Herschell Gordon Lewis

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The King Of Gore & The Duke Of Direct Mail

Man ist in Deutschland schon seit Jahren jede Menge Nonsens im Kontext einer hysterisch geführten Jugendschutzdebatte gewohnt, dessen verlängerter Arm in der Regel Staatsanwälte und Gerichte sind, die scheinbar nichts besseres zu tun haben, als irgendwelchen banalen Splatterfilmchen oder Videospielen hinterher zu rennen. Die vermuteten Schwierigkeiten bei Jugendlichen, Realität und Fiktion auseinander zu halten, scheinen eher ein Problem dieser sauberen Herrschaften zu sein, die medialem Schmutz und Schund seit Mitte der 80er vehement den Kampf angesagt haben. Ein in Schildbürger-Nähe anzusiedelnder Coup gelang Anfang des Jahres dem Amtsgericht Karlsruhe, das Herschell Gordon Lewis’ 1963 entstandenen Film „Blood Feast“ – das war vor sage und schreibe 41 Jahren –, der als erster Splatterfilm der Filmgeschichte weltweit Kultstatus besitzt, wegen Verstoßes gegen den Paragraphen 131 des Strafgesetzbuches bundesweit beschlagnahmte. Wenn das nicht so traurig wäre, müsste man an sich lauthals darüber lachen. Vor allem stellt sich dabei die Frage, ob das jetzt einfach nur ein weiteres Beispiel für die Idiotie und Ignoranz der deutschen Justiz ist, oder ein verspäteter Beweis für die besondere Ausnahmestellung von Lewis’ kruder Billigfilm-Schlachtplatte? Der Meister selbst, der sich Anfang der 70er aus dem Filmgeschäft zurückgezogen hatte und seitdem seine Brötchen als anerkannter Marketing-Guru verdient – vor zwei Jahren nahm er dann für „Blood Feast 2: All U Can Eat“ erneut im Regiestuhl Platz –, zeigte sich in einer schriftlicher Stellungnahme sichtlich verwirrt: „I am distressed to learn that a court in Karlsruhe has banned ‚Blood Feast‘ some forty years after the film‘s release. This intrusion into the ability of individuals to decide what they choose to watch is unacceptable in any civilised society. It is especially nonsensical to impose such a restriction so many years after the film has been seen and enjoyed by tens of thousands of individuals.“ „Blood Feast“ war der erste einer Reihe von Filmen, die Lewis zusammen mit David Friedman produzierte, und die man schwerlich als künstlerisch wertvoll bezeichnen kann, aber die das erste Mal „Blood & Guts“ exzessiv einem Kinopublikum präsentierten, ganz in der Tradition des Grand Guignol-Theaters in Paris. Zuerst hatte man sich – noch vor Russ Meyer – an so genannten „Nudie Cutie“-Filmen versucht, aber erst mit ihrer „Blood Trilogy“ („Blood Feast“, „2000 Maniacs“, „Color Me Blood Red“) konnte das Team Lewis/Friedman die Welt des Exploitation-Films nachhaltig verändern, ebenso wie später den Mainstream, auch wenn Lewis für viele Leute vielleicht nur „The Worst Director of All Time“ sein mag. Aber man sieht den knapp 40, mit möglichst geringem Budget entstandenen Filmen, an denen Lewis beteiligt war, auch nicht wirklich an, dass der Mann eigentlich zuerst Englischprofessor war, bevor er nach einer Zwischenstation beim Radio und Fernsehen zum „Godfather of Gore“ wurde. Sein späteres Gespür für gutes Marketing zeigte sich schon in seiner Zeit als Regisseur, als es ihm durch geschicktes Product Placement in einer Szene von „The Gruesome Twosome“ (1967) gelang, für die gesamte Crew eine Woche lang freies Essen bei Kentucky Fried Chicken auszuhandeln. Und im selben Jahr tauchte dann der Gründer von Kentucky Fried Chicken, Colonel Sanders, höchstpersönlich in „Blast-Off Girls“ auf. Jedenfalls erfreut sich der 78-jährige Lewis nach wie vor bester Laune und Gesundheit und hatte Zeit, mir vor seinem morgendlichen Tennismatch in Fort Lauderdale, Florida am Telefon ein paar Fragen zu beantworten.

