Das Ox klärt auf- Booking

(Fast) Alles, was ihr in Sachen Tour- und Konzertveranstaltung schon immer wissen wolltet

Natürlich ist es eine schöne Sache, viele Platten im Schrank stehen zu haben, aber „echte“ Musik gibt es nur auf Konzerten in all den Clubs, Jugendzentren, Hallen und Stadien. Aber wie kommen die ganzen Bands eigentlich da hin? Wer sorgt dafür, dass eine Tour, dass ein Konzert stattfindet? Ja, so ungefähr weiß das jeder, da gibt es so eine Konzertagentur, und die macht das. Aber was macht die eigentlich? Und wer ist da alles beteiligt? Wo liegen die Probleme? Und warum kostet eine Karte heute nicht mehr fünf Euro?

Fragen über Fragen, die wir Leuten gestellt haben, die es wissen müssen und die wir halbwegs repräsentativ ausgewählt haben - sorry an all die Booker und Promoter, die sicher genauso interessante Sachen zu erzählen gehabt hätten:
- Steffen Rose, Navigator Productions, Wertheim. Macht seit Urzeiten Konzerte in der Gegend Würzburg/Wertheim/Schweinfurt, hat früher auch Touren gebucht (etwa YUPPICIDE) und betreibt seit einiger Zeit einen Backline-Verleih. Seit Oktober arbeitet er bei Argo Concerts, die unter anderem in Nürnberg „Rock im Park“ veranstalten, als Produktionsmanager, macht aber weiterhin Konzerte und den Verleih.
- Mutti, betreibt in Berlin seit einiger Zeit die Agentur Muttis Booking. Zuvor hat er sich jahrelang die Hörner bei Destiny abgestoßen, wo er das Business von der Pike auf kennen lernte.
- Dirk, auch King Kranz war früher Sänger der Kasseler Garagenpunker DOG FOOD FIVE und kam zum Tourbooking wie die Jungfrau zum Kinde. Eher aus einer Not heraus, nämlich um mit seiner Band Konzerte spielen zu können, fing er damit an. Irgendwann entstand daraus die Agentur Monogam, welche ebenfalls von Berlin aus ihr Unwesen treibt.
- Die dritte Berliner Agentur, die zu Wort kommt, ist M.A.D., hier vertreten durch Marc und Ute, die schon seit Jahren in der Kreuzberger Szene verwurzelt sind und mittlerweile ihr Netzwerk über die ganze Republik gespannt haben.
- Mitch Useless, Booker im Kölner Underground, einem der besten Clubs der Republik. Früher machte er das Garagepunk-Fanzine Useless Earlyripes.


Bitte stell dich kurz vor: Wer bist du, was machst du? Wie bist du zu deinem Job gekommen?

Steffen: Steffen Rose, mittlerweile schon 40, ich mache lokale Veranstaltungen von Konzerten sowie Backline-Vermietung, also Amps, Boxen, Drumsets usw. für Touren.
Dirk: Ich buche mit meiner Monogam Beatagentur hauptsächlich Garage-Bands. Mal mehr Sixties, mal mehr Punkrock. Manchmal geht es auch eher in die Pop-Richtung. Etwas Surf oder Old School Soul/Jazz darf auch gern dabei sein. Angefangen habe ich mit dem Buchen von Konzerten für meine eigene Band Anfang der 90er. Thorsten Wolff von High Society International hat mich dann gefragt, ob ich nicht eine Tour für ANOTHER FINE MESS, eine zu Unrecht längst vergessene, englische Powerpop-Band, buchen könnte. Die Band war klasse, und so habe ich mich breitschlagen lassen. Dann sind noch ein paar Bands von Freunden dazu gekommen, für die ich ab und zu mal was organisiert habe, und 1997 hatte ich dann die Nase voll vom Arbeiten gehen. Gleichzeitig hatte Joachim Friedmann seine That‘s Entertainment Agentur zugemacht und war auf der Suche nach jemandem, bei dem seine Veranstalter-Kontakte gut aufgehoben wären, und der sein Lebenswerk fortführen könnte. Ich habe mit Joachims Hilfe und der meines alten Chefs Reinhold dann Monogam gegründet und hatte sehr schnell ein gutes Bandprogramm nach meinem eigenen Geschmack zusammen. Es gab damals auch so eine Art Vakuum, das es mir leicht gemacht hat. Seitdem habe ich Konzerte und Touren für gut 150 Bands aus fünf Kontinenten und dazu nach Auftritte für eine Menge DJs in Deutschland und dem umliegenden Ausland gebucht.
Mutti: Spitzname: Mutti. Mache: Muttis Booking Büro, d.h. Tourneebooking von Bands aus dem In- und Ausland. Kam dazu: eigene Bands gehabt, aber natürlich keinen Erfolg – und wohl kein Talent –, dann Shirts für TERROGRUPPE verkauft und auch deren Booking übernommen, dabei bei Destiny angestellt gewesen und dann nach einigen Jahren mich zusammen mit Chrisi selbständig gemacht. Also der Klassiker, erfolgloser Musiker – und Jounalist – erfüllt sich den Traum vom Touren auf diesem Weg, höhö!
MAD: M.A.D., das hat keine Bedeutung an sich, für uns ist es nur ein Name, den man eben braucht, wenn man legal in die Geschäftswelt eintreten muss. Davor funktionierten wir schon Jahre lang ohne Namen als DIY-Gruppe, wie es sonst noch gerne genannt wird. Das hat uns auch nie interessiert und tut es eigentlich heute noch nicht. In den Job bin ich so reingerutscht, angefangen hat es bei mir ‘78 mit Punkrock. Bei Konzerten wie im KZ36 oder S036 habe ich in den 80ern angefangen mitzuarbeiten und die ganze Entwicklung mitgemacht, von der Türöffnung, bis zu den ewigen Schließungen, die zwischenzeitlich stattgefunden haben. Ich muss aber ehrlich gestehen, dass ich zu verrückt war, um das durchzuziehen und lieber dem Terror der Strasse huldigen und Chaos über das Land bringen wollte – Punkrock-Lifestyle eben. Und so lebte ich das Chaos, bis Ute dann Anfang der 90er der Motor war, die Energie und die Philosophie in praktische Zusammenhänge zu lenken.
Mitch: Deckname: Mitch Useless, soll ja niemand wirklich wissen, wie ich ‚richtig‘ heiße, und wie ich so tief sinken konnte, den Job eines sogenannten Bookers anzunehmen! Ich buche also die Bands, mache die Verträge, Abrechnungen, Monatsprogramme usw., eben alles, was mit Konzerten zu tun hat, und das im Underground in Köln. Zu dem Job kam ich irgendwie auf Um- und Abwegen über Ritchie Apple von Screaming Apple, den ich aus meiner Fanziner-Zeit kenne und der mich, als ich noch in Berlin wohnte, einfach fragte, ob ich nicht Bock dazu hätte. Um aber den ‚wahren‘ Grund zu nennen, warum ich diesen Job angenommen habe: Da ich weder als Musiker, noch als DJ, noch als Plattenfirmenchef geeignet bin, dachte ich, das ist die letzte Möglichkeit, um in meinem Alter vielleicht doch noch mal ein paar schnieke Damen abzubekommen, hehe.

Und deine Firma? Wann und wo und von wem wurde sie gegründet? Wie fing es an? Wie klein/groß war sie damals, wie groß ist sie heute?

Steffen:
Die erste Show habe ich 1983 bei uns im JUZ gebucht, das war BLUTTAT. Navigator war immer eine Ein-Mann-Firma, weil ich immer nur die Shows gemacht habe, auf die ich Lust hatte. Ich habe/hatte immer noch einen Vollzeit-Job, der mir diese Freiheit gegeben hat.
Dirk: Monogam kommt aus Berlin und war immer ein Ein-Mann-Betrieb, der in den sieben Jahren seines Bestehens nicht bemerkenswert gewachsen ist, sondern sich sogar vor ein paar Monaten von einem Vollzeitjob für mich zu einer Nebenaktivität zurück entwickelt hat. Es gab Zeiten, in denen ich gerne jemand zusätzliches eingestellt hätte, um die ganze Arbeit zu bewältigen. Hinterher war ich aber immer froh, dass ich es nicht getan habe, weil ich es mir einfach nicht hätte leisten können. Mit Arnold Vinkeles habe ich eine Zeitlang mal phantasiert, ob wir nicht Monogam und seine Agentur Gordon Shumbway Concerts fusionieren sollten. Aber das ist dann an unserer kindischen Starrköpfigkeit gescheitert. Ich wollte, dass das Ergebnis Monogam heißt, Arnold wollte seinen Namen beibehalten.
Mutti: MBB wurde am 1.1.2000 ins Leben gerufen. Chrisi und ich haben erst mal zwei aufreibende Jahre hingelegt, und die Reibung hat seitdem auch nicht nachgelassen, allerdings haben wir jetzt einen Stamm von Leuten, die uns helfen und/oder mitarbeiten wie z.B. Simone, die sich super gemacht hat und jetzt wohl bald hier eine Ausbildung machen kann. Noch dabei sind seit neustem Kai und Mathias, als Helfer und Praktikant, und natürlich nicht zu vergessen Kies in der Buchhaltung – ohne den wären wir wohl schon lange wieder weg vom Fenster. Es ist also in unserem kleinem Hinterhofbüro ganz schön eng geworden.
MAD: Gegründet in dem Sinne wurde nie etwas, aber wenn sich jemand Gründer nennen darf, dann ist es Ute, die damals der Motor war, die Gewalt und das Chaos in produktive Bahnen zu lenken. Wir waren die letzten 21 Jahre eigentlich immer nur zu zweit bei der Sache, natürlich waren immer etliche Hände und Köpfe dabei, um uns zu helfen, ohne die das alles bestimmt nie so gelaufen wäre. Wenn ich nur an die ganzen DIY- und Kellershows in den frühen 80ern denke, das hätte ohne all die Leute nie geklappt. Denn bis Ende der 90er haben wir ja fast alle Berlin-Shows veranstaltet, dann haben wir erst damit aufgehört – leider. Das Booking ist auch erst später dazu gekommen. Da wir nun mal die bekannteste Anlaufstelle in Berlin für Hardcore- oder Punk-Shows waren, haben die Bands uns immer wieder gedrängt, was zu machen, denn damals konnten ja nur die Bands touren, die eine Lobby hatten. Das wollten wir durchbrechen, und haben es auch geschafft, denke ich.
Mitch: Wir, das Underground, hatten gerade im August 2003 15-jähriges Bestehen. Da ich aber erst fünf Jahre hier bin, kann ich nicht genau sagen, ob die folgenden Angaben stimmen: Gegründet wurde das Underground 1988 von Ralph Smart aus einer Bierlaune heraus. Daran beteiligt waren meines Wissens aber noch einige andere Leute, zumeist Musiker von Kölner Bands, die zufällig gerade stark an der oben erwähnten ‚Bierlaune‘ beteiligt waren. Anfangs wurden nur Konzerte veranstaltet, irgendwann kamen dann noch die Discos hinzu, ohne die der Laden heute finanziell nicht mehr zu tragen wäre, da bei unserer Clubgröße mit Konzerten allein kein Geld zu verdienen ist. Größenmäßig hat sich nicht allzu viel getan, heute besteht der Underground nach wie vor aus einem größeren Konzert- und Discoraum, der Kneipe, dem Biergarten und einem kleineren Raum für Konzerte und Partys, der auch zu mieten ist.

