JOE STRUMMER

Ein Nachruf

Der Sänger und Gitarrist Joe Strummer starb am 22.12.2002 im Alter von 50 Jahren an einer Herzattacke. Eine Nachricht, die letztes Jahr meine ohnehin nicht sonderlich festliche Weihnachtsstimmung noch weiter nach unten drückte.

Joe Strummer, mit bürgerlichem Namen John Mellors, wurde am 21. August 1952 als Sohn eines Diplomaten in Ankara geboren. Der Name Strummer (engl.: to strum - klimpern) bezieht sich auf sein spezielles Gitarrenspiel – seine Kenntnisse und Fertigkeiten im Umgang mit dem Instrument waren damals doch sehr beschränkt – und entstand bereits während seiner Zeit bei den 101‘ERS. Joe hierzu später in einem Interview 1978 in der Sounds: „Ich konnte nur Akkorde spielen, bei unseren ersten beiden Auftritten Anfang 1975 waren sicherlich 10 oder 20 Leute im Raum, die besser Gitarre spielen konnten als ich“. Der Vorname Joe entstammt seinem Selbstverständnis niemand besonderes zu sein, eben nur der „gewöhnliche“ Joe.
Auf jeden Fall waren die 101‘ERS eher eine Rhythm & Blues und Pubrock-Band, die immerhin eine 7“ („Key to your Heart“/“5 Star Rock‘n‘Roll Petrol“) veröffentlichte. „Key to your Heart“ ist übrigens auch auf den beiden Chiswick-Samplern „Never Mind Other Labels - Here‘s Chiswick“, u.a. in Gesellschaft mit Bands wie MOTÖRHEAD, SKREWDRIVER und JOHNNY MOPED, bzw. „Submarine Tracks & Fool‘s Gold - Chiswick Chartbusters Vol. One“ (hier sogar mit der 7“ B-Seite) enthalten. Es darf sich glücklich schätzen, wer diese beiden Scheiben sein Eigen nennt. Nicht unbedingt in musikalischer Hinsicht – es zählt vor allem der ideelle Wert. Im Frühjahr 1976 verließ Joe Strummer die 101‘ERS. Dass er zusammen mit Gitarrist Mick Jones (ex-LONDON SS), Bassist Paul Simonon und Drummer Terry Chimes, sowie Keith Levene (später bei PIL Gitarrist) THE CLASH gründete, ist Geschichte. Ebenso der Werdegang und die Bedeutung dieser einmaligen und großartigen Band.
Sicher, ihre Musik hat sich im Laufe der Jahre stark verändert, aber ich erinnere mich, einmal in einem Interview einen Satz gelesen zu haben, der sich in meinen Gehirnwindungen festgesetzt hat: „THE CLASH haben sich immer bemüht, so gut zu spielen, wie es ihnen gerade möglich war.“ Eine individuelle Entwicklung gestehe ich jeder Band zu, auch wenn ich die Alben „Sandinista“ (1980) und „Combat Rock“ (1982) erst Jahre später zu schätzen gelernt habe. Entweder war die Enttäuschung über ihre Musik zu groß oder aber, und das trifft die Sache wohl eher, die Erinnerung an die frühen CLASH einfach zu prägend. Ich sage nur: der erste zaghafte Pogo zur ersten CLASH-Platte im „Musikzimmer“ des Jugendzentrums. Na ja, das ist mittlerweile auch Geschichte. Geblieben ist bei mir all die Jahre eine Art Verbundenheit mit THE CLASH, mit ihrer Musik und ihren Texten.
THE CLASH öffneten mir den Zugang zur Reggae- und Dub-Musik. Und durch die vielen Coverversionen erfuhr ich, dass es „früher“ auch schon gute Musik gab. Ja, so war das damals. Und heute? Das CLASH-Poster von „Combat Rock“ (das Albumcover ist übrigens auch klasse!) begleitet mich seit 21 Jahren auf meinen Wegen durch die verschiedenen Formen des Zusammenlebens und findet doch jedes Mal seinen Platz an der Zimmerwand neben der Anlage. Nach dem letzten CLASH-Album „Cut the Crap“ (1985), das, wie ich finde, völlig zu unrecht kritisiert wird, suchte – und fand! – ich immer wieder Lebenszeichen von Joe Strummer. Entweder in Form von gelungenen Soundtracks wie „Walker“ (1987) bzw. „Permanent Record“ (1988) oder das doch etwas enttäuschende Soloalbum „Earthquake Weather“ (1989), trotz der Beteiligung von Jack Irons (ex-RED HOT CHILI PEPPERS) und Zander Schloss (ex-CIRCLE JERKS). Die späteren Sachen mit den POGUES habe ich dann lieber gar nicht mehr verfolgt.
Und dann erwachte erneut mein Interesse durch das geniale JOE STRUMMER & THE MESCALEROS-Album „Rock Art & the X-Ray Style“ (1999). Wobei ich mich noch immer ärgere, dass ich das legendäre Konzert der MESCALEROS 1999 in Hamburg nicht besucht habe. Asche auf mein Haupt. Immerhin habe ich mir dann „Global a Go Go“ (2001) auch als Vinyl gekauft, mit der epischen Version von „Minstrel Boy“. Und nicht zu vergessen die Zusammenarbeit von Joe Strummer mit Brian Setzer (der von den STRAY CATS, die damals die Punks und Teds zusammen brachten). Auf Brian Setzers Soloplatten wie „Guitar Slingers“ (1996) und „‘68 Comeback Special Ignition!“ (2001) taucht immer wieder der Name Joe Strummer als Songwriter auf.
Und jetzt taucht auch noch „Streetcore“ auf, ein neues MESCALEROS-Album, für mich zur Zeit eindeutig mein Joe Strummer-Lieblingsalbum. Obwohl viele Aufnahmen erst nachträglich erfolgten, ein peinliches „CLASH-Remake“ konnte dank Joes Witwe Lucinda verhindert werden. Denn es gab durchaus die Idee, den „Redemption Song“ musikalisch von Mick Jones und Paul Simonon einspielen zu lassen. Aber Lucinda hatte sich entschieden: „If Joe wanted to do a CLASH reunion, he would have done it“.
Kay Wedel

P.S.: Schaut euch mal im Internet folgende Seite an: www.futureforest.com/halloffme/joestrummerl.asp#forest
Die Organisation Future Forest pflanzt Bäume, um die CO2-Emission einzudämmen. Joe Strummer war einer der ersten Künstler, der diese Organisation unterstützt haben. In seinem Gedenken hat Future Forest den Joe Strummer Memorial Forest gepflanzt, in dem schon über 4.000 Bäume stehen. Über das Internet kann jeder Geld spenden, von dem dann weitere Bäume gepflanzt werden.

Meine persönliche Joe Strummer Top Ten:
„Get down Moses“ (2003), „Mondo Bongo“ (2001), „Tony Adams“ (1999), „Nica Libre“ (1987), „Know your Rights“ (1982), „Armagideon Time“ (1980), „Guns of Brixton“ (1979), „London Calling“ (1979), „Safe European Home“ (1978), „City of the the Dead“ (1977)