HEIDEROOSJES, DE

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Hi-Duh-Rose-Yes!

Deutschland vs. Niederlande, nicht nur im Fußball ein spannendes Match. Auch punkrocktechnisch gibt es erhebliche Unterschiede und während bei uns DIE ÄRZTE oder DIE TOTEN HOSEN Hallen füllen und dafür im restlichen Europa weitestgehend unbekannt sind, versuchen DE HEIDEROOSJES immer wieder über ihren Tellerrand hinaus zu schauen und spielen sich dabei in allen möglichen Ländern den Arsch ab. Und das sehr erfolgreich, wie die 14-jährige Bandgeschichte beweist, selbst wenn die Kaasköppe bei den Wurstfressern live zu sehen sind. Um mehr über die Holländer zu erfahren, sitze ich spät abends mit einer Kippe im Maul am Hörer mit Marco (Vocals) am anderem Ende ...
Dennoch ist ihm nicht anzumerken, dass er den lieben langen Tag nur Fragen von irgendwelchen Musikjournalisten beantworten musste. Und während ich auf meinem Stuhl rumrutsche und krampfhaft versuche, mein Aufnahmegerät zu starten, frage ich mich, wie die HEIDEROOSJES es immer wieder schaffen, regelmäßig verdammt gute Punkrock-Scheiben raus zu hauen. Kurz darauf legt Marco schon los. „Wir haben beim neuen Album mehr darauf geachtet, verschiedene Stile zu mischen und dabei trotzdem wie HEIDEROOSJES zu klingen. Außerdem haben wir mit unserem Producer Oscar Holleman jemanden, der, obwohl er sonst eher Metal-Platten produziert, genau weiß, was wir für einen Sound brauchen und dabei nicht versucht, uns seinen Stempel aufzudrücken. Eigentlich hassen wir nämlich Produzenten, die mischen sich immer in deine Musik ein und versuchen, ihr eigenes Ding draus zu machen.“

Und dass sich die vier Jungs nicht in ihre Musik reinreden lassen, zeigt sich auch daran, dass sie auf jedem Album hemmungslos niederländische, englische und selbst deutsche Texte verwursten, anstatt vielleicht nur noch englische Songs zu schreiben, mit denen man wohl international noch mehr Erfolg haben könnte. „Wir machen das jetzt seit 14 Jahren, und wir sind immer noch die vier selben Jungs mit demselben Feuer wie zu Beginn. Ich glaube, das macht den Unterschied zu anderen Bands aus, und natürlich macht die Sprache einiges aus, aber das Komische daran ist, dass Leute bei Konzerten außerhalb der Niederlande ‚Play the Dutch songs, play the Dutch songs‘ schreien, und ich dann frage ‚Warum wollt ihr unsere holländischen Songs hören, wenn ihr sie eh nicht versteht?‘ Darauf antworten die Fans dann immer, dass die Songs genau die gleiche Punk-Energie haben wie die Englischen auch. Für mich macht das Sinn. Dass wir in Holland und Belgien damit natürlich mehr Erfolg haben, ist klar, aber wir spielen trotzdem gerne auch in Deutschland vor 20 Leuten in irgendeinem Jugendheim, weil es für uns darum geht, die Menge zu begeistern und zu sehen, wie die Kids abgehen.“

Ich bin etwas verwirrt. Man sollte doch meinen, dass solche Konzerte der Vergangenheit angehören, seit HEIDEROOSJES bei Epitaph ein Zuhause gefunden haben. Oder hat der Deal dem Quartett gar nicht so sehr geholfen? „Epitaph war ein Glücksfall. Sie haben uns damals gesignt, weil wir in den Niederlanden auf großen Festivals aufgetreten sind und im Radio gespielt wurden. Im Rest von Europa hatten wir gar keinen Vertrieb, und wir hatten richtig Probleme, Shows in anderen Ländern zu organisieren, weil die Promoter uns gesagt haben: ‚Hey, ich krieg eure Alben ja nicht mal im Plattenladen, warum soll also ich Konzerte für euch buchen?‘ Und jetzt, mit einem europaweiten Vertrieb im Rücken, können wir auch im Ausland Konzerte geben. Natürlich hätte Epitaph es einfacher mit uns, wenn wir z.B. unseren Namen geändert hätten und nicht darauf bestanden hätten, weiterhin unsere holländischen Songs zu spielen. Aber da ist unser Label wirklich cool, sie respektieren, dass wir unsere Identität beibehalten wollen, und verstehen es, auch wenn wir darauf bestehen, dass unsere Platte nicht mehr als 18 Euro kosten darf, was sich für deutsche Verhältnisse unglaublich teuer anhört, in den Niederlanden aber recht günstig ist, wo eine Platte im Durchschnitt 21 Euro kostet. Du darfst deine Wurzeln nicht vergessen, und du darfst vor allem nie deine Fans vergessen. Verarschst du nämlich deine Fans, bist du im Arsch, weil sie dein nächstes Album nicht mehr kaufen und deine Konzerte nicht mehr besuchen werden.“