Was reizt dich an deinem Job, wo liegt der Kick, warum macht er dir Spaß? Und was macht überhaupt keinen Spaß?

Steffen:
Weil eine Band live immer besser, rauer, direkter als auf Platte ist. Der Kick ist das Ungewisse bei jeder Show, wie ist die Band, wie ist das Publikum unterwegs. Spaß ist nicht immer dabei, es bedeutet auch sehr viel Arbeit, bis es zu einer Show kommt. Keinen Spaß machen Sachen wie das Finanzamt, GEMA, Künstlersozialkasse usw., die an dir und den Bands mitverdienen, obwohl sie mit dir und der Sache nichts zu tun haben.
Dirk: Den ganzen Tag mit netten Leuten am Telefon über gute Musik zu reden und damit Geld zu verdienen – für mich ist das ein idealer Job. Also, man muss sich das in etwa so vorstellen, dass man oft wirklich einfach mit Leuten plaudert, Informationen austauscht und sich gut amüsiert, wobei ganz am Rande dann ein oder zwei Konzerte klargemacht werden. Außerdem bringt er eine angenehme Art von Stress. Nicht so eine, die dich in die Knie zwingt, sondern Stress von der Art, die Spaß macht. Keinen Spaß macht es dann, wenn auf Band- oder Veranstalterseite Idioten involviert sind, was man leider nicht immer ausschließen kann. Auch die Post kann Nerven kosten.
Mutti: Rock‘n‘Roll, Baby. Du musst einfach für die Musik, die du magst, leben, sie hören, auf Shows gehen, auf Tour die Welt sehen, Leute kennen lernen wollen und immer wieder neue Bands und Platten anhören. Super ist, wenn du mit einer Band angefangen hast, sie erst vor 20-30 Leuten getourt haben und es dann nach ein paar Touren richtig abgeht, die Läden voll sind. Dann weißt du, du hast es richtig gemacht. Es ist auch klasse, mit Bands zu arbeiten, die einfach gut sind, auch wenn sie keinen großen Erfolg haben. Wir achten sehr darauf, dass unsere Bands live rocken und nette Leute sind, denen man vertrauen kann, und die sich nicht so pissig benehmen. Das macht nämlich am wenigsten Spaß, die Scherben hinter meistens besoffenen Möchtegern-Rockstars zusammenzufegen. Psychisch wie physisch. Tourabsagen, nachdem schon alles gedruckt und ausgesendet ist, sind auch zum Kotzen.
MAD: Wenn du Job sagst, fängt der Frust eigentlich schon an. Denn, wenn ich das so betrachten würde, ist die Selbstausbeutung und der Verlust an Spaß sehr hoch, leider! Man geht nicht zum Konzert, wann man will, sondern sehr oft, weil man muss. Aber die Freiheit und der ewige Drang der Veränderung sind der Motor, der uns antreibt, im alternativen Lifestyle Dinge zu bewegen – und jedes kleine ‚Dankeschön‘ ist genug, um weiter zu machen. Es sind nicht immer die großen Shows oder Sprünge, die es ausmachen weiter zu machen. Der Reiz und Spaß ist es, dein eigener Chef zu sein, keine Befehle zu empfangen und ganz selbstständig zu denken und zu handeln. Und es ist natürlich schöner, mit der Musik zu arbeiten, die man hört und mit den Leuten drum herum, ihre Ideen und Gedanken zu verfolgen. Aber die Enttäuschungen und leeren Worte sind auch hier frustrierend, genauso wie überall!
Mitch: Am Anfang, als ich noch richtig naiv und unbedarft an die Sache ranging, waren reiner Enthusiasmus und die bedingungslose Liebe zur Musik die Beweggründe, den Job zu machen, doch inzwischen hat sich das alles etwas gewandelt. Das absolute Überangebot von Konzerten – wir haben bis zu 25 Gigs im Monat – hat mich soweit gebracht, dass ich mein privates Interesse an Musik fast gänzlich verloren habe. Das führte dazu, dass ich zu Hause kaum noch meine eigenen Platten anhöre und mir ganz selten mal ein Konzert im Underground richtig anschaue. Meist genügt es mir, an der Kasse zu stehen und das Konzert zu ‚hören‘ oder ab und an Konzerte mitzuschneiden, selbstverständlich nach Absprache mit den Bands! Und wenn ich mir dann zu Hause mal ein paar Scheiben ‚antue‘, dann sind das meistens Scheiben von Bands, die aufgrund frühzeitigen Ablebens, ihres Bekanntheitsgrades oder der ‚falschen Musikrichtung‘ nie im Underground spielen, wie z.B. T.REX, SLADE, GRAND FUNK RAILROAD, MOUNTAIN, GOO GOO DOLLS – eine meiner 1.000 Lieblingsbands –, DEL LORDS, BRANDOS, CREEDENCE CLEARWATER REVIVAL oder George Thorogood, also alles weit entfernt von Alternative und Indie, oder auch 60er Garagepunk-Bands wie SHADOWS OF KNIGHT, REMAINS, SONICS, DON & THE GOODTIMES, um mal ein paar der Bekannteren zu nennen. Das ist die gelungenste Abwechslung vom tristen Musikalltag. Klar werden jetzt viele denken, der weiß seinen tollen Job nicht zu schätzen, aber so können eben nur Leute reden, die ihn noch nie über einen längeren Zeitraum gemacht haben.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag aus?

Steffen: Ich stehe um sechs auf und arbeite in meinem ‚normalen‘ Job für acht Stunden, dann kümmere ich mich um die Agentur: E-Mails beantworten, Werbung für die Konzerte koordinieren, Shows buchen, Backlines zusammenstellen, Material überprüfen und reparieren, usw.
Dirk: Ausschlafen, gut frühstücken, und dann fängt die Schreibtischarbeit an. Da gibt es dann Verschiedenes zu erledigen: Demobänder und -CDs anhören. Mit Veranstaltern telefonieren. Pakete beim Zoll abholen. Die Website auf Vordermann bringen. Tourkosten kalkulieren und Routen planen. Den Kontakt mit Bands auf Tour halten. Tourlisten anderer Bands durchgehen, um zu sehen, ob es irgendwo interessante neue Clubs gibt. Presseankündigungen schreiben. Poster verpacken und verschicken. Alles mögliche. Das kann dann schon bis spät in die Nacht gehen. So sechs Tage die Woche à zehn Stunden sind normal, wenn man eine kleine Agentur gut am Laufen halten will. Aber wie gesagt: Die Arbeit ist sehr angenehm.
Mutti: Na, preußische Disziplin natürlich, 9:00 Uhr antreten, bis 18:00 Uhr durchackern und wehe, es mault einer! Nee, Quatsch, wir fangen schon so um 10:00 Uhr morgens an, und dann kommt‘s halt ganz darauf an, was alles anliegt. Wir versuchen, flexibel zu sein, sodass jeder mal weg kann. Außerdem muss man ja oft eh lange im Büro bleiben, da abends erst die Amis wach werden. Hauptbestandteil sind E-Mails schreiben, Promo-Aussendungen, Musik hören, nachdenken, planen, abrechnen, ohne Ende telefonieren – derselbe Kram wie überall.
MAD: Aufstehen, 9.00 Uhr am Schreibtisch sitzen und ca. 19:00 Uhr sollte man wieder draußen sein, was natürlich durch die Arbeit mit Leuten in anderen Zeitzonen nie richtig klappt, da werden manche Nächte zum Tage, immer wieder. Dann natürlich nicht zu vergessen noch die Shows, da wir alle fast 15 Jahre lange nebenher nachts gearbeitet haben, um zu überleben. Vor allem die Zeiten, als kaum jemand was mit Punkrock oder Hardcore zu tun haben wollte, das war echt hart, da bist du einige Male am Schreibtisch eingeschlafen.
Mitch: Meist gehe ich morgens für ca. vier Stunden ins Büro. Über die letzten Jahre hinweg hat sich die Zeit, die ich für die Beantwortung von E-Mails aufwenden muss, nahezu verdreifacht. Das sind um die zwei Stunden. Den Rest der Zeit verwende ich dann für solch erquickende Tätigkeiten wie Konzertverträge kontrollieren, GEMA-Listen, Konzertvorbereitungen, Plakate, Vorbereitungen für‘s Monatsprogramm und Gästelistenschnorrer abwimmeln, die in keiner Weise das Recht haben, auf einer Gästeliste zu stehen. Für genau die Leute – und als Belohnung für die lieben Stammkunden natürlich – haben wir auch unsere in unregelmäßigen Abständen stattfindende Reihe ‚+3 on the guest list‘ eingerichtet, bei der man immer zwei Bands für null Euro Eintritt sehen kann.

Wie kommt ihr an die Bands, mit denen ihr arbeitet?

