BOUNCING SOULS

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Älter und weiser

Bislang waren die BOUNCING SOULS bekannt für ihre Gute-Laune-Hymnen und melodischen Songs, aber „Anchors Aweigh“, das neue und inzwischen sechste Album der Band, bringt erstmals auch ernstere und rauere Seiten mit sich, die sowohl auf die Texte als auch auf die Musik abgefärbt haben. Im Zuge ihrer Herbsttour konnte ich mich mit Sänger Greg Attonito und Drummer Mike McDermott Ende November in Köln über diese neuen Klänge und die bisherige Bandgeschichte unterhalten.

Ihr habt vor kurzem eine DVD mit dem Titel „Do You Remember - 15 Years Of The Bouncing Souls“ veröffentlicht. Wie war es, sich mit der eigenen Vergangenheit zu beschäftigen? Bekommt man da auch mal das Gefühl, dass man wirklich älter geworden ist?

Greg:
„Ja, natürlich. Es war eine sehr interessante Erfahrung, sich diese Aufnahmen aus der Vergangenheit anzuschauen. Einige Sachen Jahre später noch mal zu sehen, hat mich zum Nachdenken bewegt. Es gab da einige Entscheidungen, die ich damals getroffen und Dinge, die ich gemacht habe, die mir wieder durch den Kopf gegangen sind. Vieles hat mir gefallen, aber ich bin auf manches gestoßen, was ich heute anders machen würde. In einigen Fällen wären es nur leichte Veränderungen gewesen, in anderen hätte ich Dinge ganz sein gelassen, einfach, weil ich mittlerweile älter bin und viel mehr Erfahrung habe.“

Gibt es auch etwas in diesen vergangenen 15 Jahren, dass ihr im Nachhinein bereut?

Greg:
„‘Bereuen‘ ist nicht wirklich das Wort, das ich benutzen würde. Manchmal denke ich an früher und sage mir selbst, dass ich da wohl ziemlich blöd war. Ich dachte damals, ich wüsste schon alles, aber das war nicht der Fall. In gewisser Weise denke ich manchmal, dass ich wohl ziemlich naiv und kindisch war. Man lernt einfach immer mehr dazu im Leben. Ich kann nicht sagen, dass ich diese Dinge bereue, denn wenn ich sie nicht gemacht hätte, könnte ich nichts daraus lernen und wäre nicht
derjenige, der ich heute bin.“

Normalerweise kommen solche Rückblicke, wenn eine Band kurz vor ihrem Ende ist. Wie ist diese Idee bei euch entstanden?

Greg:
„Ich weiß, was du meinst. Aber bei uns hatte das nichts mit Gedanken über das Ende der BOUNCING SOULS zu tun. Es war einfach so, dass ich uns schon immer gerne auf Tour oder im Studio gefilmt habe. Jedenfalls hatten Freunde von uns irgendwann die Idee, wir könnten aus dem ganzen Material, das ich angesammelt habe, doch ein Video zusammen schneiden. Das hat sich für uns interessant angehört, denn wir wollten einfach sehen, was dabei rauskommen würde. Also haben sich Freunde von uns die Mühe gemacht, das Ganze durchzuschauen und einen Überblick über unsere Bandgeschichte zu schaffen. Und wir kamen dann auf die Idee, diese Arbeit über unser eigenes Label Chunksaah Records zu veröffentlichen, weil es uns ziemlich gefallen hat. Das ist aber definitiv kein Zeichen, dass es vorbei ist, das sind einfach die ersten 15 Jahre der SOULS. Teil 1 unserer Geschichte sozusagen.“

„Anchors Aweigh“ unterscheidet sich deutlich von seinem Vorgänger. Wie würdet ihr selbst euer neues Album beschreiben, wenn ihr es mit denen davor vergleicht?

