PIPEDOWN

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These Arms Are Thoughts

PIPEDOWN aus Sacramento, CA ist eine der Bands, die mich seit langem wieder wirklich begeistern konnte. „Mental Weaponary“, das zweite Album der Band, das im Oktober 2003 erschien, bringt Punkrock, Old- und teilweise auch Newschool Hardcore zusammen, ohne dabei aufgesetzt oder auch nur ansatzweise langweilig zu klingen. Im Gegenteil, PIPEDOWN haben Feuer im Hintern und erinnern musikalisch grob an frühe AFI meets NERVE AGENTS. Auch textlich haben die fünf Kalifornier es in sich: „Mental Weaponary“ thematisiert den Einsatz von Geist und Bildung, um gesellschaftlich wie politisch eine Veränderung zu bewirken. Kurzum, sehr gute Texte treffen auf einen messerscharfen Sound, der live wie auf Platte großartig ist. ANTI-FLAG, auf deren Label A-F Records auch „Mental Weaponary“ erschien, nahmen PIPEDOWN im Februar/März mit nach Europa, und so saß ich kurz vor dem allerersten PIPEDOWN-Konzert in der alten Welt Sänger Ean im Backstageraum der Hamburger Fabrik gegenüber.

"Mental Weaponary“ ist ein Konzeptalbum, mit der Grundidee, den eigenen Geist und eigenes Wissen als Mittel zum Zweck einer Veränderung einzusetzen. Kannst du das mal erläutern?


„In meinen Songs versuche ich auszudrücken, dass es mir sehr wichtig ist, wenn sich Menschen für eine politische Veränderung einsetzen, auf die Straße gehen und ihre Meinung sagen. Wenn ich mir die Texte auf unserem Debütalbum ‚Enemies Of Progress‘ durchlese, finde ich, dass die Texte dieses Anliegen nicht klar rüberbringen. Die Texte sind zu zweideutig und kommen nicht auf den Punkt. Es ist eben unser Debüt, wir waren uns noch nicht ganz sicher, wie wir das machen sollen. Als wir an ‚Mental Weaponary‘ rangingen, wollten wir Songs schreiben, die das Thema Revolution realistisch behandeln. Was ich in diesem Fall mit realistisch meine, ist, dass man Menschen nachhaltig und fundiert Fakten aufzeigt und sie dazu bringt, sich näher über Dinge zu informieren. Anders gesagt, Menschen dazu aufruft, sich zu bilden. Wenn mehr Menschen ihr Wissen als Waffe einsetzen, um eine Veränderung hervorzurufen, sind wir einer besseren Gesellschaft ein Stück näher, da dann eine Basis geschaffen ist, auf der eine politische Veränderung nachhaltig und langfristig existieren kann. Wir wollten für ‚Mental Weaponary‘ Texte schreiben, die für viele Leute verständlich sind und den Leuten zeigen, dass, wenn wir Wissen als Waffe benutzen, Wissen eine effektivere Waffe ist, als wenn wir die Faust benutzen.“

Ist dir der Einsatz von Gewalt als Mittel zum Zweck einer politischen
Veränderung ganz und gar zuwider?


„Nein, auf keinen Fall. Ich bin definitiv dafür, immer zu versuchen, Gewalt außen vor zu lassen und Konflikte verbal zu lösen. Es können aber nicht alle Angelegenheiten durch Gespräche gelöst werden. Kommt es zu einer solchen Situation, ist Aktion gefragt, und somit ist Gewalt gegen Dinge legitim. Ich bin der Meinung, dass ein begrenzter Einsatz von Gewalt vertretbar ist, wenn eine positive Veränderung für viele Menschen daraus folgt.“

Wie denkst du, sieht der Weg zu einer langfristigen gesellschaftlichen Veränderung aus?

„Ich denke, dass man einzelne Schritte machen muss, um am Ende bei einem sinnvollen Ziel anzukommen. Zum Beispiel, wenn du beginnst, dich zu bilden, ist das ein kleiner Schritt, den du aber immer weiter ausbauen kannst, indem du dir durch die Informationen, die du erhältst, Meinungen bildest und vielleicht in einem nächsten Schritt auf die Straße gehst. Wenn das mehrere Leute machen, sind es mehrere Schritte in die richtige Richtung und somit der Beginn einer Veränderung. Deswegen schätze ich jeden Schritt in die richtige Richtung, auch wenn nicht jeder Schritt sofort zu einem Idealzustand in der Gesellschaft führt.“

Ist es dir wichtig, Leute außerhalb der Punkszene mit deinen Texten anzusprechen?