Steffen:
Für die lokalen Shows direkt von den Agenturen, die ihre Touren buchen, also M.A.D., Destiny usw. Man bekommt ein Date und prüft, ob es in den Plan passt, nicht zu dicht auf einer anderen Show sitzt, und handelt dann den Deal für diese eine Show aus. Als ich noch Touren gebucht habe, war das halbe-halbe: mal hat mich die Band angesprochen, und wenn ich Lust auf eine Band hatte, bin ich auf sie zugegangen.
Dirk: In der Garage-Szene ist alles irgendwie weltweit vernetzt. Wenn man da etwas macht, ist man auch schon gleich automatisch in Kontakt mit ganz vielen Leuten. Meist kommen die Bands bei mir von Labels, für die ich schon andere Bands gemacht habe oder von Bands, die mit anderen Bands befreundet sind, und denen man dann empfohlen wird. Manchmal gaben einzelne Veranstalter oder Bekannte auch die Impulse, und oft waren es natürlich auch ausländische Agenturen, die gefragt haben, ob ich Bands in Deutschland buchen möchte, die sie aus Japan oder Amerika rüberholen wollten. Einige Bands habe ich auch von anderen Agenturen vermittelt bekommen. Ich habe mich eher selten selbst an Bands gewendet und gefragt, ob ich für sie arbeiten kann, obwohl man natürlich die Augen nach Sachen offen hält, die gerade heiß sind und bei geeigneter Adresse dann mal eine Bemerkung fallen lässt, dass man an einer Band interessiert ist. Geschickt gemacht, zeigt so was sehr oft Wirkung. Was so an Demos im Briefkasten landet, ist leider sehr oft unbrauchbar. Leider musste ich die Erfahrung machen, dass nicht jede Band, die mir gefällt, auch gut bei Monogam läuft und dass eine Band, die bei einer anderen Agentur gut laufen würde, nicht bei mir gut laufen muss. Da heißt es sorgfältig auswählen. Wichtig ist aber glaube ich, dass man nichts macht, was man inhaltlich nicht voll unterschreiben kann. Bei Leuten, die sich mit qualitativ guter Musik beschäftigen, ist die grundsätzliche Überzeugung der größte Bonus.
Mutti: Viele von den Bands kenne ich noch aus meiner Destiny-Zeit, und da entwickeln sich ja auch die Kontakte weiter, die eine Band empfiehlt uns der nächsten Band. Wir haben z.B. viel mehr Anfragen, als wir wirklich aufnehmen können und glaubt mir, da sind wirklich geile Bands dabei, und es blutet einem das Herz, dass das oft nicht umsetzbar ist. Wir meinen halt auch, dass der Konzertmarkt eh viel zu voll ist, und man da nicht noch mehr sinnlose Touren reinschmeißen muss. Manchmal trifft man aber auch die Band auf einem Konzert, findet sie klasse und redet mit denen, was im besten Falle zu einer Tour führt, wie z.B. mit den BRIEFS oder SNITCH. Ansonsten sind auch die Plattenlabels ein wichtiger Kontakt, da ja das Touren für Bands sehr wichtig ist, um bekannt zu werden und mal ein paar Scheiben zu verkaufen.
MAD: Das ist unterschiedlich, die meisten kontaktieren uns, aber wir kontaktieren natürlich auch einige, speziell die kleinen neuen Gruppen, die keiner kennt und bauen die dann auf. Die Größeren kommen heutzutage durch Empfehlungen zu uns.
Mitch: Fast immer über Touragenturen. Wir machen recht wenig direkt mit Bands, da die dann meist auch noch unbekannt sind, und die Zeiten, in denen man selbst noch den finanziellen Background hatte, unbekannte Bands featuren zu können, sind leider vorbei. Ab und zu gibt es aber doch immer wieder irgendwelche Perlen, sprich Bands, die man persönlich liebt, und dann doch eine Ausnahme macht. Das sind in meinem Fall dann fast immer Bands aus dem Garagepunk-, Punk‘n‘Roll- und 60er-Punk-Bereich. Aktuelles Beispiel sind die DEE RANGERS, die zusammen mit den GO APES dankenswerterweise für sehr wenig Gage bei uns spielen, damit wir das Konzert mit freiem Eintritt anbieten können! Mein Kollege Ritchie von Screaming Apple Records und ich kennen außerdem durch seine Labelkontakte und ich durch meine ehemalige Fanzine-Tätigkeit eine ganze Reihe von Bands, mit denen man auch direkt Konzerte vereinbaren kann, ohne den Umweg über eine Touragentur. Was der Band dann wohl auch die Provision für die Agentur ersparen dürfte.

Welche Leute sind an einer Tour bzw. einem Konzert beteiligt, was ist ihre Aufgabe? Ich denke da an Label, Merchandise, Fahrer, Tourmanager, Tourbooker, Booker im Club ...

Steffen:
Label: Werbung, Promo für die Tour, Anzeigen mit den Tourdates schalten, lokale Promotor mit Promomaterial versorgen. Merchandiser: Drucken die Shirts für die Band, die dann auf den Shows verkauft werden. Fahrer: Bringt die Band von A nach B, in der Hoffung immer pünktlich zu sein. Ein sehr wichtiger Job auf einer Tour, der aber oft sehr im Hintergrund steht. Tourmanager: Das Kindermädchen der Tour, hält die Fäden in der Hand und ist immer bemüht, den Zeitplan einzuhalten. Ist die Mittelsperson zwischen Band, Agentur und Club und sollte jeder dieser drei Gruppen gerecht werden, was aber fast nie zu schaffen ist. Booker: Ist für die Durchführung vor Ort im Club zuständig, also Werbung, Technik, Essen, Trinken, Crew, Ämter, Genehmigungen, Steuer, GEMA, KSK, Finanzen.
Dirk: Jede Tour ist anders. Es gibt Bands, für die die Plattenfirma alles erledigt, und andere, die ihre CDs für Radiopromo selbst brennen, Poster selbst drucken lassen und auch selbst hinter dem Lenkrad sitzen. Ich sehe meine Aufgabe darin, die Tour zu planen, die Konzerte zu buchen und sie überregional anzukündigen. Der örtliche Veranstalter macht die regionale Ankündigung, führt das Konzert durch, kümmert sich um einen passenden DJ und sorgt für Verpflegung und Unterkunft der Musiker. Das Ankündigungsmaterial kommt entweder von der Band, von ihrem Management, der Plattenfirma, von ihrer Europa-Agentur oder von mir. Als Agentur muss man natürlich immer alles sorgfältig koordinieren und sowohl der Band als auch jedem Veranstalter alle Fragen beantworten können. Vor der Tour muss ich der Band dann noch ein Tourbuch zusammenstellen, mit Wegbeschreibungen, Adressen, Telefonnummern usw. Die Band muss, wenn sie eine Tour mit Monogam macht, die Flüge selbst buchen und den Bus selbst mieten. Zu Fahrern stelle meist ich die Kontakte her, aber die Details macht dann auch die Band mit dem Fahrer klar. Wobei viele Bands lieber selbst fahren oder von zu Hause Freunde mitbringen, die das erledigen. Einheimische Bands kommen manchmal sogar mit einem normalen Auto auf Tour und besorgen sich die Backline jeweils vor Ort. Es gab sogar schon Bands, die mit dem Zug gereist sind. Jede Band hat da so ihre Vorlieben.
Mutti: Die Aufgaben gehen da Hand in Hand, das Label sollte ein aktuelles Release haben, die Band Zeit und evtl. jemand, der ihnen die Flüge oder andere Reisekosten bezahlt. Artwork für Poster und Shirts muss da sein. Der Fahrer muss leider bereit sein, für wenig Geld jeden Tag lange Strecken zu fahren und auch mal den Club finden, ohne sich fünfmal zu verfahren. Tourmanager müssen Quittungen schreiben können und ansonsten am Besten mal in der Kita oder der Klapsmühle gearbeitet haben. Tourbooker müssen ihre Bands bezüglich der Besucherzahlen und dem Nervfaktor richtig einschätzen können und viele Kontakte haben. Die Booker im Club müssen auch mal in der Lage sein, ein Konzert an einem Montag zu buchen, denn Touren nur am Wochenende funktionieren nicht für Bands, die von weit her kommen.
MAD: Ideal wäre es, wenn Labels immer dabei wären, aber meistens hört man von denen nur, wenn die Gästelisteanfragen kommen, genauso wie bei den Fanzines oder Magazinen, die wollen alle immer nur was haben. Das war früher definitiv anders. Ansonsten ist es von Tour zu Tour individuell verschieden. Natürlich ist da ein Fahrer, aber einige Bands fahren ja auch selbst. Genauso auch beim Merchandise ...
Mitch: Na, es sind genau die oben genannten Leute plus die Konzertagentur und hier bei uns im Speziellen natürlich noch die Techniker und unsere zwei fabulösen turbo-hyper-super Bandbetreuer Antje und Vince, die ihren Job wirklich toll machen. Am Rande sind dann da natürlich noch Leute wie Kassenkräfte, Plakatierer oder unsere gute Hausmeisterseele ‚Wild Eddie Edman Cassidy‘ beteiligt.

Wie hat sich das Arbeiten mit und für Bands in den letzten zehn Jahren verändert?

