Bad taste records

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Demosessions und Majorprobleme

Bad Taste Records, beheimatet im rührigen schwedischen Universitätsstädtchen Lund, haben mittlerweile eine veritable Karriere hingelegt, eilte den Labelmachern doch zu ihren Gründungszeiten tatsächlich (in manchen Fällen durchaus berechtigt) der Ruf des „schlechten Geschmacks“ voraus. Besonders in den letzten drei Jahren konnte man sich durch stilsichere Signings jedoch einen ausgezeichneten Ruf bei Musikliebhabern mit breit gefächertem Geschmack erarbeiten. Mit LAST DAYS OF APRIL, LOGH, HARD-ONS, SATANIC SURFERS, LANGHORNS, ALL SYSTEMS GO, FOUR SQUARE oder aktuell DANKO JONES deckt man sowohl geographisch als auch in puncto Musik ein breites Spektrum ab. Ob Rock, Emo, Surf oder Punk, Hauptsache es gefällt den vier Labelmachern um Gründer und Chef Björn. Ich nutzte einen Schwedenurlaub zum Besuch des Labels. Ihr Büro haben Bad Taste Records übrigens im ersten Stock der „Kulturmejeriet“ – einem alternativen Kulturzentrum inklusive Theatergruppe, Programmkino und Club.

Unsere Gegenüber bei diesem Labelinterview waren Jonas und Martin. Ersterer dürfte manchen von euch noch durch seine Zeit bei INTENSITY bekannt sein, letzterer kümmert sich um die Promotion im Hause Bad Taste.

Wie ich gerade gesehen habe, veranstaltet ihr in dem Club hier im Haus auch Konzerte.


Jonas: Ja, kürzlich waren beispielsweise NOFX hier – und der Laden war unglaublich voll. Im Oktober kommen NO USE FOR A NAME. Beide Bands sind seit Jahren nicht mehr in Schweden gewesen. Meistens spielen hier natürlich weniger bekannte Bands. Mit einem Großteil der Shows machen wir selbst kein Geld. Aber vorher war hier in Lund kaum etwas los, und die Stadt liegt einfach so günstig, dass praktisch jede Band, die in Schweden spielt, hier durch kommt. Von daher bietet es sich einfach an, etwas auf die Beine zu stellen.
Martin: Wir kommen alle aus der frühen Punkszene und haben SICK OF IT ALL und all die anderen Bands gesehen. Seit etwa fünf Jahren ist die ganze Sache scheinbar aber nicht mehr attraktiv, und kein Mensch bucht solche Acts noch für Schweden. Jetzt können wir der Szene endlich etwas zurückgeben.

Wie ging die Sache mit Bad Taste denn eigentlich los?

Jonas:
Na ja, wir hatten letztes Jahr unser zehnjähriges Jubiläum. Björn und zwei Kumpels haben 1992 angefangen, damals war das eher so eine Art Mailorder. All die Labels wie Fat Wreck, Epitaph oder Revelation hatten praktisch keinen Vertrieb in Skandinavien, und die drei haben das Zeug dort direkt geordert. Zwei Jahre später haben die SATANIC SURFERS ihre erste Scheibe mit 500 Exemplaren in Eigenregie herausgebracht. Irgendwann wurde ihnen das zuviel und Björn bot sich an, das Album zu veröffentlichen. Da er zu dem Zeitpunkt aber auch nicht so viel Ahnung von der Materie hatte, sind die SATANIC SURFERS mit der nächsten Platte zu Burning Heart gewechselt. Trotzdem entwickelte sich Bad Taste weiter. Es gab von uns zwischenzeitlich sogar einen kleinen Plattenladen in Lund, den wir aber vor ein paar Jahren dicht gemacht haben. Auch den Mailorder haben wir weiterverkauft und machen jetzt nur noch das Label.

Es heißt ja immer, dass viele schwedische Bands vom Staat finanziell unterstützt werden. Wie sieht das bei euch aus?

Jonas:
Nein, als Label direkt bekommen wir nichts. Aber für manche Scheiben, wie zum Beispiel die aktuelle LOGH und LANGHORNS, bekommen wir Unterstützung für das Marketing.
Martin: Dabei ist es die Band, die das Geld erhält. Wir teilen die Sache aber so, dass es für alle Beteiligten günstiger wird.