Herschell, diese späte Beschlagnahmung von „Blood Feast“ hierzulande war ja sehr überraschend. Würdest du sagen, dass das einfach nur ein Ausdruck von Idiotie ist oder ein Beweis dafür, wie subversiv „Blood Feast“ scheinbar nach wie vor zu sein scheint?


„Haha, ich würde sagen, die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. ‚Blood Feast‘ ist, das ist dir ja auch bewusst, ein sehr primitiver Film. Sicher, es war der erste Film seiner Art, aber das zu sagen, hat eine ähnliche Bedeutung, wie zu sagen, dass das erste Flugzeug nur 100 Meter flog. Jetzt haben wir die Boing 777, sollte das erste Flugzeug deshalb ignoriert werden? Nein, es sollte nicht ignoriert werden, genauso wenig wie es deswegen gegeißelt oder unterdrückt werden sollte. Denn was vor 40 Jahren passiert ist, ist eine historische Tatsache und dass solche Filme existieren, richtet in unserer momentanen Gesellschaft keinen Schaden an.“

In diese Diskussion passt natürlich auch ein Film wie „The Passion Of Christ“, der aufgrund des Themas nur wesentlich unangreifbarer ist.

„Und ‚Passion‘ geht weit über das hinaus, was ich hinsichtlich der Zerstörung des menschlichen Körpers jemals in meinen Filmen gezeigt habe. ‚Blood Feast‘ hatte zumindest noch Sinn für Humor. Ich kann mir schwer vorstellen, dass jemand, der sich ‚Blood Feast‘ anschaut, nicht dabei lachen muss. Aber offensichtlich können die Leute, die den Film aus dem Verkehr gezogen haben, nicht darüber lachen. Sie scheinen keinerlei Sinn für Humor zu besitzen.“

Hat denn das Publikum in den 60ern den makaberen Humor dieser Filme verstanden?

„Das hing immer davon ab, wer sich den Film angesehen hat. Vor ungefähr zwei Jahren war ich auf einem Filmfestival eingeladen, wo sie ‚The Gore-Gore Girls‘ zeigten – ein Film, der in jeder Hinsicht übers Ziel hinausgeschossen ist. Ich hatte schon davor das Gefühl – das sich später bestätigte –, dass das mein letzter Film sein könnte, zumindest für eine ganze Weile. Also packte ich ihn voll mit wilden und völlig absurden Episoden. Jedenfalls war ich bei dem Festival der einzige im Publikum, der älter als 40 war, und alle bogen sich vor Lachen. Als ich ‚The Gore-Gore Girls‘ damals das erste Mal aufführte, war das Publikum gespalten. Leute über 40 waren völlig entsetzt – wie konnte man wagen, so was zu drehen. Leute, die jünger waren, hielten es für eine Komödie. Es hängt immer von deinem persönlichen Hintergrund ab, wie man auf so eine Art von Reiz reagiert. Ich erinnere mich noch, wie ich als Kind die alte ‚Dracula‘-Verfilmung mit Bela Lugosi sah, ich konnte einige Nächte hintereinander nur mit Licht schlafen. Wenn man das heute einem 6-jährigen zeigt, wird sich dieses Kind zu Tode langweilen. Was ist los, wo ist die Action? Es ist, als ob man bei einem Autorennen von heute einen Wagen von 1930 fährt.“

Ist das nicht sowieso alles eher eine Geschmacksfrage?