Steffen:
Die Bands wissen heute ganz genau, was sie wollen, sprich Geld, Technik, Unterbringung. Da gibt es ganz genaue Anweisungen, die Bestandteil jedes Vertrages sind. Aber das war auch schon immer so: Je besser du eine Band behandelst, egal, wie groß oder neu sie ist, desto besser ist die Show.
Dirk: Das Wichtigste ist das fast komplette Wegbrechen von öffentlichen Veranstaltern. In den 90ern haben Jugend- und Kulturzentren noch eine ziemlich wesentliche Rolle gespielt. Im Osten oder in Baden-Württemberg zum Beispiel eine viel größere als private Veranstalter. Jetzt ist alles fest in privater Hand. Obwohl der städtische Kulturbeauftragte bei den Gagen natürlich das Geld nicht so sorgfältig umdrehen muss, wie das ein Kneipenbesitzer tut, habe ich mit Monogam aber schon immer die Privaten favorisiert, weil die meist das interessiertere, musikkundigere Publikum ansprechen und die Konzerte stimmiger präsentieren. Konzerte in Jugendzentren können manchmal schon frustrierend sein. Da stimmt dann die Gage, aber es kommen nur 20 Trantüten, die mit der Band gar nichts anfangen können, und der Raum sieht scheie aus. Lass mal eine Beatband in einem Laden mit so JUZ-typischer Hip-Hop-Graffiti an der Wand spielen, das raubt der Band schon die halbe Magie. Die segensreichste Entwicklung der letzten Jahre war die, dass immer mehr über das Internet läuft. Was du heute alles in Minuten mit E-Mails erledigen kannst, hat noch vor wenigen Jahren ewig gedauert. Da mussten noch bei jeder Tour unzählige Abzüge von Fotos gemacht werden, nächtelang Rundfaxe verschickt werden, und alle Veranstalter brauchten CDs oder Platten, um eine Idee von der Musik zu bekommen, die eine Band macht. Heute kannst du MP3s und Bilder per E-Mail in einer Minute verschicken, und eine Rundmail an 1.000 Veranstalter erledigt in fünf Minuten das, wofür man früher mit dem Faxgerät eine halbe anstrengende Woche gebraucht hat. Wenn ich früher die Telefonnummer von einem neuen Laden haben wollte, bin ich aufs Postamt gelaufen und habe Telefonbücher gewälzt, die dann meist so unaktuell waren, dass man nichts gefunden hat. Heute gibst du den Namen einfach in eine Suchmaschine ein und bekommst, was du gesucht hast. Im Endeffekt bleibt dadurch mehr Zeit für das, was Spaß macht beim Bandbuchen.
MAD: Der Markt hat sich zu großen Teilen stark nach Amerika verschoben, und so kommen die Ideale, die wir alle in den frühen Jahren hatten – und die einige noch immer haben – mehr und mehr unter die Räder. Und das Marketing, oder sagen wir lieber Musik als Produkt, wird nur noch verkauft wie Äpfel und Birnen. Wer verdient, bleibt, und wer nicht, ist raus. Es ist keine Individualität oder Produktivität mehr gefragt. Nicht der Produktive, der was leistet und macht, wird mit Applaus bedacht, sondern der, der nur redet und kritisiert, ohne produktiv einzugreifen oder irgendetwas zu riskieren. Die Sache hat nämlich die qualitative Seite verloren, und es geht nur noch um die quantitative, das bezieht sich aber eigentlich hauptsächlich auf den US- und skandinavischen Punk/Hardcore-Markt als Lieferant, aber natürlich bleibt ein fader Beigeschmack übrig. Denn ich denke, auch der Letzte weiß, dass es hier nicht anders ist als im weiten Areal der alternativen Lifestyles. Und ich spreche hier nicht von den bösen Kommerz-Majors usw. Nein, es fängt bei den Fanzines an und hört bei den JUZs und so weiter auf.
Mitch: Ich kann nur für die letzten fünf Jahre sprechen, aber da hat sich schon die Wandlung vollzogen, dass man als Club, wie schon vorhin beschrieben, nahezu keine Möglichkeit mehr hat, aus reinem Enthusiasmus Bands zu unterstützen und ihnen die Möglichkeit von Liveauftritten zu bieten, wenn man schon im voraus weiß, dass wieder nur 20 Leute auftauchen! Anders mag das bei städtisch finanzierten Clubs oder Jugendzentren sein, bei einem rein privaten Laden wie dem unseren, geht das irgendwann nicht mehr! Erschwert worden ist das Arbeiten mit Bands durch die Tatsache, dass sie immer mehr sparen wollen und den Clubs im Vergleich zum Zeitpunkt vor zwei Jahren immer weniger Promomaterial für Werbung zur Verfügung stellen. D.h. dann, dass man sich selbst Songs, Bilder und Infos aus dem Internet suchen muss, was ich persönlich als eine unerträgliche Situation empfinde, da die Bereitstellung von Promounterlagen einzig und allein Sache der Bands und Touragenturen ist, und zweitens kein einziges Magazin eine wirklich gute Terminankündigung macht, ohne mindestens eine Original-CD vorliegen zu haben. Andererseits ist man dann aber selbst der erste Anlaufpunkt für das Gemecker der Bands, wenn wenig Besucher kommen. Wenn dann die Bands die Frage stellen, ob wir denn schlechte Werbung gemacht hätten, dann muss ich unweigerlich an gebrochene Nasenbeine denken!

Was sind die größten Probleme im Booking-Bereich?

Steffen:
Dass zu viele Leute an einer bestimmten Band mitverdienen wollen. Bis dann zum Schluss das Geld bei der Band landet, ist von der Gage oft nicht mehr viel übrig. Mit der Folge, dass dann für den lokalen Veranstalter Gagenforderungen entstehen, die nicht mehr zu bezahlen sind.
Dirk: „Also, ich habe immer mehr Probleme mit Bands gehabt als mit Veranstaltern. Sicher haben mich auch Veranstalter gelinkt, aber der meiste Ärger kam von Bands, die sich manchmal nur eine Tour buchen lassen wollen, um zu sehen, was ihr Stellenwert ist. Wenn es dann aber ans Spielen geht, dann kneifen sie. Oder Bands, die einen bestehlen. Ich habe immer den ganzen Vertragskram auf weniger als das Notwendigste reduziert, und das ist mehr von Bands, als von Veranstaltern ausgenutzt worden. Ein anderes Problem sind oft die Agenten-Kollegen aus dem europäischen Ausland, die ihre Versprechen bei gemeinsamen Europa-Tourneen nicht halten und einen eiskalt hängen lassen. Vor einiger Zeit haben sich die europäischen Agenturen organisiert, und ich war aus genau dem Grund nicht dabei. Die Idee ist zwar gut, aber es gibt da zu viele, auf die ich zu wütend bin, als dass ich mich mit denen bei irgendwelchen Symposien zum Diskutieren treffen möchte. Was deutsche Agenturen betrifft, so gibt es nach meiner Erfahrung wenig Zusammenarbeit, außer dass man den Kollegen mal Bands anbietet, die einem gefallen, für die man selbst aber nicht arbeiten möchte. Mir ist aber auch nie so etwas wie aggressive Rivalität begegnet. Wenn ich Kollegen treffe, gibt es meist eine nette Plauderei. Würde man da mehr zusammenarbeiten, wäre das sicher auch nicht alles so freundlich. Das allgemein größte Problem zur Zeit lässt sich wohl unter dem Titel internationale Rezession zusammenfassen. Es ist schwer, zur Zeit Läden zu finden, die einem an Montagen oder Dienstagen eine Band abnehmen. Die meisten Leute haben weniger Geld. Sie gehen einfach weniger aus, und darauf reagieren die Veranstalter, indem sie auf Nummer Sicher gehen. Das heißt, jeder will deine Bands für Freitags oder Samstags, weil man da relativ sicher sein kann, dass es voll wird.“
MAD: Lügen, Machtansprüche und Konkurrenzdenken wie in der verhassten Gesellschaft.
Mitch: Einzuschätzen, wie viele Besucher zu einem Konzert kommen werden. Das ist nicht einfach nur vom Bekanntheitsgrad der Band selbst abhängig, sondern auch von solchen Faktoren, wie dem Wochentag, so sind Sonntag und Montag megascheisse, dem Monat, ich habe komischerweise den Eindruck, dass gerade der Januar ausgesprochen gut ist und dem gegenüber die Sommermonate natürlich schlecht. Andere Probleme sind Bands abzuwimmeln, die wirklich keine Sau kennt, die sich aber für so wichtig halten, dass sie hier vor 300 Leuten spielen, nur weil sie in der Disse des Dorfs, aus dem sie kommen, vor 300 spielen. Leute, Köln ist ein schwieriges Pflaster, und so gerne ich auch würde, ich kann nicht!

Eine provokante Frage: Warum müssen Konzerte so teuer sein?