Von welchen Kriterien hängt es denn ab, ob ein Album Unterstützung bekommt?

Jonas: Die Größe der Band spielt dabei keine Rolle, es geht schon um die Musik. Was auch einer der Gründe ist, weshalb es für uns schwieriger ist, eine Punkband zu machen. Natürlich wird vom Staat eher ein Album unterstützt, das anspruchsvoll oder ‚arty’ ist.
Wie schätzt ihr denn euren Status unter den schwedischen Indielabels ein?
Martin: Schwer zu sagen. Wir werden mit Bands wie DANKO JONES auf jeden Fall größer. Die haben uns mindestens zwei Schritte nach vorne gebracht.
Jonas: Das stimmt. In der Zeit vor 1999 hatten wir einen ziemlich schlechten Ruf. Da war es fast egal, was wir veröffentlichten: Es war ‚uncool‘ ein Album von Bad Taste zu hören. Mit DANKO hat sich das komplett geändert. Ebenso wie mit LAST DAYS OF APRIL und LOGH.
Martin: Ja, denn da hatten wir plötzlich die Emo- und Indieszene hinter uns.
Jonas: Und DANKO brachten auch erstmals etwas Geld in die Kassen. Vor ein paar Jahren haben Björn und ich den Laden nämlich noch zu zweit gemacht. Inzwischen sind wir zu fünft.

Damit dürfte das neue DANKO JONES-Album „We sweat blood“ das große Ding diesen Herbst werden.

Jonas:
Richtig. Wir gehen sogar so weit, diesen Herbst – abgesehen von ein paar Singles – gar nichts anderes zu veröffentlichen.
Martin: „Das wird sehr viel Zeit in Anspruch nehmen, es ist ja fast schon ein Major-Release – zumindest das Größte, was wir bisher gemacht haben. Ein großes schwedisches Magazin hat die Scheibe als eines der meisterwarteten Alben dieses Jahr bezeichnet.“
Jonas: Und würden wir zeitgleich ein Album unserer kleineren Bands herausbringen, würde das bei sämtlichen Vertrieben todsicher untergehen. Abgesehen davon, dass wir wahrscheinlich gar nicht die Zeit hätten, uns richtig darum zu kümmern. Es wäre auch nicht fair, eine Scheibe zu veröffentlichen, mit der man dann kaum arbeiten könnte.

Wie viele Exemplare gehen denn von euren Veröffentlichungen so im Schnitt über die Ladentische?

Martin:
Das ist sehr unterschiedlich. So zwischen 2.000 und 25.000 vielleicht. Das letzte LOGH-Album verkaufte sich bis jetzt etwa 4.000-mal, die LANGHORNS dagegen weniger als 2.000.

Ein paar eurer eigenen Veröffentlichungen erscheinen ja auch als Lizenzversionen in den Staaten.

Jonas:
Ja, zum Beispiel LAST DAYS OF APRIL via Deep Elm. Dort hörte man das Album und sie liebten es so sehr, dass sie es veröffentlichen wollen. Was sehr schön ist, da wir in den USA sonst keinen Vertrieb haben. Mit der neuen LOGH ist es anders: Wir verschicken es an andere Labels und hoffen, dass jemand den Vertrieb übernimmt.

Nach wie vor in der Diskussion ist ja diese ganze MP3-Sache. Spielt das eine Rolle für euch?

Martin:
Auf jeden Fall. Manchmal eine gute, manchmal eine schlechte. Mit den kleineren Bands ist es natürlich eine Art kostenloser Werbung. Bei FOUR SQUARE war das so. Sobald sie jemand gehört hatte, wollte er auch das Album. Bei DANKO dagegen hätten wir ein riesiges Problem, wenn es vorher im Internet kursieren würde.
Jonas: Stimmt. Denn während die Leute bei LAST DAYS OF APRIL oder LOGH meist Musikliebhaber sind, die auch das Original haben möchten, spricht DANKO JONES auch ein anderes Publikum an. Abgesehen davon ist es natürlich toll, ein Releasedate zu haben und die Leute vorher richtig heiß machen zu können. Wenn ich daran denke, wie aufregend es als Kind für mich war, wenn ein neues MÖTLEY CRÜE-Album herauskam ... Als ein kleines Label merken wir die Auswirkungen auch viel stärker, wenn so ein Album schon vor Veröffentlichung im Internet steht. Momentan arbeiten wir alle auf absolut niedrigster Gehaltsstufe ... Keine Ahnung, was passieren würde, wenn wir noch mehr Geld verlieren.