„Gerade wenn es eine Geschmacksfrage ist, haben sie keine Berechtigung dazu. Der persönliche Geschmack eines bestimmten Menschen besitzt genau dieselbe Berechtigung wie der eines anderen. Und zu versuchen, mir deinen Geschmack aufzudrängen, ist meiner Meinung nach eine totale Verletzung meiner Persönlichkeitsrechte. Jeder muss das Recht haben, zu sagen: Mir gefällt das nicht und ich schaue es mir nicht an. Das gilt für ‚Blood Feast‘, ebenso wie für ‚The Passion Of Christ‘ und ‚Kill Bill‘, es gilt für jeden Film, jede Oper, jedes Buch. Das ist eine individuelle Entscheidung. Und schon bei ‚Blood Feast‘ haben wir Eltern gesagt, lasst eure Kinder den Film nicht anschauen, weil mir schon damals klar war, dass viele Leute nicht verstehen würden, dass wir einfach nur unseren Spaß haben wollten. Das Publikum heute ist wesentlich gebildeter als in den 60ern und war schon so ziemlich allem ausgesetzt. In den Abendnachrichten sieht man schreckliche Bilder aus dem Irak und Afghanistan, und auch das geht weit über das in ‚Blood Feast‘ gezeigte hinaus – und dieser Horror ist real. Bei ‚Blood Feast‘ weiß jeder, dass wir Schaufensterpuppen benutzt haben. Es gibt nichts, was einem den Eindruck von Realität vorgaukeln würde, es ist reine Phantasie. Und Phantasie ist ein ganz eigenes Universum, das sich in friedlicher Koexistenz mit dem realen Universum befindet. Es ist eine Fiktion, ein Schauspieler macht das, und egal ob er Opfer oder Täter ist, er überlebt, damit er noch einen weiteren Film machen kann. Es ist ja eine allgemein bekannte Tatsache, dass ‚Blood Feast‘ in vielen Filmographien als einer der bahnbrechenden Horrorfilme dieser Art gelistet wird. Aber das ist nicht der Punkt, sie haben einfach zu lange gewartet. Wenn eine Skulptur 40 Jahre lang in einem Park steht und plötzlich sagt jemand, dass diese Skulptur da nicht stehen darf, muss man sich fragen, wo diese Leute all die Jahre waren. Das entzieht sich jeder nachvollziehbaren Logik, und es wird sicher nicht nur mir so gehen. Aber wie du sicher weißt, gehören mir die Rechte an diesen Filmen nicht mehr. Insofern betrachte ich das Ganze mehr aus einem väterlichen Blickwinkel, ich bin zwar der Vater dieser Filme, aber sie haben mein Haus schon vor langer Zeit verlassen, haha.“

Hast du denn einige deiner Filme in den letzten Jahren mal wieder angeschaut?

„Ja, in letzter Zeit habe ich ‚Blood Feast‘ gesehen, ‚2000 Maniacs‘ und ‚The Wizard Of Gore‘ – letzteren sehr zu meinem Entsetzen, wie ich sagen muss, haha, denn mit diesem Film hatten wir in technischer Hinsicht viele Probleme. Diese Filme sind nicht verschwunden, aber ich sage jetzt nicht, heute Abend schaue ich diesen oder jenen an, denn ich habe sie über die Jahre so oft gesehen. Ich werde auch immer wieder zu Filmfestivals eingeladen, wo man überwiegend ‚2000 Maniacs‘ zeigt. Der Grund dafür ist, dass es ein wesentlich professionellerer Film ist. Mit ‚Blood Feast‘ haben wir es damals einfach drauf ankommen lassen und waren gar nicht sicher, ob ihn überhaupt jemand zeigen würde. Obwohl er aufs wesentlichste reduziert war, bewies sein finanzieller Erfolg, dass die Filmindustrie für diese Art von Filmen bereit war. Und ich habe diese Filme soweit ausgepresst, bis die großen Filmstudios sagten: Moment mal, wie lange geht das schon so? Was zur Folge hatte, dass sie anfingen, mir Konkurrenz zu machen, wo ich natürlich nicht mithalten konnte.“

In den 60ern war die Filmindustrie ja noch ganz anders strukturiert, inwiefern lässt sich dazu etwas sagen?