Steffen:
Das hatte ich schon bei der letzen Frage angedeutet. Zu der Gage muss ich als lokaler Veranstalter noch an einige andere Leute Geld bezahlen: An das Finanzamt – die gesamte Abendkasse muss versteuert werden. Der Saal und die PA muss gemietet und bezahlt werden. Dazu kommt noch die Crew, die man braucht, um ein Konzert durchzuführen. Ein guter Soundmann geht auch nicht unter 200 Euro am Abend nach Hause. Und um die GEMA und die Künstlersozialkasse kommt man nicht rum. Die GEMA musst du immer bezahlen, ob du jetzt 50 oder 500 Leute im Saal hast. Genauso wie deine Festgage, denn wenn eine Show schlecht läuft, bist du laut Vertag verpflichtet, den vereinbarten Betrag zu zahlen, egal, ob du minus machst oder nicht. Dazu kommt noch die Kosten für Werbung, Flyer drucken, Poster aufhängen, Benzin, Telefon, Büromiete usw., die du auf die Shows umrechen musst.
Dirk: Gute, lebendige Rock & Roll-Kultur lebt auf kleinen Bühnen in Schuppen mit weniger als 300 Leuten. Da zahlt man dann auch selten zuviel Eintritt. Vergleich mal die Preise für Kino- und Konzertkarten. Da ist die Konzertkarte oft billiger, obwohl wesentlich mehr Aufwand daran hängt. Ich will nicht wissen, was man im Kino an Eintritt zahlen würde, wenn die Schauspieler immer persönlich anwesend sein sollten. Bei Konzerten sind sie das. Sie kaufen vorher Flugtickets, mieten sich einen Bus, bezahlen meist noch einen Fahrer. Dazu schleppen sie teure Geräte mit sich herum und leisten Schwerstarbeit. Und ihre Agentur müssen sie auch noch bezahlen. Rechtfertigt das keine Eintrittspreise, die oft billiger sind als zwei Gläser Bier? Ich finde das nicht teuer. Wer lieber tief in die Tasche greift und sich teure Konzerte in riesigen Hallen ansieht, ist selbst schuld.
MAD: Ich denke, da fragst du eigentlich die Falschen, denn das Problem ist nun bei weitem komplizierter und komplexer. Ohne Frage gibt es einige Ereignisse, sowie auch Veranstalter, die gerne den ‚American Way Of Life‘ hier rüber bringen wollen – und auch gebracht haben. Und so haben sie natürlich auch die Preistreiberei mitgefördert, und die Bands wollen immer mehr und mehr. Es sind nicht nur die Namen, die jetzt jedem einfallen, bei weitem nicht, es fängt mit bekannten und beliebten Bands aus dem DIY- und PC-Bereich an, die genauso wie ihre Kollegen bei MTV oder VIVA der Meinung sind, ihnen gehöre mehr, wo mit sie auch nicht immer Unrecht haben. Und wenn man dann zurückdenkt und die Kosten Anfang der 80er und heute vergleicht, ist im Livesektor fast nix passiert, obwohl die Kosten um uns herum explodiert sind. Benzin, Mietbusse, Backline, Flüge, Plakatkosten, Bezahlung der Leute vor Ort, und das Bier und die Brötchen nicht zu vergessen, die Steuern und Versicherungen. Wenn man sieht, dass 1981 DEAD KENNEDYS, BAD BRAINS oder EXPLOITED für 15-20 DM gespielt haben und 2003 einige von ihnen für 12-14 Euro spielen, dann muss man sich doch fragen, warum die Eintrittspreise nicht so gestiegen sind wie das Bruttosozialprodukt oder alles andere. Ferner fällt auf, dass es außer M.A.D. keine Agentur geschafft hat, kontinuierlich über all die Jahre zu überleben. Einige gibt es natürlich, die privat mal hier und da was machen, einige sind weg gewesen, dann bei der großen Erfolgswelle wieder aufgetaucht, pünktlich zum Abkassieren. Das spricht doch eine deutliche Sprache. Ich kenne wenige, die das wirtschaftlich durchgehalten haben, da muss man sich aber doch mal wirklich fragen, warum.
Mitch: Das frage ich mich auch manchmal. Wir verlangen meist acht bis neun Euro, falls wir den Preis selbst festlegen können. Wenn Agenturen daran beteiligt sind, kann es aber durchaus sein, dass die darauf bestehen, dass ein Konzert zwölf Euro kosten muss. Das mit dem Preis ist aber auch immer stark von der Art der Musik abhängig. Wenn wir beispielsweise Bands aus dem alternativen Countryrock- oder Singer/Songwriter-Bereich haben, passiert es öfters, dass das Publikum mit einem erstaunten ‚Was, so billig?‘ die zwölf Euro bezahlt! Aber Hand aufs Herz, eine Diskussion über Eintritt lohnt sich kaum noch, man hat immer solche Zeitgenossen, die sich entweder immer irgendwo auf die Gästeliste schnorren oder auch bei drei Euro Eintritt noch handeln wollen, sich für supertolle Szeneaktivisten halten und dabei gar nicht merken, dass sie damit den Bands, die sie angeblich unterstützen, nur schaden. Denn die Bands verdienen am Eintritt! Genau DIE Leute schreien dann auch am lautesten, wenn ein Club zumachen muss, oder Bands sich eine Tour nicht mehr leisten können! Genau so beschissen finde ich die Typen, die bei uns bei einer Band, nennen wir sie jetzt einfach mal ‚The Incredible 18 Shrunken Garlic Wankers from Outer Space‘, im Underground bei acht Euro Eintritt rummeckern und dann, wenn die Band bekannter ist und in einem viel größeren Laden spielt, plötzlich anstandslos 20 Euro auf den Tisch legen! Die dritte von uns immer wieder gern gesehene Sorte Konzertgänger sind die, die nicht mal das Eintrittsgeld haben, sich mit selbstgemalten oder abgedrückten Stempeln reinschmuggeln wollen, weil sie vorher ihre letzte Kohle für zehn Bier auf der Straße versoffen haben. Klasse, Jungs, so sichert ihr den Erhalt der Clubs und der Bands. Aus diesen Gründen machen wir auch so gut wie nie Deutschpunk-Konzerte, nichts gegen die Bands, aber was bringt es uns, wenn man mit den Konzertbesuchern über jeden Euro Eintritt diskutieren soll, und die dann auch noch ihr Bier selber mitbringen. Unsere Konzerte kosteten zu DM-Zeiten übrigens 18 bis 20 DM, also liegen wir mit 8 bis 9 oder 10 Euro ja nach wie vor auf dem gleichen Level!

Ohne Betriebsgeheimnisse wissen zu wollen: Wie sieht die Kalkulation einer Tour/eines Konzertes aus?

Steffen: Das ist je nach Deal anders, aber grundsätzlich gibt es zwei Versionen: Bei Festgage muss der Betrag X bezahlt werden, egal wie viele Besucher zu der Show kommen, und dazu meist noch eine prozentuale Beteiligung an die Band, d.h. wenn du soviel Geld an der Abendkasse eingenommen hast, wie nötig ist, um deine Kosten und die Gage zu bezahlen, wird alles, was dann noch übrig bleibt, zu einem bestimmten Satz geteilt. Bei einem Prozentdeal wird die Abendkasse zu einem bestimmten Satz zwischen dir und der Band bzw. der Agentur geteilt. Jeder muss dann mit seinem Teil seine Kosten begleichen. Dieser Deal wird oft angewendet, wenn man eine volle Show erwartet. Bei beiden Deals legst du deine Kosten zu Grunde, also Gage und Produktionskosten und was du an Besuchern erwartest. Man probiert immer seine Kosten niedrig zu halten, doch an 80 % der Kosten kannst du nicht rütteln.
Dirk: Na ja, die Summe der Gagen soll halt mindestens so hoch wie die der Ausgaben sein. Europäische Bands kommen damit auch meist locker hin. Bei Kapellen aus Übersee ist es dann oft das Merchandise, das für Gewinn sorgen muss.
MAD: Das hat nix mit Betriebsgeheimnissen zu tun, aber es ist individuell zu betrachten, wenigstens bei uns, und wie andere das machen, weiß ich gar nicht so richtig. Um das mal simpel zu gestalten, bei einer US-Band sieht das wie folgt aus: Flüge ca. 500 - 800 Euro pro Person, Van-Miete im Schnitt so zwischen 90 und 100 Euro, Benzin heute ca. 80 - 120 Euro am Tag, Backline-Miete sagen wir mal 100 Euro, kommt aber immer drauf an, was die Band braucht. Da sind schnell mal für eine kleine Band ca. 500 Euro am Tag weg, ohne irgendwelche Extras wie Fahrer, Tourbegleiter, T-Shirt-Verkäufer, Soundmann, Roadies. Wenn du jetzt mal eine Rechnung vom örtlichen Veranstalter dagegen hältst, kommst du schnell auf einen Schnitt von 200 Leuten, die du pro Abend brauchst, um das durchzuhalten – und durchhalten heißt ja nun auch nicht gleich leben.
Mitch: Das ist in den meisten Fällen eine Kalkulation über den Daumen. Wir zahlen grundsätzlich nur Prozente vom Eintritt, also ein sogenannter ‚Door Deal‘. Damit tragen wir das Risiko zusammen mit den Bands. Man hat da seine Erfahrungswerte und dazu gehört eben, dass ich einer Band, bei der ich weiß, es kommen nur 100 Leute, keine 60 % oder mehr auszahlen kann, da wir selbst die Kosten für Technik, Catering, GEMA, Personal, Strom, Licht usw. auch irgendwie decken müssen. Richtig durchkalkulieren müssen wir nur, wenn wir tatsächlich mal Festgagen und Hotel zahlen, was aber nur ganz selten vorkommt.

Das leidige Thema GEMA und Ausländersteuer: Wer muss wann was wofür bezahlen? Wo und wie (be)trifft euch das, wo liegt das Problem?

