THRICE

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The Van Halen Of Emo Metal?

Mit ihrem zweiten Album gelang THRICE in den USA der Durchbruch. Der Vierer aus Südkalifornien fand sich plötzlich auf endlosen Touren durch die USA wieder, mit immer größerem Zulauf. Im Gepäck eine energiegeladene Mischung aus Punk, Hardcore, Metal und Emo. Hier hieß es weiterhin Warten, bis THRICE endlich im Frühjahr 2003 im Rahmen der Deconstruction Tour den Weg über den Atlantik fanden. Im September waren sie dann erneut Teil einer großen Tour durch Europa. Diesmal hatten sie ihr neues Album „The Artist In The Ambulance“ dabei, ihr drittes Studiowerk, gleichzeitig das Debüt auf Island Records. Im Rahmen der Reconstruction betitelten Tour hatte ich am 6. September in Winterthur in der Schweiz die Möglichkeit, mich mit Bassist Eddie Breckenridge zu unterhalten.

Wie ist es, zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate in Europa zu sein?


Es ist großartig. Das letzte Mal war es für uns eine Art Testlauf, eine Eingewöhnungsphase. Es war etwas Neues, ich musste mich erst mal an den Zeitunterschied gewöhnen, das Geld und die Kommunikation mit den Leuten. Jetzt fühle ich mich wohler, das Ganze ist nicht mehr so neu, und es fällt mir leichter, mich mit Leuten zu unterhalten. Das erste Mal in Europa war wie ein Traum für uns. Als wir angefangen haben, zusammen in einer Garage zu spielen, dachten wir nicht einmal daran, mal ein Konzert zu geben. Und jetzt hier zu sein, ist klasse. Es fühlt sich immer noch an wie ein Traum. Als wir nach der letzten Tour heimgekommen sind, haben wir realisiert, dass wir um die Erde gereist sind und unsere Musik vor allen möglichen Leuten spielen konnten. Dabei waren wir mit großartigen Bands unterwegs, genau wie dieses Mal. Wir sind wirklich glücklich darüber.

In den USA ist euer Bekanntheitsgrad in den letzten 18 Monaten rasant angestiegen. Wie hat sich die Situation für euch dort entwickelt?

Ich glaube, unsere Fangemeinde hat sich seit dem letzen Album ‚The Illusion Of Safety‘ unglaublich vergrößert, zumal es auch viele positive Reaktionen der Presse gab. Bevor das Album Anfang 2002 erschienen ist, sind wir auf unsere erste große US-Tour gegangen, zusammen mit ALKALINE TRIO, CAVE-IN und HOT WATER MUSIC. Diese Tour war eine sehr gute Erfahrung für uns, es lief nach dem Motto ‚Learning by doing‘ ab, und das hat uns gut getan. Dann kam das Album raus, und alles begann zu wachsen. Aber irgendwie ist die ganze Sache etwas merkwürdig für mich. Denn wenn man ständig unterwegs und direkt beteiligt ist, merkt man nicht so einfach, wie sich die Sachen für die Band entwickeln und was um uns herum geschieht. Es war für mich ein unglaublicher Moment, als ich zum ersten Mal einen unserer Songs im Radio gehört habe und keine Ahnung hatte, dass er überhaupt gespielt wird. Du denkst dir, das kann nicht wahr sein, das sind wir nicht. Aber wir haben in den letzten Jahren so hart gearbeitet und sind von unseren Freunden und Familien oft getrennt gewesen, da ist es ein gutes Gefühl, zu merken, dass die Leute sich für uns interessieren.

Kommen wir zum neuen Album. Dieses Mal hattet ihr mehr Zeit als bisher für die Vorbereitungen und die ganze Produktion. Wie hat sich das auf die Songs ausgewirkt?