„Das ist der Grund, warum ich ‚Blood Feast‘ überhaupt gemacht habe. Zu dieser Zeit hatten wir weder Video noch DVD und auch kein Kabel- oder Satelliten-Fernsehen. Filme machten also im Kino Geld oder überhaupt nicht. Die Frage, die sich jedem Independent-Regisseur und Produzenten stellte, war, welche Art von Film die großen Studios nicht machen konnten oder wollten. Das war das zugrunde liegende Prinzip bei ‚Blood Feast‘. Niemand hatte zuvor einen Film gemacht, wo Leute mit geöffneten Augen starben, und in ‚Blood Feast‘ war es das erste Mal zu sehen. War das in künstlerischer Hinsicht ein Durchbruch? Ganz sicher nicht. Aber bei uns kamen die Leute nicht aus dem Kino und sagten, wie billig der Film war und dass gar keine Stars mitspielten, sondern etwas wie: ‚Hast du gesehen, wie er dem Mädchen die Zunge herausgerissen hat?!‘ Diese Kommentare leisteten einen Beitrag, dass jemand anders am nächsten Abend auch ins Kino ging. Das war die Basis für Erfolg zu dieser Zeit im Filmgeschäft. Inzwischen umgehen viele Filme das Kino, sie sind digital gedreht, was wesentlich billiger und einfacher ist. Sie werden direkt auf Video oder DVD veröffentlicht, wodurch das Kino sekundär wird, was im Fall von ‚Blood Feast‘ noch ganz anders war. Ich musste mit MGM, Paramount, Columbia, Universal und 20th Century Fox um einen Platz in den Kinos konkurrieren. Und ich hatte eine ganze Zeit bestimmte Bereiche der Filmindustrie mit meinen Gore-Filmen für mich allein.“

War es denn so offensichtlich, dass man mit viel Blut die Leute ins Kino locken konnte?

„Nein, deshalb haben wir so wenig Geld wie möglich in den Film gesteckt. Wir waren nicht sicher, ob jemand diesen Film zeigen würde – höchstens an Halloween in der Mitternachtsvorstellung. Ich hatte keine Ahnung, dass das mal der Mainstream würde, ich war ein Außenseiter. Ich war auch nicht in Hollywood, sondern operierte von Chicago aus. Wir drehten ‚Blood Feast‘ in Florida und niemand hatte je von uns gehört – wir mussten auf unsere Fähigkeiten vertrauen. Die ganze Kampagne musste überraschend sein, im Trailer hieß es deshalb nicht ‚coming attraction‘ sondern ‚coming atrocity‘, haha. Es musste einige Szenen im Film geben, wo die Leute hinterher sagten: ‚Oh mein Gott, wie können sie so was in einem Film zeigen?!‘ Und es musste etwas sein, was keiner Zensur unterlag. Das war in einer Zeit, bevor es den Rating-Code der MPAA gab. Es gab einige Vorgaben bezüglich Obszönitäten, und deshalb gab es kein einziges obszönes Wort in ‚Blood Feast‘. Und es gibt auch keine Nacktszenen darin. Aber es gab keine Vorgaben, was den Blutgehalt anging, weil niemand so was in der Art vorher gemacht hatte. ‚Blood Feast‘ war der Grund dafür, dass solche Regeln erst aufgestellt wurden, damit so was nicht mehr gezeigt werden konnte. Wir konnten deshalb ‚Blood Feast‘ danach an bestimmten Orten nicht mehr aufführen. Aber das ist lange her, und heute sollte man ‚Blood Feast‘ aufgrund seines Alters überall zeigen können, denn vor allem die Entfernung der Eingeweide und die in diesem Kontext gezeigte Realität ist so weit entfernt von den Möglichkeiten heutiger Technologie. Aber etwas anderes war aufgrund der von uns damals verwendeten Materialien auch gar nicht möglich ...“

Das klingt fast so, als ob man zu dieser Zeit eine gewisse Narrenfreiheit besaß, wenn man bestimmte Spielregeln beachtete.

