FACE TOMORROW

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... and never look back

Beinahe hätte ich die verpasst: Uschi kam letztes Jahr begeistert vom Konzert mit FACE TOMORROW, THE BREAK und THAT VERY TIME I SAW zurück, ich packte das 2002er-Album „For Who You Are“ noch mal aus und merkte, dass bei mir die Band aus Rotterdam sträflicherweise wieder in Vergessenheit geraten war. Mit dem neuen Album „The Closer You Get“, auch wieder auf Reflections Records erschienen, wird mir das ganz sicher nicht passieren: FACE TOMORROW haben damit ein wunderbares, druckvolles und doch auch melancholisches, nun, Indierock-Album aufgenommen, das ich zum Anlass nahm, den beiden Gitarristen Aart und Marc ein paar Fragen zu stellen.

Stellt euch vor, ihr seid im Fernsehen, Millionen von Augen ruhen auf euch, und ihr habt eine Minute, um die Band vorzustellen ...

Marc:
„Hi, wir sind FACE TOMORROW ...“
Aart: „... und wir machen ehrliche Musik.“

Euer neues Album hat mich ziemlich begeistert, es ist unglaublich catchy, energisch und hat ein großartige Produktion – wie habt ihr das erreicht?

Marc:
„Danke, ich glaube wir haben von und seit unserem Debüt Album ‚For Who You Are‘ viel gelernt. Wir haben unseren eigenen Sound entwickelt, sind bessere Musiker geworden, und wir haben gelernt, besser in einer Studioumgebung zu arbeiten. Eine andere Sache, die wir von den Aufnahmen zu unserem ersten Album gelernt haben, war, dass man nicht fünf Kapitäne auf einem Schiff haben kann. Jeder von uns hat seine eigenen Meinungen darüber, wie die Platte klingen soll, und wie die einzelnen Instrumente klingen sollen. Und wenn man anfängt, Zugeständnisse hinsichtlich der Ideen der anderen zu machen, wird das Ergebnis niemals so gut, wie die ursprüngliche Idee. Also haben wir uns entschieden, dass wir nicht von all diesen verschiedenen Ideen aus arbeiten wollen, sondern mit einer guten Idee anfangen und jemanden finden, der uns da durch leiten könnte. Deshalb haben wir Axel von THIS BEAUTIFUL MESS gebeten, uns bei den Aufnahmen zu helfen, und er hat großartige Arbeit geliefert.“
Reflections ist ein Label, das für ziemlichen aggressiven Hardcore bekannt ist, aber FACE TOMORROW sind da irgendwie die berühmte Ausnahme. Wo seht ihr euch selbst musikalisch?

Marc: „Ich glaube, Reflections begann als Label, das seinen Fokus auf
Oldschool-Hardcore legen wollte, aber seit unserem Debüt haben sie auch andere Sachen veröffentlicht, von Metal wie The Red Chord über Post-Hardcore wie CIRCLE bis hin zum Screamo der DAUGHTERS. Sie sind nur ziemlich gut im, wie soll ich sagen, Aussuchen von ‚underground alternative loud music bands‘, und wir sind stolz darauf, dass wir ein Teil davon sind.“
Aart: „Ich sehe keine großen Unterschied zwischen uns und den anderen Bands des Labels. Wir haben alle denselben Background, und haben alle dieselbe Ansicht über die Musikindustrie, wir haben uns nur in verschiedene Richtungen entwickelt. THE RED CHORD haben zum Beispiel auch einen Hardcore-Background, sie haben nur einen anderen Weg eingeschlagen, aber es gibt einen gemeinsamen Background.“

Wenn ich euer neues Album höre, kommen mir zwei Bands in den Sinn: PROMISE RING und SHUDDER TO THINK. Eure Kommentare zu diesen Bands?

Marc:
„Sorry, ich habe noch nie Musik von beiden Bands gehört, um ehrlich zu sein, also kann ich auch wirklich nichts über sie sagen.“
Aart: „Ich mag beide Bands sehr, aber um ehrlich zu sein, sehe ich den Vergleich nicht. Vielleicht bei SHUDDER TO THINK, aber ich finde, wir unterscheiden uns sehr.“

Auch wenn die Niederlande sehr nahe liegen, weiß man hier in Deutschland sehr wenig über eure Szene. Erzählt mal, gibt es bei euch mehr als Macho-Core und christlichen Hardcore? Und Rotterdam nicht zu vergessen, die
Heimat von Gabber Techno ...