Diesmal hatten wir genau genommen weniger Zeit zum Schreiben der Songs, dafür aber umso mehr Zeit im Studio, was wirklich großartig war. Bei den Arbeiten an ‚The Illusion Of Safety‘ haben wir vieles dazugelernt, und so wussten wir deutlicher, was wir diesmal machen wollten. Wir haben wieder mit dem selben Produzenten aufgenommen, Brian McTernan. Ich glaube, dieses Mal haben wir viel mehr an Melodien gearbeitet, parallel zu den Gitarren, statt erst die Gitarren auszuarbeiten und dann zu versuchen, Melodien um sie herum zu legen. Das macht die Sache einfacher. Ich glaube, es hat dazu beigetragen, dass das neue Album im Ganzen bessere Songs hat. Außerdem haben wir uns dieses Mal mehr an traditionelle Songstrukturen gehalten, mit sich wiederholenden Refrains und ähnlichen Strophen, während das beim Vorgänger oft nicht der Fall war. Das ist zwar manchmal auch sehr interessant, aber genauso kann es ein Lied stark beschädigen. Deshalb gibt es diesmal Refrains, zu denen man mitsingen kann. Weiterhin ist das Album nicht so Metal-lastig ausgefallen, aber das war keine bewusste Entscheidung, das hat sich einfach während des Schreibens der Songs so ergeben.

Wie wichtig ist euch die Zusammenarbeit mit Brian?

Sie ist uns sehr wichtig. Als wir damals unser zweites Album mit ihm eingespielt haben, trafen wir uns im Vorfeld kaum, denn er lebt und arbeitet in Washington, und wir in Kalifornien. Wir sind einfach bei ihm zu den Aufnahmen mit fertigen Songs aufgetaucht, haben aber sehr schnell gemerkt, wie gut wir uns mit ihm verstehen und dass uns seine Ideen gefallen. Also ist er diesmal zu uns nach Kalifornien gekommen und hat mit uns an den Songs gearbeitet. Was in gewisser Hinsicht auch kompliziert war, da wir untereinander immer wegen der Songs diskutiert haben. Aber es tat gut, eine Meinung von außen zu hören, er hatte einfach eine objektivere Sicht als wir und hat uns damit sehr geholfen.

Was steckt hinter dem Titel „The Artist In The Ambulance“?

Es ist der Titel einer Kurzgeschichte von einem Autor namens Al Burian. Wir alle haben sie gelesen, und sie haben uns alle auf eine bestimmte Art berührt. Es geht darin um Al, einen Künstler, der Musik und Geschichten schreibt, und seinen Bruder, der einen Krankenwagen fährt. Dieser Bruder erfüllt eine wichtige Aufgabe innerhalb der Gesellschaft, er tut etwas Gutes für andere, wenn er zum Beispiel jemanden auf der Straße findet und dessen Leben rettet. Abends sitzen sie dann beisammen und reden über ihren Tag und der Bruder erzählt, wie er Menschen geholfen hat. Und Al denkt darüber nach, was es bedeutet, dass sein Bruder so etwas macht, wie wichtig sein Beitrag für die Gesellschaft ist. Also hat er diese innere Auseinandersetzung, ob er auch das Leben anderer verändert, weil es für einen Künstler wichtig ist, einen Eindruck bei den Menschen zu hinterlassen. Die Kunst muss einen positiven Inhalt haben, der anderen gut tut. Und das ist das, was dieser Titel ausdrücken soll. Für uns ist es genauso wichtig, etwas mit unserer Musik zu erreichen. Dazu gehört auch unser Einsatz für wohltätige Organisationen. Und unsere Musik soll auch diesen positiven Ansatz für andere haben.

Eure erste Veröffentlichung war eine EP und trug den Namen „First Impressions“. Ab da habt ihr euch kontinuierlich verändert und immer etwas Neues hinzugefügt, so dass die aktuellen Eindrücke eine ganz andere Band präsentieren.

Unsere Entwicklung hat sehr viel damit zu tun, dass wir andere Bands beobachtet haben, sehr viel live gespielt haben und sehr unterschiedliche Musik hören. Wie gesagt, diese Tour mit ALKALINE TRIO war eine sehr prägende Erfahrung. Ich persönlich habe jeder Band jeden Abend zugeschaut, 40 Abende lang, und alles in mich hineingesaugt. Nach dieser Tour sind wir zu einer viel besseren Band geworden, als wir es vorher waren. Ich habe mit Chad von BOYSETSFIRE darüber geredet, der uns vor und nach dieser Tour gesehen hat, und er meinte, dass wir eine vollkommen andere Band geworden sind. Das bedeutet mir viel, denn ich will mich immer weiterentwickeln. Diesen Anspruch haben wir alle an uns.

Ihr habt euch nicht nur in musikalischer Form weiterentwickelt. Auch die Texte unterscheiden sich von denen der vorangegangenen Veröffentlichungen. Ich finde, dieses Mal sind sie persönlicher, aber gleichzeitig auch aggressiver und vor allem politischer geworden.