„Natürlich haben wir auch Probleme bekommen. Als wir den nächsten Film rausbrachten, ‚2000 Maniacs‘, haben sie schon auf uns gewartet. ‚Blood Feast‘ hat den Boden dafür bereitet und es gab eine Reaktion darauf, aber es musste natürlich zuerst etwas geben, worauf man reagieren konnte. ‚Blood Feast‘ zog viele Restriktionen nach sich, z.B. lehnten bestimmte Zeitungen danach unsere Anzeigen ab. Wir mussten uns alternative Titel überlegen, denn eine Zeitung nahm keine Anzeigen für Filme mehr an, die ‚Blood‘ im Titel hatten. Als 1967 ein wirklich sehr guter Film namens ‚In Cold Blood‘ herauskam, basierend auf dem Buch von Truman Capote, war es, als wenn ein Delphin in einem Tunfisch-Netz hängen geblieben wäre, haha. Sie hatten wegen ‚Blood Feast‘ ein echtes Problem.“

Ich finde im Kontext deiner Filme den Begriff „Sleaze merchant“ recht passend, denn es war im Exploitation-Bereich aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen scheinbar wichtiger, ein guter Geschäftsmann als ein guter Regisseur zu sein.

„Absolut, man musste der Arzt, die Schwester und der Patient sein. Eigentlich darf man keinem erzählen, wie wenig ‚Blood Feast‘ gekostet hat. Wir hatten gar kein richtiges Skript. Ich war Regisseur und Kameramann und mein Partner David Friedmann war Produzent und Tontechniker. Dann hatten wir noch ein paar Leute, die uns mit dem Licht und den Kabeln halfen. Eine Gruppe von Nobodys. Aber so kamen wir an unser Ziel. Ich hatte eine Mitchell-Kamera, und die garantierte mir, egal was auf dem Film drauf war, dass das Bild nicht ruckeln würde oder unscharf wäre, denn das war meine größte Sorge. Was man selten auf unserem Film-Set hörte, war ‚Take 2‘, haha. Wir nahmen nach Möglichkeit die erste Aufnahme und kauften so wenig Film wie möglich, denn Filmmaterial und die Entwicklung und Erstellung einer Kopie waren sehr teuer. Es gab wohl kaum eine primitivere ‚von der Hand in den Mund‘-Mentalität bei einem fürs Kino produzierten Film, aber es funktionierte. Aber man musste sehr professionell sein, denn es gibt keine Entschuldigung für stümperhaftes Marketing. Es war schon immer meine Meinung, dass jeder mit einer Kamera umgehen kann, aber die Leute dann dazu zu bringen, sich das auch anzuschauen, erfordert einen gewissen Geschäftssinn. Insofern beleidigt mich dieser Begriff auch ein wenig, denn ich halte eigentlich nichts, was andere Menschen unterhält, für ‚Schmutz‘. Wenn wir zehnmal mehr Geld für ‚Blood Feast‘ gehabt hätten, wäre es sicher auch ein besserer Film geworden. Hätte er dann auch zehnmal mehr Geld eingespielt? Nein! Ich meine, wenn du jemand auf der Straße siehst, der einen billigen Anzug trägt, macht ihn das zu einem schlechteren Menschen als jemand, der Brioni-Anzüge trägt? Heute trage ich Anzüge von Brioni, früher habe ich billige Anzüge getragen. Wenn man lange genug lebt, bekommt alles seine Legitimation. Ich habe mich von einem Outlaw im Filmgeschäft zu einer Art Legende entwickelt.“

Du hast ja sogar die Hintergrundmusik für einige deiner Filme gemacht, war das auch eine ökonomische Entscheidung?