Mike:
„Das neue Album ist definitiv düsterer ausgefallen. ‚How I Spent My Summer Vacation‘ war stellenweise sehr poppig. Und als wir die Songs zu diesem Album schrieben, haben wir etwas mehr experimentiert, was Rhythmen und Melodien angeht. Wir wollten nicht die alten Sachen wiederholen, sondern andere Ideen verwirklichen. Aber es sind immer noch die BOUNCING SOULS, das hört man besonders bei den schnelleren Liedern. Wir wollten uns nicht verändern, nur eine neue Seite hinzufügen.“

Greg: „Ich würde sagen, dass man an dem Album auch sieht, dass wir uns als Band weiterentwickelt haben. Und das hat besonders auf das Songwriting Auswirkungen. Ich will nicht arrogant erscheinen, aber ich glaube, dass wir mittlerweile viel besser beurteilen können, wie ein Song von uns geworden ist. Wir wissen einfach sofort, ob eine Idee das Zeug hat, eine gute Nummer zu werden, oder ob es sich nicht lohnt weiterzumachen. In erster Linie müssen die Songs unseren Ansprüchen genügen, darum geht es dabei.“

Und wieso habt ihr diesen Weg gewählt, das Ganze etwas düsterer zu gestalten?

Mike:
„Es war schon immer so, dass unsere Songs die Augenblicke wiedergegeben haben, in denen sie entstanden sind. In jedem Stück von uns steckt die Laune und Verfassung der Person, die mit der jeweiligen Idee angekommen ist. Das hört man dieses Mal auch bei den Texten heraus ... Und es kommt noch das von dir angesprochene Älterwerden hinzu. Das hat einen gewaltigen Einfluss auf die Songs. Wenn man älter wird, hat alles, was einem widerfährt, eine ganz andere Bedeutung, als zehn Jahre davor. Und in zehn Jahren würde es auch wieder ganz anders aussehen. Vor ein paar Jahren hätte ich auch nicht geglaubt, dass mir heute diese Gedanken durch den Kopf gehen. Ich denke heute definitiv wie ein Vater.“

„Born Free“ ist ein politisches Statement über die Lage in den USA, wie man es so deutlich von euch bisher nicht gewohnt war.

Greg:
„Wenn man älter wird, macht man sich auch mehr Gedanken über die Welt, und was um uns herum vor sich geht. Es gibt viele Leute, die sich nicht darum kümmern, was da draußen passiert, und es oft auch gar nicht wahrhaben wollen, weil die Realität nun mal so hart ist. Aber das ist gerade der Punkt, über den man reden muss. Die Leute müssen sich darüber klar werden, was tatsächlich vor sich geht. Sie werden einfach ausgenutzt, und sie unternehmen nichts dagegen.“

Haben die Ereignisse der letzten Jahre dazu geführt, dass ihr euch mehr Gedanken macht, oder wolltet ihr es bisher nicht in die Band einfließen lassen?

Greg:
„Nun, als ich jünger war, war ich genug mit mir selbst beschäftigt und habe mich tatsächlich nicht um viel mehr gekümmert. Dazu kommt, dass ein Großteil der Medien und alles, was uns dort präsentiert wird, Schwachsinn ist. Also habe ich mich darauf einfach nicht eingelassen. Ich wusste, dass vieles Lügen sind und wollte nichts damit zu tun haben. Mittlerweile will ich etwas dagegen unternehmen, ich will wissen, was tatsächlich passiert. Der 11. September 2001 war tatsächlich ein Ereignis, das viele Menschen in den USA wachgerüttelt und sie dazu gebracht hat, ihre Gedanken auszusprechen. Viele wissen, dass es bei all diesen Auseinandersetzungen in den letzten zwei Jahren eigentlich nur um Geld geht, und dass wir alle mit Schwachsinn gefüttert werden“

Wird es denn jemals ein BOUCING SOULS-Album ohne einen Song über gebrochene Herzen geben?

Greg:
„Haha! Keine Ahnung, aber ich weiß ja noch nicht, worum es auf dem nächsten Album gehen wird. Aber wohl eher nicht ...“