Steffen:
Die GEMA wird immer vom Club getragen und richtet sich nach Eintrittspreis, Quadratmeterfläche des Clubs und Besucherzahl, ob die Band Coverversionen spielt usw. Um die GEMA kommt man nicht herum, egal, was du machst. Die GEMA ist zwar eine Firma in der Privatwirtschaft, hat aber dieselbe Macht wie eine staatliche Behörde und zwingt dich mit allen Mitteln, deine GEMA-Kosten zu bezahlen. Nur bekommt eine US-Band auf Tour, für die ich GEMA bezahlt habe, nicht diesen Betrag, sondern die GEMA-Gelder gehen alle in einen großen Topf und werden nach einem Schlüssel-System ausbezahlt, das sich nach Radio-Airplay, Einsatz im TV und Auftritten in Clubs richtet. Da aber eine HC-Band so gut wie nie im Radio läuft, ist dieses Geld für sie verloren. Dadurch entsteht aber der Effekt, dass ein Herbert Grönemayer im Jahr noch Millionen an GEMA-Geldern überwiesen bekommt. Die Ausländersteuer ist ein weiterer leidiger Punkt, der über Jahre nie wirklich jemanden interessiert hat, bis die Finanzämter neue Geldquellen gesucht haben. Eine nichtdeutsche Band muss auf ihre Gage Steuern bezahlen, das richtet sich nach Höhe der Gage und Anzahl der Musiker. Die meisten Bands lassen das über ihre Agenturen abrechnen, was sich dann aber wieder auf die Gage niederschlägt. Einige Clubs sind wegen dieser Steuer pleite gegangen, da über Jahre keine Steuern bezahlt wurden. Doch als Veranstalter ist man dem Finanzamt gegenüber in der Pflicht, das als Steuer abzuführen. Ist aber die Band weg und hat die Steuer nicht bezahlt, holt man sich dann das Geld von dir.
Dirk: Für GEMA und Ausländersteuer sind grundsätzlich die Veranstalter zuständig, wenn keine ausdrückliche andere Regelung getroffen wird. Bei der GEMA ist das ganze rein theoretisch ja auch noch zum Wohl der Künstler. Rein praktisch ernährt sich die GEMA aber natürlich selbst durch einen großen Anteil von dem Zaster, den die Veranstalter zahlen, der bei der GEMA für Verwaltungsaufwand kleben bleibt. Außerdem ist die Abrechnung sehr bürokratisch. Alles hängt an GEMA-Bögen, die der Veranstalter den Bands vorlegen soll, damit sie ihre Songlisten dort eintragen, und der Veranstalter diese dann an die GEMA zurückschickt. Nur ist es den Veranstaltern das oft zu kompliziert, denn das Geld müssen sie sowieso bezahlen und der Nutznießer ist neben der GEMA selbst die Band, die bei ihnen gespielt hat. Da ist es ihnen dann oft egal, ob die Gebühren, die sie bezahlt haben, mindestens zu einem Teil dieser Band zu Gute kommen, oder ob die GEMA gleich alles für sich behält. Das Geld, das so kassiert wurde, wird aber nicht an den weitergeleitet, für den es bestimmt war. Die GEMA behält es dann einfach und verteilt es regelmäßig in Ausschüttungen an die bestverkauften aktuellen Künstler. Im Endeffekt heißt das, dass Michael Jackson neben seinen anderen Monstereinnahmen auch noch Kohle kassiert, die die Teenage-Kellerband von nebenan im Schweiße ihres Angesichts verdient hat. Da muss man einfach etwas einführen, das den Veranstalter dazu motiviert, seine Abrechnungen gewissenhaft zu machen. Zum Beispiel eine Regelung, nach der die Gebühren niedriger ausfallen, wenn sauber abgerechnet wird. Oder man lässt es die Bands gleich selbst regeln. Dazu müsste man die strikte Koppelung der Abrechnung an den Veranstalter lockern. Außerdem wird noch ein guter Teil dieses Geldes von der GEMA in die angeschimmelte Kultur der Bourgeoisie gepumpt, die sogenannte E-Musik, also in Symphonieorchester und Opernhäuser. Da vertrete ich den Standpunkt, wenn sich Rock‘n‘Roll selbst finanzieren muss, dann muss die Oper das auch tun. Zumal die meisten Freunde klassischer Musik genug Geld haben, um angemessene Eintrittspreise zu zahlen. Und keiner soll sagen, dass es in irgendeiner Weise kulturell wertvoller ist, wenn 200 Jahre alte Schinken von uhrwerkhaft geschulten Musikern mit einem Dirigenten als Oberbefehlshaber immer wieder durchgekaut werden, als wenn eine Rockband, die ihren Sound selbst und demokratisch entwickelt hat, eigene Songs mit Texten, die ihr eigenes Leben reflektieren, vorträgt. Eindeutig ist das erste entfremdeter, toter, nutzloser Trash und das zweite lebendige Kunst, oder? Die Ausländersteuer hat sich ein Finanzminister ausgedacht. Der dachte natürlich, dass Musiker, vor allem solche, die aus anderen Ländern hierher reisen, generell gut verdienende, wohlhabende Wirtschaftsfaktoren sind. In der Gedankenwelt eines Finanzministers kommen wahrscheinlich Leute nicht vor, die Musik machen, weil sie damit einem kreativen Drang folgen, und die unterm Strich dabei vielleicht weniger Gagen kassieren, als sie Ausgaben haben. Und genau diese Leute sind dabei dann auch gar nicht berücksichtigt worden, zahlen aber die Zeche. Für mich ist die Ausländersteuer außerdem ein Instrument gegen internationalen Kulturaustausch. Für Deutschland ist es sicherlich ein Instrument zur Provinzialisierung und Verarmung der Kultur. Gewundert hat mich damals, als sie eingeführt wurde, dass mir tatsächlich deutsche Musiker begegnet sind, die das Ganze gut fanden, weil sie dachten, dass jetzt goldene Zeiten für die einheimischen Bands anbrechen. Natürlich war klar, dass das nicht passieren würde. Ich bin jetzt sehr froh, dass das Gesetz so modifiziert worden ist, dass es wenigstens von annähernd realistischen Voraussetzungen ausgeht. Trotzdem gilt: Der Dreck muss weg.
MAD: Das ist eigentlich europaweit gut und übersichtlich geregelt. GEMA, die Abzugsteuer nach §50a wie auch KSK ist immer vom Veranstalter abzuführen bzw. dem, der den Kassensturz macht und das Geld an die Band auszahlt. Das wird auch, bis auf Deutschland, überall sehr übersichtlich geregelt, und Bands, die organisiert sind, holen sich das auch über das Doppelsteuerabkommen meist zurück. §50a betrifft in Deutschland natürlich auch nicht einheimische Künstler, die dafür wiederum keine Mehrwertsteuer bezahlen. Leider ist es in Deutschland nicht so durchschaubar und so wissen viele nichts von ihrem Glück und einige andere pokern bewusst.
Mitch: GEMA wird immer fällig, sobald auch nur eine der auftretenden Bands in der GEMA oder einer gleichgearteten Institution eines anderen Landes wie zum Beispiel BMI, ASCAP usw. angemeldet ist oder Coverversionen gespielt werden. Beispiel: Es treten drei Bands auf, von denen keine bei der GEMA gemeldet ist, und es werden keine Coverversionen gespielt, dann leuchten unsere Augen und wir sparen etwas Geld. Das kommt aber eher selten vor, höchstens zweimal pro Monat! Die Höhe der GEMA-Gebühren hängt vom Eintrittspreis und der Raumgröße ab. Genauso bei der Ausländersteuer, diese wird nach einer Staffelung berechnet. Jeder Musiker darf bis 250 Euro Gage beziehen, ohne Ausländersteuer zahlen zu müssen. Zwischen 250 und 500 Euro pro Musiker müssen sie 10 % zahlen usw. Wenn also ein Solist vor ausverkauftem Haus auftritt, kann das eventuell teuer für ihn werden, bei einer Ska-Band mit zehn Mitgliedern ist die Chance gering, dass überhaupt Ausländersteuer anfällt, da diese bei geschätzten 2.000 Euro Gage, geteilt durch zehn Musiker bei 200 Euro pro Musiker und damit unter der 250-Euro-Grenze liegen. Ich empfinde diese Regelung verglichen mit früher, als generell um die 25 % bezahlt werden mussten, auch wenn die Band nur 100 Euro Gage bekam, als einen großen Fortschritt. Das ganze Thema Ausländersteuer kam eh bloß wegen solcher Großverdiener wie Michael Jackson auf den Tisch, und es war in früheren Jahren sehr ungerecht, kleine unbekannte Bands noch zu bestrafen, wenn sie eh nur 100 Euro kriegen.

Wie ‚kommerziell‘ ist die Branche, gibt es da einen Verdrängungskampf großer gegen mittelgroße gegen kleine Firmen? Man bekommt ja immer wieder mit, dass Bands, mit denen eine Agentur lange gearbeitet hat, von einer großen Agentur mit viel Geld weggelockt wird.

Steffen:
Der Kommerz ist sicherlich da, aber in einem erträglichen Rahmen. Es wechseln schon Bands von einer kleiner Agentur zu einer größeren, aber meist tut sich die Band damit keinen Gefallen. In den wenigsten Fällen hat sich dann was für die Band getan. Oft werden dadurch nur die Tickets teurer.
Dirk: Dass eine große Agentur Bands mit Geld von einer kleinen weggelockt hat, habe ich noch nie wirklich mitbekommen. Tatsächlich sind es meist die Bands, die ab einem bestimmten Bekanntheitsgrad zu einer größeren Agentur gehen wollen. Oft nicht ganz zu Unrecht, denn eine Ein-Mann-Agentur wie Monogam kann nicht den Aufwand leisten, der einer Band angemessen ist, die richtig viel Publikum zieht. Es sind eher die kleinen Kollegen, von denen mir die Bands dann manchmal erzählen, die sie nach Konzerten überreden wollen, doch zu ihnen zu wechseln.
MAD: Die Szene ist durch und durch kommerziell, und es herrscht immer ein Verdrängungskampf, leider. Es war mal anders, aber leider sind die Leute weg oder haben ihre Ideale verloren. Nicht zu vergessen, dass diese US-Punk-Szene heutzutage durch und durch kommerziell ausgelegt ist und sich immer wieder auch dieser Mittel bemächtigt, auch wenn einige das nicht gerne hören wollen.
Mitch: Das wird es sicher geben, aber so was bekommen wir nur am Rande mit, da wir ein Club und keine Agentur sind. Aber man beobachtet immer wieder, dass Bands jahrelang bei einer kleinen, aber feinen Agentur sind, die ihren Job auch super macht, dann plötzlich bekannt werden und, ratzfatz, die nächste Tour über eine größere Agentur gebucht wird. Es gibt aber auch immer wieder Bands, die ihren Agenturen, die sich den Arsch für sie aufgerissen haben, auch treu bleiben, das dürfte aber wohl eher die Ausnahme sein. Konkurrenz unter den Clubs gibt es natürlich auch, das hält sich hier aber noch in Grenzen, da die anderen Clubs entweder größer oder kleiner sind, also keine direkte Konkurrenz darstellen.

Bleibt in diesem Geschäft noch Raum für Idealismus und neue Ideen?

Steffen:
Den Idealismus kannst du dir als Firma kaum noch leisten, wenn du die Kosten siehst, die für eine Show zu tragen sind. So zwei- bis dreimal im Jahr probiere ich was Neues aus, was mich dann aber viel Geld kostet.
Dirk: Na klar. Wenn man das Ganze nur noch als Geschäft und nicht mehr als ästhetische Mission betrachtet, kann man auch gleich Badezimmereinrichtungen verkaufen. Aber natürlich kann man auch genau so eine Agentur führen.
MAD: Natürlich! Schau, wir sind immer organisiert und verbinden seit dem ersten Tag die Ideale, die wir vertreten. Es bleibt sogar noch genug Zeit für politische Arbeit wie Human oder Animal Rights-Aktivitäten. Wir sind organisiert in Tierrechtsgruppen und sagen wir jetzt mal pauschal politischen Gruppen. Alles, was man macht ist politisch, darum auch unsere Lebenseinstellungen. Ich bin z. B. seit ca. 16 Jahren überzeugter Veganer und trinke oder rauche nicht, um mehr Energie für politische Dinge zu haben und wach zu sein. Denk mal daran, wie wir damals die Antifa-Benefiztour gemacht haben und überall dort gespielt haben, wo es nach der Wende gebrannt hatte, da wo keiner hingehen wollte, und alle Angst hatten. Darum waren und sind nur M.A.D. so stark im Osten von Deutschland, wir waren da, wo es unangenehm war, auch vor Ort, da war sonst keine Agentur. Ich kann mich erinnern, was für Vorurteile die meisten Veranstalter hatten und immer noch haben.
Mitch: Raum für Idealismus ist schon da, aber im Laufe der Zeit und mit der Anzahl der absolvierten Konzerte nimmt dieser stark ab. Das ist die Kehrseite des Jobs. Ich höre immer wieder, wie toll so ein Job doch wäre, aber das kann wirklich nur jemand sagen, der ihn noch nie gemacht hat und mit dem Musikbusiness wohl auch nichts zu tun hat. Leider ist es auch so, dass der Idealismus auch je nach Musikrichtung mit der Art der Zuschauer sinkt! Wir hatten z.B. eine Zeitlang Metalkonzerte mit freiem Eintritt gemacht. Mal abgesehen davon, dass nur rund durchschnittlich 80 Leute kamen, haben von diesen 80 dann Dreiviertel ihre Getränke selbst mitgebracht. So was macht für uns keinen Sinn, und der eigene Idealismus sinkt und sinkt.

