FROM ASHES RISE

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Chronisch-kreative Depression

Entdecken durfte ich die US-Hardcoreband FROM ASHES RISE als Support von SONG OF ZARATHUSTRA. Nach dieser beeindruckenden Show besorgte ich mir das zweite Album mit dem missverständlichen Titel „Silence“, und seitdem sind sie für mich eine der wichtigsten Bands in diesem Genre. Seit 1997 wüten FROM ASHES RISE mit subtilen Melodien, gepaart mit spannungsgeladenen Intros, gleich der so genannten Ruhe vor dem Sturm oder eben im immer wiederkehrenden (Teufels-)Kreislauf der Regenerierung, Zerstörung und Wiedergeburt. Im Oktober erschien das dritte Album „Nightmares“ auf Jade Tree, so dass ich es mir nicht nehmen ließ, eine meiner derzeitigen Lieblingsbands zu einem virtuellen Gespräch via Email zu bitten. Über Felix von Havoc Records, der in dieser Ausgabe ebenfalls zu Wort kommt, wurde der Kontakt zu Sänger und Gitarrist Brad Boatright hergestellt.

Die drängendste Frage zuerst: Wann seid ihr wieder in Deutschland zu sehen, und welche Eindrücke blieben vom ersten Europabesuch?


Wir kommen entweder im Frühjahr oder im Herbst 2004. Die Summe der positiven Erfahrungen in Europa ist kaum fassbar. In den Staaten ist es aufgrund der gesetzlichen Alkoholbestimmungen sowie der hohen Polizeipräsenz kaum möglich, eine Location längere Zeit zu halten, während es hier Häuser gibt, die seit zwanzig Jahren besetzt sind und trotz drohender Schließungen und Auseinandersetzungen mit den Ordnungshütern alles funktionstüchtig ist, und man problemlos eine Show spielen kann. Das nenne ich Einsatz und Hingabe.

Kürzlich erschien „Nightmares“ auf Jade Tree, kurz zuvor ein Split-Album mit den VICTIMS auf Havoc, während die ersten beiden Alben bei Skuld Releases veröffentlicht wurden ...


Hinter Jade Tree stecken aufrichtige und dennoch professionell arbeitende Leute, die verantwortungs- und vertrauensvoll mit ihren Bands arbeiten. Bei Kleister von Skuld verhält es sich nicht anders. Er hat unsere ersten beiden Alben für Europa lizenziert und machte einen guten Job. Die Arbeit am Split-Album mit den VICTIMS hat zwei Jahre lang angedauert. Umso glücklicher sind wir jetzt, dass das alles so gut über Felix funktionierte. Das Warten hat sich gelohnt, nicht zuletzt auch wegen des VICTIMS-Materials und dem Cover-Artwork, auch wenn es sehr viel Geduld erfordert hat.

Stichwort: Cover-Artwork. Woher nehmt ihr eure Ideen dafür und was steckt genau dahinter?

Alles was wir tun und fühlen, muss mit dem Geschmack der Band in Einklang stehen. Text und Musik müssen stimmig sein. Das Cover-Artwork sollte bereits vor dem ersten Hören der Platte eine passende Stimmung erzeugen. Die Eindrücke, die wir festhalten, reflektieren das trübsinnige Dahinvegetieren. Auf dem neuen Album ist eine katholische Trauerprozession abgebildet. Wir dachten, es würde uns verfolgen, wenn wir nicht die bestgeeignete Darstellung verwenden würden: Ein Begräbnis für den Tod aller Hoffnungen – der ultimative Alptraum.

Einige Songs befassen sich mit christlichem Glauben. Wie wichtig ist für dich das Statement ‚No Gods, No Masters‘?


Ich halte nicht viel von Slogans, aber speziell diese Aussage hat sich bei mir eingeprägt. Wir alle sind mit der Bibel aufgewachsen und sind seitdem von den christlichen Moralvorstellungen und deren weiterentwickelten Formen überschwemmt worden. Uns wurde beigebracht, sich seiner selbst zu schämen, einer höheren unsichtbaren Macht unterwürfig zu sein und noch mehr Unterwürfigkeit den Leuten gegenüber zu zeigen, die behaupten, mit dieser Macht in Kontakt oder an der Seite dieser zu stehen. Religion ist für mich deshalb eine Maschinerie zur Kontrolle und nicht zur Erleuchtung der Menschheit, damit diese funktioniert.

Einzigartig euer Songwriting: Sehr leise, depressive und melancholische Gitarrenpassagen wechseln sich ab mit mächtigen Wellen hasserfüllten Hardcores, der jedoch im Hintergrund dieses Lärmwalles subtile Gitarrenmelodien erahnen lässt. War es eine bewusste Methode, in den Arrangements die Betonungen bei den beiden Tracks „Hell In Darkness“ und „Noise“ fließend umzukehren?

Nicht wirklich. Wir fanden es so einfach am besten. Verantwortlich dafür ist natürlich Dave, der als Drummer ein unglaubliches Talent besitzt, Songs zu gestalten, sodass er nur durch eine Betonungsverschiebung seines Drumparts, eines meiner oder Johns Riffs einen komplett neuen Sound kreiert. Interessant jedoch, dass du den Begriff ‚Depression‘ in Zusammenhang mit unserer Musik verwendest, da wir unsere Ideen bisher immer aus unserer schlechten Laune heraus geschöpft haben, was unsere Musik ein Stückchen verrückter macht. Wir versuchen fortwährend Spannung aufzubauen und freizulassen. Wir lieben die Melodie. Es ist eine große Herausforderung, eine dunkle Atmosphäre beizubehalten und trotzdem die Musik immer melodiös zu gestalten. Was das Songwriting betrifft, haben mich Bands wie ANTISECT, DISCHARGE oder AMEBIX beeinflusst.

In dem Stück „Home“ von PUBLIC IMAGE LIMITED gibt es die Textpassage „anger raises energy“. Daran werde ich ständig erinnert, wenn ich eure Musik in Zusammenhang mit euren negativen Lyrics höre ...

Negative Energie freizusetzen, ist immer der einfachste, aber selten der passende Weg. Beim Schreiben setzen wir unseren Frust frei. Unsere Songs sind positiv in dem Sinne, wenn beim Hörer irgendeine Reaktion veranlasst wird. Der Zivilisationsdreck sorgt für unzählige Dinge, die aufgegriffen und zu Gehör gebracht werden sollten. Wir bedienen uns bestimmter Themen, um schützend vor dem zu warnen, was sein könnte. Priorität auf ‚Nightmares‘ haben trotz der vielschichtigen Bedeutungen die Texte, welche die Kriegskultur sowie die darauf reagierende Massenhysterie der durcheinander geschüttelten Zivilisation zum Inhalt haben.