Wie sieht es denn mit Vinylversionen eurer Veröffentlichungen aus?

Martin:
Inzwischen gibt es eigentlich von jeder Scheibe bei uns auch eine Vinylversion.
Jonas: Meistens kam die LP aber erst ein paar Monate nach dem Erscheinen der CD auf den Markt, weshalb die Meisten das Album natürlich schon hatten. Bei DANKO wird jetzt erstmals alles zur gleichen Zeit veröffentlicht.

Mit Surf, Emo, Punk und Hardcore scheint es im Bad Taste-Raster ja keine stilistischen Grenzen zu geben. Wie muss eine Band sein, um von euch veröffentlicht zu werden?

Jonas:
Gut, haha.
Martin: Jeder hier im Büro muss die Band mögen. Genau das war der Fall bei FOUR SQUARE. Die kannte eigentlich niemand so richtig, aber wir haben ihr Demo bekommen, jeder hat es geliebt, und wir spielten es rauf und runter.

Ist denn jemand von euch selber in Bands aktiv?

Jonas:
Ich habe in INTENSITY, der Band von SATANIC SURFERS‘ Rodrigo, und auch bei EVERYDAY MADNESS gespielt. Erstere gibt es nach wie vor, ich bin aber aus Zeitgründen vor zwei Jahren ausgestiegen. Demnächst kommt eine neue 7“ von ihnen, wovon nur leider kaum jemand etwas mitbekommt, weil sie alles in Eigenregie machen.
Martin: Außerdem gibt es bei uns noch einen zweiten Martin, der nebenbei Schlagzeug bei VENEREA spielt.

Welche Band würdet ihr denn gerne noch auf Bad Taste haben?

Martin:
„AT THE DRIVE-IN.
Jonas: Ja, enn die noch zusammen wären, das wäre ein Favorit.

Und THE MARS VOLTA?

Martin:
Na ja, dann schon eher SPARTA. Die haben wir dieses Jahr auf einem Festival gesehen, das war großartig. Besonders weil der Sänger einen DANKO JONES-Sticker an seinem Shirt hatte, haha ...
Jonas: Auch ein IRON MAIDEN-Album wäre nicht schlecht. Die mag außer Ronnie nämlich jeder bei uns.

Trotzdem gibt es keine Metal-Veröffentlichungen bei euch?

Jonas:
Hm, Metal nicht direkt. Aber wir haben die WITHIN REACH-Scheibe gemacht. Die spielen zwar eigentlich Hardcore, aber mit einer gewaltigen Metal-Schlagseite.
Bekommt ihr denn viele Demos zugeschickt?
Martin:
Oh ja, wir bekommen pro Tag ungefähr fünf bis sechs Demos. Da stapelt sich immer ein riesiger Haufen an, und alle zwei oder drei Monate machen wir eine Art Demo-Session: Wir setzen uns zusammen, machen ein paar Bier auf und hören uns durch die einzelnen Tapes und CDs durch. Bei genau diesen Veranstaltungen fiel zum Beispiel auch die Entscheidung, FOUR SQUARE oder DANKO JONES unter Vertrag zu nehmen.

Morgen habt ihr auf dem Malmöer Stadtfest eine eigene Bühne, auf der neben den LANGHORNS und LOGH auch LAGWAGON spielen werden – was für unsere Verhältnisse eigentlich ziemlich unglaublich klingt. Von Stadtfesten kennt man in Deutschland eigentlich nur Blaskapellen ...

Martin:
Das ist eine verdammt coole Sache. Auf dem Fest gibt es verschiedene Stages, meistens natürlich viel kommerzielles Zeug. Aber eben auch Jazz, Hip-Hop, Sixties und Indie. Wir haben sogar zwei Bühnen. Eine richtig große und ein kleines Zelt. Da wollten wir aber nicht nur Bad Taste-Acts haben, denn das wäre etwas langweilig – wir veranstalten ja selber einmal im Jahr ein Labelfestival. Also spielen zum Beispiel noch VENEREA aus Malmö und Denison Witmer, ein noch völlig unbekannter amerikanischer Songwriter.

Martin und Jonas, vielen Dank für das Interview.

Fotos: Esther Steuding