Hat eure Arbeit noch was mit Gegen-/Alternativkultur zu tun? Warum?

Steffen:
Kultur gegen wen? Das Thema ist eher vorbei. Wenn du eine HC/Punk-CD im Müller Markt für zwei Euro weniger bekommen kannst als bei Green Hell, dann kaufen die Kids sie auch dort. Gegen- oder Alternativkultur hin oder her.
Dirk: Solange man sich mit der entsprechenden Musik beschäftigt, hat es sicher was damit zu tun.
MAD: Ich denke, die Frage hat sich mit der Antwort davor beantwortet, was soll ich jetzt noch hinzufügen? Ich sage mal ganz einfach, alles, was wir sind, ist ‚Gegenkultur‘.
Mitch: Leider nicht mehr allzu sehr! Wie an anderer Stelle beschrieben, hat man als privater und nicht mit öffentlichen Mitteln finanzierter Club kaum die Möglichkeit, Bands aus diesem Dunstkreis auftreten zu lassen. Es gibt dann aber andererseits auch wirklich bekannte Bands wie ANTI-FLAG, denen es ein Anliegen ist, bei ihren Konzerten z.B. Antifa-Gruppen Raum zur öffentlichen Präsentation zu bieten.

Wie sehen heute die Chancen aus für kleine unbekannte(re) Bands gegen etablierte mit (großen) Labels im Hintergrund?

Steffen:
Da haben wir wieder das leidige Thema Fixkosten bei einer Show: Ich probiere, so gut und oft es geht, kleinere Bands als Support Act bei großen Shows unterzubringen, was aber nicht so einfach ist, denn wenn du schon drei Bands als Paket von einer Agentur bekommst, ist es schwierig, noch eine vierte Band reinzunehmen. Oft wollen das die Agenturen auch nicht mehr.
Dirk: Eine wirklich gute Band, die Außergewöhnliches zu bieten hat, kann sich nach wie vor eine Reputation als Liveband erspielen, selbst wenn sie noch nichts veröffentlicht hat. Man darf die Ansprüche nur nicht zu hoch schrauben.
Mutti: Scheiße, das liegt vor allem daran, dass dem Underground mittlerweile die grosse Masse an aktiven und interessierten Leuten fehlt. Die Älteren sind bequem geworden, die Jüngeren stehen oft mehr auf schon etablierte Bands wie z.B. NOFX, oder fangen gleich mit den Majorbands an. Der interessante Unterschied ist halt, dass man 1990 GREEN DAY noch vor 50 Leuten im KOB sehen konnte, und die dann erst groß wurden. Bei GOOD CHARLOTTE sieht das schon ganz anders aus, die haben wohl nie vor 50 Leuten gespielt, so eine richtige Punkrocktour, mit allem was dazu gehört, haben die doch nie gemacht. Und so läuft das jetzt, Punkbands werden genauso gegründet/gecastet und vermarktet wie diese Danceacts, und sind damit ja auch nicht mehr Punk, sondern nur noch ein Produkt. Mit diesem Hintergrund finde ich das gar nicht so schlimm, dass RANCID nun bei Warner sind, die haben sich wenigstens den Arsch dafür abgespielt, dass sie jetzt ihren Rentenvertag bekommen. Es gibt übrigens noch was, warum die Kleinen nicht mehr durchkommen: Es gibt einfach zu viele, die auf derselben Baustelle rumtoben.
MAD: Genauso gut wie 1978, es kommt doch nur auf die Bands, ihre Musik und Einstellung an. Wenn wir nicht alle Bands machen, dann einfach, weil wir es nicht schaffen – zeitlich wie arbeitstechnisch. Wenn du mal schaust, wen und was wir alles buchen, dann siehst du, was ich meine, wir haben ja nur ein ganz kleines Büro. Es gibt mehr Clubs und Spielmöglichkeiten, besser durchstrukturierte Organisationen in der Szene. Ich denke, dass Pferd wird hier wie leider so oft von der falschen Seite aufgezäumt. Das Problem sind nicht die Labels, sondern die Köpfe der Generation, die sich lenken und manipulieren lässt, wo auch die sogenannte Indie-Presse ohne Frage dazu gehört. Denn jeder hat die freie Wahl, zu gehen, wohin er will und zu kaufen, was er will, wie auch zu hören, was er will. Aber denkt nicht, dass ihr deswegen frei seid! Durch die kommerzielle Orientierung von Fanzines und den dahinter steckenden Apparaten wird alles in Richtungen und Schubladen gefahren, aus der einige nie wieder rauskommen. Es ist wie mit den Internet, denn viele denken, was sie irgendwo auf irgendeiner Internetseite lesen, muss auch wahr sein und übersehen dabei die Strukturen, die dahinterstehen. M.A.D. steht für keine Musik, keinen Style, unter unseren Händen findet man das volle Spektrum, von Punk zu Hardcore, zu Ska, zu Rockabilly usw., und es wird auch immer so bleiben. Wir haben genauso die größten PC-Polit-Bands gemacht, wie kommerziell ausgelegte Bands.
Mitch: Eher sehr schlecht. Wenn überhaupt, dann höchstens mal als Support, und zahlen können wir dann leider auch nichts. Dafür geht einfach zu viel für die Hauptacts und die laufenden Kosten drauf. Besonders schlecht sieht es mit deutschen Bands aus. Ich kann nicht einfach mal schnell zwei deutsche Alternative- oder Crossoverbands auftreten lassen, nur weil sie denken, es würden 200 Leute kommen. Die Vergangenheit hat mich gelehrt, dass es meist nur 20 Leute sind. Deswegen bin ich auch froh, dass ein früherer Angestellter von uns auf Basis einer Anmietung regelmäßig ein- bis zweimal pro Monat eine Veranstaltung namens New Movements (www.newmovements.de) durchzieht. Da spielen dann sechs bis acht deutsche Bands, überwiegend aus dem Kölner Raum, und alles für nur fünf Euro. Er hat aber auch schon Bands aus dem gesamtdeutschen Raum oder sogar England, Österreich und der Schweiz untergebracht. Genau diesen Idealismus und Enthusiasmus von ihm finde ich absolut bewundernswert!

Wer braucht eigentlich all die Festivals, die jeden Sommer die Republik heimsuchen?

Steffen: Ich gehe selbst auf keines dieser Festivals, denn die meisten Bands funktionieren nicht auf den großen Bühnen. Was haben Bühnengräben und Armeen von Security-Typen, was haben Durchsuchungen, wenn du auf den Platz gehst, mit Punkrock zu tun? Aber auf den Festivals liegen die Gagen für die Bands um ein Vielfaches höher als bei Clubshows, sodass es für die Bands sehr viel bringt, dort zu spielen. Das gleiche gilt für den Preis der Tour-Shirts. Dazu kommt, dass die Veranstalter viele Bands durch ein Festival an sich binden wollen. Nach dem Motto ‚Du kannst bei uns spielen, dann bekommen wir aber einen guten Deal von euch auf der nächsten Clubtour‘. Keines dieser Festivals kommt ohne Sponsoren aus, sprich die Industrie – Tabak und Alkohol – ist schon dick mit dieser Kultur verbunden.
Dirk: Ich weiß es nicht. Mir gefallen Konzerte nur dann, wenn Interaktion zwischen jedem einzelnen Besucher und den Musikern möglich ist, wenn alles dicht beieinander ist. Sobald das Publikum für den Musiker zu einer großen, homogenen Masse wird, hört Rock‘n‘roll auf zu funktionieren. Die Bands schätzen natürlich den großen Werbeeffekt von einem Auftritt vor 10.000 Leuten, und deshalb buche ich auch öfters für Festivals. Selbst hingehen tu ich aber nie.
MAD: Ich denke, wenn die Leute, die da hingehen, das nicht mehr wollen, und keiner hingeht, gibt‘s die nicht mehr, oder? Manchmal glaube ich, die Leute denken, etwas, das nicht teuer ist, ist auch nicht gut. Oder wie erklärt man sich, dass Leute rumheulen ‚Hey, das kostet ja 5 Euro‘, und dieselben Leute stehen dann für ein 30 Euro-Konzert an. Diese Festival-Touren haben sich auch aus der Konsumerwartung und -haltung der nachfolgenden Generationen entwickelt, immer mehr und immer weniger dafür geben.
Mitch: Ich hasse Festivals und würde nie mehr auf eins gehen. Die Zeiten sind definitiv vorbei! So toll könnte ich, glaube ich, keine Band finden, um mir den Stress irgendwelcher Monsterfestivals noch mal anzutun. Das einzige Festival, zu dem ich jährlich gehe, ist in meiner alten Heimat ‚Das Fest‘ in Karlsruhe, immer Ende Juli mit freiem Eintritt. Leider hat dort aber für mich das Angebot an interessanten Bands stark nachgelassen.

Gibt es „pay to play“ in Deutschland?

Steffen:
„Nicht so wie im Metal-Bereich, eher dass Supportbands auf Tour keine Bezahlung bekommen und die Backline und/oder den Bus stellen, um mittouren zu dürfen. Oder ihre Labels bezahlen die Tourposter und Anzeigen.
Dirk: Ich habe schon oft unverschämte Gagenangebote bekommen, aber noch nie echtes Pay To Play.
MAD: Ja, ohne weiteres und leider fast überall, und es sieht auch so aus, als ob es da kein Rauskommen mehr gibt, denn das System hat seine eigenen Kinder gefressen, leider. Und alle schauen weg.
Mitch: Auf Umwegen, ja. Wenn Bands gezwungen werden, Tickets zu kaufen, um auftreten zu dürfen. Da finde ich unsere Version fairer, in dem ich zu den Bands, die ich nicht buchen will oder kann, sage, dass sie gerne den Club anmieten und das Konzert selbst veranstalten dürfen. Dann gehören ihnen natürlich auch 100 % der Eintrittseinnahmen.