Ich denke, ein Großteil der Texte hat etwas mit dem 11. September und den Folgen zu tun, mit all den Dingen, die momentan auf der Welt passieren. Afghanistan, Irak, die Situation in den USA und wie sich das auf die amerikanische Gesellschaft auswirkt. Es ist frustrierend, starke Gefühle und eine eigene Meinung zu den Geschehnissen zu haben, aber nichts daran verändern zu können. ‚Cold Cash And Colder Hearts‘ handelt von Menschen, die apathisch auf das Leid anderer reagieren und sich nicht um Probleme in anderen Ländern kümmern. Wir Amerikaner tendieren ja leider dazu uns einzureden, das passiere ‚dort drüben‘, und wenn wir es eingrenzen können, wird es schon okay sein und uns nichts anhaben. Der 11. September hat vieles verändert. Die Leute haben angefangen, sich Gedanken über ihre Sicherheit zu machen, sich für die Verbindung unserer Regierung mit anderen Regierungen zu interessieren. Einige Menschen hat das Ganze aufgeweckt, sie betrachten jetzt vieles anders. Leider hat es auch vielen Menschen Angst gemacht, die immer an den Leitsatz geglaubt haben, dass Amerika immer das Richtige tut. Und sie glauben das immer noch, und denken, dass die USA stärker werden und sich aggressiver verhalten müssen, um sicher zu sein. Was kann man machen, um solche Meinungen zu ändern? Ich weiß es nicht, es ist wirklich frustrierend.

Ich glaube, es ist ein guter persönlicher Beitrag, sich als Künstler in seiner Arbeit mit dieser Problematik auseinander zu setzen. Das regt einige Leute zum Nachdenken an.

Natürlich, das stimmt. Es ist wichtig, dass es auf verschiedenen Ebenen Menschen gibt, die andere auf Missstände hinweisen. Das Problem ist, dass auch diese Menschen, die Lügen anprangern, leider selber verdrehte Tatsachen aufführen und benutzen, um ihre Meinung zu untermauern. Das führt dann dazu, dass sich die gegensätzlichen Meinungen weiter auseinander bewegen, und das macht es noch schwieriger bzw. unmöglich sich in der Mitte zu treffen und zu versuchen, einen Weg zwischen diesen Extremen zu finden.

Ihr seid letztes Jahr von Subcity zu Island Records gewechselt. Wie fühlt ihr euch, und wie ist es zu diesem Schritt gekommen?

Bisher ist es großartig. Das ist amüsant, denn ich war eigentlich dagegen. Man hört ja so oft, wie böse Majorlabels sind und wie man da als Künstler nichts mehr zu melden hat. Wir haben uns mit vielen Labelleuten getroffen, und es gibt da draußen viele ‚böse‘ Labels, ich nenne jetzt keine Namen, aber es gibt auch unter den Indies solche Firmen. Ich war der festen Überzeugung, dass wir das nicht machen sollten. Ich war glücklich mit Subcity, und ich wollte nicht zu einer großen Firma. Aber ich habe auch gedacht, es könne nicht schaden sich mit diesen Leuten zu treffen und zu sehen, wie sie auf uns reagieren. Bei jedem Treffen sind wir ziemlich offensiv an die Sache gegangen. Nach der Begrüßung haben wir gleich gesagt, sollten die jeweiligen Labels nicht mit unserer Wohltätigkeitsarbeit weitermachen, wäre die Sache sofort erledigt, weil uns das sehr wichtig ist. Und dann haben wir uns mit Leuten von Island und American getroffen, und sie fanden das vollkommen okay. Sie waren begeistert von unserer Musik und erzählten uns, welche unserer Songs sie besonders mochten. Es war wie Subcity, nur größer, und mit mehr Aktivitäten. Je mehr wir mit diesen Menschen geredet haben, desto überzeugter war ich, dass wir dumm wären, wenn wir nicht diesen Schritt machen würden. Subcity würde für unseren Vertrag, der bei ihnen noch lief, Geld bekommen, das würde den Spenden helfen, es würde dem Label beim Wachsen helfen, wir würden weiterhin auch Subcity-Logo auf unseren Alben haben, es würde einfach allen helfen. Also haben wir es gemacht.

Foto: Dan Monick