzlich war ich Booker. Als ich dann nach Berlin ging, und ich meine eigene Band PEARL HARBOR ins Vorprogramm einer vierwöchigen Tour mit den New Yorkern CRAWLPAPPY setzte, dachte ich mir, dass es vielleicht sinnvoll wäre, unser kleines Demo auf CD zu pressen. Dann hab ich ein, zwei Touren mit LOS BOHEMOS aus Schweden gemacht, hab dann ihre letzte EP hier in Lizenz veröffentlicht und plötzlich war ich auch ein Label. Mit den BEATSTEAKS kam ich über Eric Landmann in Kontakt. Der war damals schon so was wie ihr Manager und hat mich ein Jahr lang hartnäckig bearbeitet, doch eine Platte mit der Band zu machen. Da ich aber gerade erfahren hatte, wie leicht man als Label viel Geld verlieren kann, hat es ein Jahr gedauert, bis ich weich war. Da Eric und ich in der Folge alles Geschäftliche für die BEATSTEAKS zusammen erledigten, haben wir diese Label-Manager-Trennung aufgegeben und alles in einen Topf geworfen. Glücklicherweise war das BEATSTEAKS-Debüt ’48/49' ein echter Erfolg. Zuerst in Berlin und dann schnell in ganz Deutschland. Da haben wir uns noch den David Pollack von Destiny ins Management-Boot geholt und seitdem geht’s stetig bergauf.

Dein Leben hast du, habt ihr ja komplett dem Rock’n’Roll verschrieben: Label, Band, Plakatierung, Catering, Booking ... Wie steht man das durch, physisch und psychisch? Und vor allem, trauert man da nicht auch mal einem lauen Bürojob als Ingenieur für viel, viel mehr Geld nach?

Gute Frage! Ohne hier groß jammern zu wollen – es geht wirklich manchmal physisch und psychisch bis an die Grenze von dem, was man leisten kann. Aber ich hab das noch nie bereut, meinen gut dotierten Konstrukteurs-Job mit 37-Stunden-Woche aufgegeben zu haben. Sein eigener Chef sein hat ja auch was.

Seid ihr Teil irgendeiner Berliner/Kreuzberger „Szene“?

Keine Ahnung! Wir suchen uns unsere Freunde ja nicht nach irgendwelchen Szenezugehörigkeiten aus. Am Ende gehen wir oft in dieselben Kneipen, treffen uns da oft mit denselben Leuten und vielleicht sieht es von außen so aus, als wären wir selber irgendeine Szene.

Was haben die ÄRZTE mit FE/SHE-MALE TROUBLE zu tun?


Wenn du so fragst: nichts! Der Herr Felsenheimer und Carola und ich haben was miteinander zu tun. Felse und ich kennen uns schon fast ewig, weil RESISTORS seinerzeit ein paar Mal mit DEPP JONES zusammen gespielt haben. Und daher kenne ich natürlich auch Rod, aber mit Dirk hatten wir über die Jahre den engeren Kontakt. Dirk hat sogar mal ganz kurz bei PEARL HARBOR getrommelt, aber dann hat die Reunion der ÄRZTE unsere gemeinsame ‚Karriere‘ getrennt. Als die ÄRZTE für ihr erstes Video ‚Schrei nach Liebe‘ Kinder suchten, hat Dirk dann Carolas Tochter Jenny und unser damaliges Pflegekind Eugenia angeheuert.

Und wann steigt Carolas Tochter Jenny in die Band ein? Alt genug müsste sie doch jetzt sein... Oder hört die nur Techno?


Alt genug ist sie in der Tat: gestern war ihr 18. Geburtstag. Aber ich glaube, Jenny hat andere Pläne. Sie nimmt zwar Gesangsunterricht, macht das aber mehr für sich selbst. Aber sie hat auf unserer Platte einen schönen Siebzigerjahre-Chor bei ‚Venus‘ gesungen. Mit Techno hat sie zum Glück nichts am Hut. Sie steht mehr auf BEATSTEAKS.

War noch was?


Im November machen wir unsere Tour zur Platte durch unsere Landen. Wäre schön wenn viele von euch kommen würden, damit wir möglichst viel Spaß haben werden, denn darum machen wir ja den ganzen Quatsch!