„Ja, denn die Musik für einen Film machen zu lassen, wäre noch mal genauso teuer gewesen wie der komplette Film. Das war Irrsinn. Ich hatte etwas Hintergrundwissen über Musik und nahm ein Buch von Leroy Anderson über Orchestrierung zu Hilfe. Ich schrieb Note für Note die Musik für den Film. Das hatte nichts mit einem übersteigerten Ego zu tun, ich wollte nur nicht extra jemanden dafür bezahlen. Ich habe auch den Titelsong zu ‚2000 Maniacs‘ geschrieben, aber es war nicht geplant, dass meine Stimme dabei auftauchte. Aber als damals die Band kam, um ihn aufzunehmen, stellte sich heraus, dass der Sänger eine so hohe Stimme hatte, dass man ihn für einen Sopran hätte halten können. Also habe ich es selber gemacht. Später hat der Song dann ein Eigenleben entwickelt.“

Du hast die Titelsongs von „2000 Maniacs“ und „Moonshine Mountain“ ja gerade mit den PINK HOLES, einer alten Band aus Cleveland, neu aufgenommen. Wie kam das zustande?

„Das war eine echte Überraschung für mich, wie diese beiden Welten kollidierten. Ich war wegen eines Seminars in Cleveland. Und Frank Mauceri, der das Label Smog Veil betreibt, hatte wohl mitbekommen, dass ich dort ein Marketing-Seminar abhalten würde. Er kontaktierte mich und fragte mich, ob ich Lust hätte, die beiden Songs neu aufzunehmen, was wir dann taten – das hat mir wirklich gefallen. Und es hat mir erneut gezeigt, dass das, was ich früher gemacht habe, nach wie vor lebendig ist. Lange Zeit existierten diese beiden Karrieren völlig unabhängig von einander, bis das Internet mich entlarvte. Wenn ich früher irgendwo ein Marketing-Seminar gab und jemand zu mir kam und meinte, es würde da einen Verrückten geben, der irgendwelche kranken Filme machte und denselben Namen wie ich hätte, konnte ich immer sagen: Was, wirklich, den verklag ich! Haha! Aber wie du an meiner Website sehen kannst, versuche ich nicht mehr, das zu vertuschen.“

Vor zwei Jahren hast du bei „Blood Feast 2“ wieder im Regiestuhl gesessen, allerdings bezweifle ich, dass dieser Film jemals den Status deiner früheren Filme erreichen wird.

„Sicher nicht, aber ich war bei ‚Blood Feast 2‘ ja nur ein Auftrags-Regisseur und habe auch das Drehbuch nicht geschrieben. Aber das habe ich gerne in Kauf genommen, da ich erfreut war, wieder einen Film drehen zu können. Aber ‚Blood Feast 2‘ ist nicht wirklich mein Film. Ich habe eigentlich kein Problem damit, denn mittlerweile ist das die übliche Prozedur, alles bekommt eine ‚2‘ angehängt. Hätte ich die Wahl gehabt, hätte ich einen ganz anderen Film gedreht. Es hatten auch Gespräche wegen eines Films namens ‚Grim Fairy Tales‘ stattgefunden, der allerdings von den Produzenten in ‚Uh-Oh‘ umgetitelt wurde. Vielleicht kommt er zustande, aber du kennst ja das Filmgeschäft, Gespräche sind immer einfach, aber eigentlich zählt das alles nicht, bis jemand am ersten Drehtag sagt: ‚Ton ab!‘ Vorher ist es nur Gerede, damit ein paar Leute in Variety ihren Namen lesen können. Ich liebe es, Filme zu machen, aber auch wenn ich keinen Film mehr machen sollte, kann ich trotzdem zufrieden weiterleben.“