Hört sich plausibel an, dennoch hätten HEIDEROOSJES vielleicht auch daran denken sollen, dass die neue Platte mit dem Hinweis ‚Don‘t pay more than 18,50 Euro for this record‘ auch im restlichen Europa verkauft wird, und der Hinweis hierzulande eher befremdlich wirkt. Überhaupt, HEIDEROOSJES und Europa sind ein Thema für sich. Welche andere Punkrockband wäre zum Beispiel imstande, einen Song wie „Euronoise“ zu performen, auf dem man diverse Punkrock-Größen aus verschiedensten Ländern zu hören bekommt? „Wir touren so viel durch Europa und treffen dabei immer verdammt gute Bands, die in ihrem Land zwar einen Namen haben, dafür aber im Rest von Europa keine Sau kennt. Daher wollten wir so was wie einen Eurovisions-Punkrock-Song machen, in dem man vier oder fünf verschiedene Sänger aus allen Teilen Europas in ihrer eigenen Sprache singen hört. Wir haben sogar zwei Deutsche in diesem Song, zum einem Archie von TERRORGRUPPE und Ingo von den DONOTS. Weiterhin singen noch Olly von THE SHANDON aus Italien, Japo von NO WAY OUT aus Spanien und Pierre von den BURNING HEADS aus Frankreich. Eine gute Mischung finde ich.“

Finde ich auch. Während ich mir ein Zigarette anstecke, und Marco noch ein bisschen über Europa labert, geht mir die Frage durch den Kopf, was Punkrocker wie die vier Niederländer so machen würden, wenn sie nicht gerade in einer Band spielen würden. Gibt es überhaupt ein Leben nach der Band, wenn man so intensiv über 14 Jahre hinweg ein gemeinsames Bandleben führt? „Erst einmal wäre ich sicherlich ziemlich deprimiert und würde wohl Bücher lesen oder so was, hehe. Aber natürlich machen wir uns auch Gedanken, was nach den HEIDEROOSJES kommt. Ich z.B. habe Journalismus studiert und würde dann wieder für Tageszeitungen schreiben. Unser Bassist, der einen Studienabschluss in Management hat, würde sicherlich in dieser Richtung weiterarbeiten. Aber im Moment wollen wir solange wie möglich weiterspielen, weil es uns Spaß macht, und es gibt ja wohl nichts Besseres, als für etwas bezahlt zu werden, das einem Spaß macht, oder? Ich muss nicht jeden Tag zur Arbeit gehen und irgendeine Fließbandarbeit machen und kann jeden Morgen aufstehen mit dem Gefühl, dass ich das mache, was ich will.“

Anscheinend habe ich den falschen Beruf gewählt ... Andererseits, angesichts sinkender Verkaufszahlen von Tonträgern im Zuge des MP3-Zeitalters könnten auch HEIDEROOSJES bald wieder arbeiten gehen müssen. „Um eine Band und deren Musik kennen zu lernen, ist das Internet großartig. Aber wenn du eine Band wirklich gut findest, solltest du sie auch unterstützen. Wenn niemand mehr LPs kaufen würde, könnten Labels keine Platten mehr rausbringen. Z.B. unser aktuelles Album, da hat schon die Aufnahme 10.000 Euro gekostet. Ich habe soviel Geld nicht, nur ein Label kann dir das bezahlen, weil sie eben auch Platten verkaufen. Es ist ja auch mehr ein Problem der Majors als der Indie-Labels, die jammern, dass das neue Britney Spears-Album sich nicht verkauft, weil sich die Kids die Songs aus dem Internet ziehen.“

Macht ja auch Sinn, wer braucht schon Linernotes von Britney Spears, hehe. Besser gefragt, wer braucht schon die Musik von Britney Spears? Trotzdem, irgendwo hat Marco schon Recht. Bands, die Support verdienen, sollten ihn auch bekommen. Ob HEIDEROOSJES auch dabei sein werden, ist eigentlich keine Frage. Solange vernünftiger Punkrock dabei herumkommt wie in den letzten 14 Jahre, kann da kaum was schief gehen. Aber jetzt muss ich noch mal wissen, warum vier Holländer darauf kommen, deutsche Texte zu singen. Holländer! Deutsch! Warum? „In den Niederlanden gibt es einige Menschen, die nicht so gut auf die Deutschen zu sprechen sind, z.B. wegen Fußball oder so was. Aber da wir sehr nah an der deutschen Grenze wohnen, und wir immer sehr nette Leute auf unseren Touren durch Deutschland kennen gelernt haben, sehe ich nicht, warum wir nicht auch deutsche Songs spielen sollten. Ich unterscheide nicht so nach Ländern. Für mich gibt es nur zwei Arten von Menschen: Idioten und nette Menschen.“

Randy Flame
Foto: John Klijnen