Was war die beste und was die schlechteste Erfahrung in diesem Business?

Steffen:
Da gibt es bei ‚beste Erfahrung‘ keinen generellen Punkt, aber in den 20 Jahren habe ich weltweit so viele nette Menschen getroffen, die ich ohne Punkrock nie kennen gelernt hätte. Aus vielen von diesen Kontakten haben sich Freundschaften entwickelt, die weit über die Szene herausgehen. Was schlechte Erfahrungen anbelangt, so gibt es eigentlich nur die, dass sich viele Bands zu ernst und zu wichtig nehmen. Oft spielt da auch Geld eine Rolle.
Dirk: Die besten Erfahrungen waren die vielen grandiosen Konzerte, die ich zu sehen bekommen habe und die vielen großartigen, lustigen Leute, die ich durch das Bandbuchen kennen gelernt habe. Bands wie MENSEN, SUBSONICS, GET LOST, GOGGLE-A, die BOONARAAAS oder TIKI TIKI BAMBOOOOS kennen gelernt zu haben, ist für mich schon ein unersetzlicher Wert. Das gleiche gilt für eine Menge Veranstalter. Auch muss ich sagen, dass ich fast alle meine lebenden Lieblingsbands irgendwann bekommen habe, auch wenn sie eigentlich gar nicht live spielen wollten. Die MASONICS zum Beispiel wollten nie auf Tour gehen, sondern immer nur Platten machen. Die habe ich dann so lange genervt, bis sie eingeknickt sind. Live konnte ich sie dann mehrmals sehen und feststellen, dass sie auf der Bühne noch besser als auf Platte sind. Inzwischen spielen sie in fast ganz Europa regelmäßig live. Das gibt einem dann schon das Gefühl, dass man nach eigenen Ansprüchen etwas Bedeutendes geleistet hat. Schlechte Erfahrungen? Die allerschlechteste Erfahrung war CALYPSO KING & THE SOUL INVESTIGATORS. Ganz miese Schweine, die mich komplett abgezogen haben. Da war ich eigentlich schon kurz davor, das Handtuch zu schmeißen. BLOOD ON THE SADDLE waren auch nicht ganz fein, als sie mich nicht nur um meine bescheidenen 15% Provision geprellt haben, sondern auch noch mit meiner eigenen DJ-Gage bei einem Konzert durchgebrannt sind. Oder KING KHAN, die mich ziemlich hinterhältig betrogen haben, oder die SATELLITERS, die hinterher sogar noch Lügen über mich erzählt haben. Da gab es schon einige Enttäuschungen mit schwarzen Schafen. Aber wenn man bedenkt, dass ich fast immer alles ohne Papierkram gemacht habe, ist der Anteil derer, die das ausgenutzt haben, doch ziemlich gering. Auch immer wieder gut für Enttäuschungen sind Bands, die ich gehört habe und dachte: ‚Wow. Das ist das Beste überhaupt.‘ Dann macht man drei Touren mit steifem Gegenwind und bei der vierten Tour spielen sie immer noch vor 20 Leuten in kleinen Kneipen, und nichts hat sich getan. Das ist immer sehr unangenehm für mich, wenn ich den Bands dann sagen muss, dass es eine Tour gibt, aber dass die ganzen guten Läden nicht dabei sind, oder dass es gar keine Tour gibt, weil sie niemand haben wollte. Aber was soll‘s? Man kann nicht erwarten, dass immer jeder den eigenen Geschmack teilt. Für die Bands sieht das dann aber oft so aus, als wäre man ein Schwätzer, der sich im richtigen Augenblick nicht genug anstrengt. Die schockierendsten Sachen waren immer Todesfälle, von denen es einige gab. Lee Robinson von den SIN CITY SIX, Denis Laboubee von den DOGS, Screaming Lord Sutch und vor kurzem dann Montague von den WOOGLES, der gerade mal 31 Jahre alt war.
MAD: Menschen und Orte kennen zu lernen, die ich sonst nie kennen gelernt hätte, denke ich mal. Als schlechte Erfahrungen möchte ich die vielen menschlichen Enttäuschungen nennen, die man gemacht hat. Was schwerer wiegt, weiß ich so jetzt nicht.
Mitch: Schlechte Erfahrungen: Bands, überwiegend amerikanische, die sich nach dem Konzert als deine besten Freunde präsentieren, dich bitten, ja in Kontakt zu bleiben, und dann auf deine Mails erst antworten, wenn sie wieder auf Tour kommen wollen. Es gibt aber auch Ausnahmen und nette Leute wie Joe King von den QUEERS, die Jungs von den HANSON BROTHERS, die GROOVIE GHOULIES oder Grant von den SMUGGLERS. Schlechte Erfahrungen kann man auch mit deutschen Bands sammeln, die dir Türen eintreten, dich beklauen oder den Bandraum verwüsten und dies noch für ganz tollen Punk Rock halten. Fuck You! Man sieht sich immer zweimal und beim zweiten Mal ganz bestimmt nicht mehr hier bei uns im Club! Die guten Erfahrungen sind dann einfach die, dass man viele, viele nette Leute, Musiker wie auch Konzertgänger kennen lernt. Besonders gut finde ich auch immer, wenn sich Musiker aus Musikrichtungen, die man selbst überhaupt nicht ab kann, als supernett erweisen und mir das Konzert richtig Spaß macht. So geschehen z.B. bei den zwei Metalbands END OF GREEN und UNDERTOW! Last not least ist es auch immer wieder aufs Neue schön, zu sehen, dass die Leute, die aufgrund ihres Alters, ihrer Bühnenerfahrung oder ihres Bekanntheitsgrades eigentlich das Recht hätten, Rockstars zu sein, sich als unkomplizierte, extrem umgängliche Jungs von nebenan erweisen, z.B. war das hier so mit den YARDBIRDS, MAN THEY COULD‘NT HANG, ASH oder SUM 41!

Das Thema Cateringlisten: Die witzigste/peinlichste etc.?

Steffen:
Wenn mich ein Punkt nervt, streiche ich ihn einfach raus, wie Zigaretten oder Socken. Aber 99% der Catering-Listen sind mit Notwendigem versehen, sprich Essen und Trinken.
Dirk: Da fällt mir nur der WOGGLES-Gitarrist-Montague ein. Er aß keine Pflanzen und wollte Fleisch pur haben. Außerdem wollte er zusätzlich noch Adressen der nächsten McDonalds-Filialen vor jeder Tour haben – für den Fall, dass man ihm am Veranstaltungsort mit Gemüse füttern wollte. Ein Bilderbuch-Amerikaner!
Mutti: In Sachen Catering weiß ich nichts zu erzählen, aber ansonsten ist nach wie vor immer noch der beste Sparwitz, wo ich zu spät zum Konzert von MONSTER komme und frage: ‚Are you finish(ed)?‘ und einer antwortet ‚No, we are from Sweden!‘ Peinlichkeiten gibt‘s ohne Ende, aber Bone von den MCKENZIES schafft immer neue Höhepunkte, z.B. beim Parken vor der noblen Hütte eines Veranstalters, bei dem wir privat pennen, erst mal in einen Hundehaufen latschen, natürlich nix merken und erst mal quer durch die Wohnung alles verteilen. Mit dem Bus macht er das dauernd, dem scheint die Scheiße quasi nachzulaufen.
MAD: Ich denke, die Cateringlisten sind ein kleineres Problem. Schlimmer sind Leute, die heute noch versuchen, verkochtes Gemüse, alte, abgelaufene Säfte oder Falafel-Bällchen ohne alles mit Ketchup zu servieren, und sich dann aufblasen, dass die Bands Rockstars wären. Die Leute sollten sich nicht immer über Cateringlisten aufregen, sondern die Band behandeln wie Freunde, mit dem gleichen Respekt und Verstand, und nicht immer als Ungeliebte abzufüttern.
Mitch: Die witzigsten waren definitiv die von den HANSON BROTHERS mit drei verschiedenen Sorten Whisky. Einmal für reiche Clubs mit einem guten irischen Whisky, für durchschnittlich gut laufende Clubs mit einem Mittelpreis-Scotch und für arme Clubs mit dem Vermerk ‚Forget about the whisky‘! Oder die Cateringliste der REAL MCKENZIES, die ein schottisches Nationalgericht haben wollten, einen mit Innereien gefüllten Schafsmagen. Angeblich gab es sogar einen Club im Osten Deutschlands, der ihnen das auch wirklich auftischte! Üble Cateringrider gibt es immer wieder, oftmals irgendwelche kleinen Pissbands von Nirgendwo, die sich für Rockstars halten, aber natürlich auch von im Ausland sehr bekannten Bands, die bei uns aber noch niemand kennt. Das wollen diese Bands dann nicht so richtig wahrhaben und auf dem Cateringrider finden sich dann solche Dinge wie aktuelle amerikanische Tageszeitungen, frische Socken, bestimmte Sorten von Lebensmitteln, die es hier gar nicht gibt, Unmengen von Alkohol und sonstige Absurditäten. Eine solche Band waren CRAZY TOWN, die es hier ja inzwischen auch zu Berühmtheit gebracht haben. Damals war das bei uns ein Konzert mit freiem Eintritt und es waren trotzdem nur rund 25 Leute da. Eine Negativerfahrung, die allerdings nichts mit Catering zu tun hat, waren BLINK 182, als der Sänger nach dem Konzert mit einem Kumpel in den USA telefonierte und meinte, in den USA würden sie die Nutten wenigstens aufs Zimmer geliefert bekommen. Aber wer weiß, vielleicht stehen die ja inzwischen bei denen schon auf dem Cateringrider mit drauf. Soll niemand sagen, ich würde lügen. Wir waren zu dritt im Büro, als er telefonierte, und jeder hat es gehört und gestaunt und den Kopf geschüttelt!

Abel Gebhard & Joachim Hiller