Marc:
„Haha, wenn das so ist, ist es wohl an der Zeit, dass die Leute ihr Bild von der Szene mal ein wenig erneuern. Macho-Core, christlicher Hardcore oder Gabber? Hehe, nicht wirklich. Aber um ehrlich zu sein, ich denke, dass es in Holland eine Menge durchschnittlicher Bands gibt, und nur ein paar, die wirklich hervorragen. Bands wie THIS BEAUTIFUL MESS, TEXTURES, RAZOR CRUSADE oder MALKOVICH, BORN FROM PAIN sind einige Bands mit mehr Talent und Hingabe als der Rest, und du kannst sie überall spielen sehen.“
Aart: „Yeah, RAZOR CRUSADE und MALKOVICH, zwei Bands, von denen jetzt auch Platten auf Reflections veröffentlicht werden, und beide haben einen Sound, der für sich selber steht, sie bringen etwas Neues in die Hardcoreszene ein, so check them out!“

Habt ihr irgendwelche Ideen, wo diese Band euch noch hinbringen wird?

Marc:
„Nein, und ich bin froh, dass ich das sagen kann. Natürlich haben wir Pläne, wir haben Hoffnungen und wir haben Träume. Aber am Ende wollen wir nur jede Nacht für eine Stunde auf der Bühne stehen und unser Ding machen. Und es interessiert mich nicht, was oder wo das ist.“
Aart: „Nein, ich habe keine Ahnung, und es interessiert mich auch nicht. Ich will nur alles nutzen, was sich mir bietet, ich gebe alles, was ich habe, und dann gucken wir mal, wo es uns hinführt.“

Was war die beste Erfahrung, die ihr mit dieser Band hattet?

Marc:
„Es ist genau das, was man auch über die Army sagt: Man sieht neue Orte, trifft neue Leute, und muss sie glücklicherweise nicht erschießen. Aber es gibt so viele Dinge in der Band, die mich zufrieden stellen, dass es schwer fällt, nur eins zu nennen. Allein die Tatsache, dass wir Musik machen, und die Möglichkeit, alles was wir im Sinn haben, in diese Musik einzubringen, ist fantastisch. Aber ich habe auch soviel darüber gelernt, in einer Band zu sein, über Menschen und besonders über mich selber, was ich ansonsten niemals gesehen hätte. FACE TOMORROW haben mir gezeigt, was ich mit meinem Leben machen will und was nicht, und dass sind wertvolle Lektionen.“
Aart: „Muss ich eine nennen? Wir wachsen immer noch, und jeder Tag bringt neue positive Dinge, besonders mit der neuen Platte – es passieren so viele Dinge, die alle positiv sind. Es ist schwer, nur eins zu nennen, es gibt so viele großartige Tour- und Showerfahrungen, die mich mit einem großen Lächeln zurückblicken lassen.“

Wie würdet ihr eure „Mission“ beschreiben?

Marc:
„Unsere erste und wichtigste Mission oder Ziel ist, einfach die Musik zu machen, die wir mögen, die wir fühlen, die aus uns rauskommt. Vielleicht ist das die Mission von jeder Band. Ich hoffe nur, dass wir einigen Leuten auf unserem Weg zeigen können, dass wir auch nur fünf Kerle sind, die nichts zu verlieren haben, dass jeder eine Band gründen kann, und dass Musik etwas unglaubliches ist, solange sie ehrlich ist und Integrität besitzt.“

Ich habe gelesen, dass keiner von euch einen Führerschein hat – wie kommt das? Wie geht ihr auf Tour, auf Fahrrädern, mit kleinen Anhängern mit euren Sachen hintendran? Entschuldigt dieses billige Holland-Klischee ...

Marc:
„Hör mal, Junge, wenn du mit Klischees anfangen willst: Nein, nicht auf Fahrrädern, DENN IHR HABT ALLE GESTOHLEN!“
Aart: „Es ist schweineteuer, den Führerschein zu machen, und wir sind alle arme Musiker. Und wenn man auf Tour ist, ist es auch sehr viel gesünder, wenn andere Leute für einen fahren, so kann man sich nach der Show ein bisschen ausruhen. Zum Glück haben wir viele gute Freunde, die bereit sind, uns zu helfen und herumzufahren.“

Was sind eure Pläne für 2004 – persönliche und mit der Band?

Marc:
„Die neue Platte kommt am 11. Mai raus, und wir wollen sie so gut wie möglich promoten, indem wir soviel wie möglich spielen. Momentan haben wir eine ganze Reihe Shows auf Festivals in den Niederlanden, Deutschland und Belgien anstehen, wir werden auch noch eine Deutschlandtour im September machen, und hoffentlich können wir noch viele Termine hinzufügen.“
Aart: „Ich habe dieses Jahr keine Zeit für persönliche Pläne. Wir werden soviel spielen, wie wir können, und soviel touren, wie wir können. Hoffentlich schreiben wir ein paar neue Songs. Um ehrlich zu sein, würde ich gerne noch ein paar mehr Bands produzieren, aber nur, wenn ich die Zeit habe und die richtigen Bands finde.“