„Ja, das ist es. Denn ein Durchschnittsbürger versteht nicht unbedingt, warum jemand gegen ein System ist und warum es Sinn macht, z.B. gegen einen G8-Gipfel zu demonstrieren. Um jedem Bürger verständlich zu machen, warum es wichtig ist, gegen einige Systeme und Strukturen zu sein, muss Bildung als Mittel eingesetzt werden und genau das versuche ich mit meinen Texten zu vermitteln. Denn ist ein Verständnis geschaffen, ist das Fundament für Veränderung in der Gesellschaft gelegt.“

Wie schätzt du die Lage der amerikanischen Gesellschaft im Moment ein?

„Die amerikanische Gesellschaft ist in zwei Lager gespalten. Die eine Seite sieht, dass Bush Verbrechen begeht und ist sich bewusst, dass Bush im November abgewählt werden muss. Die andere Seite steht hinter Bush und vertritt den Standpunkt, dass Amerikaner enger zusammenrücken, noch patriotischer und noch nationalistischer sein müssen. Bush setzt Angst geschickt ein. Dadurch, dass Teile der Gesellschaft in Angst versetzt werden, hat Bush Handlungsfreiheit, da ein großes Kontra fehlt, das nicht zustande kommt, weil Leute Angst haben, als unpatriotisch oder als Terrorist zu gelten. Gerade diese verängstigten Menschen müssen wir als Szene aber erreichen, um ihnen die Wahrheit über George W. Bush und seine Regierung aufzuzeigen. Würde dies gelingen, wäre er mit Sicherheit im November nicht mehr im Amt.“

Beim Stichwort Präsidentenwahl nehme ich mal an, dass du auf punkvoter.com vertraust.

„Klar, da liegst du richtig. Die Seite finde ich richtig gut. Wir verkaufen viel vom punkvoter.com-Merchandise auf unseren Shows in den USA und versuchen, die Seite so gut es geht zu unterstützen. Ich finde es sehr gut, dass die Seite ein politisches Bewusstsein in der Punkszene fördert. Denn die Art und Weise, wie die Texte auf der Seite verfasst sind, ist gut und teilweise sehr witzig, man muss folglich kein Politik-Spezialist sein, um die Grundaussage von Punkvoter zu verstehen.“

Viele amerikanische Bands wie etwa BOYSETSFIRE sehen sich trotz Anti-Bush-Aussagen und Songs selber als patriotische Bands, aber nicht im üblichen Sinne. Gilt das auch für PIPEDOWN?

„Ja, das würde ich so sagen. Zweifelsohne liebe ich mein Land für viele Dinge. In Amerika hast du Möglichkeiten und Freiheiten, die du in anderen Ländern nicht hast. Was man aber nicht vergessen darf, ist, dass die Notwendigkeit einer Veränderung in vielerlei Hinsicht besteht. Es kann nicht sein, dass die Wirtschaft das Land bzw. die Regierung der USA kontrolliert und unsere Regierung reihenweise Verbrechen begeht. Darüber hinaus ist es bedauerlich, dass viele Menschen in einen Gleichgültigkeitszustand verfallen und alles geschehen lassen. Gegen diese Gleichgültigkeit versuchen wir auch mit PIPEDOWN anzukämpfen.“

Neben der politischen Seite von PIPEDOWN scheint ihr aber eine ganze Menge an Humor zu besitzen, wie ich einem anderen Interview mit euch entnehmen konnte.

„Den haben wir auf jeden Fall. Viele Kids sind sich politischer Dinge bewusst, wenn du sie aber weiter in die Materie einführen willst und dabei todernst bleibst, springen sie oft ab, weil es eben nicht leicht ist, mal eben aus dem Alltag auszubrechen. Deswegen versuchen wir die ganze Situation durch Humor aufzulockern und ein Augenzwinkern zu wahren, Humor macht die Sache für alle Beteiligten einfacher. Verbringe eine Woche mit uns, und du wirst viel zu lachen haben. Spaß muss man außerdem haben, um eine Tour durchzuhalten. Manchmal spielen wir ein paar MÖTLEY CRÜE-Einlagen, einfach nur um die Stimmung aufzulockern. Ich habe heute auch das Album von THE DARKNESS bekommen und stehe total drauf, die 80er leben, hehe.“

Zwei Bands, die euch hoffentlich nicht beim dritten Album beeinflussen werden, oder?

„Haha, nein. Wir haben schon begonnen, am dritten Album zu arbeiten, es steht fest, dass wir auf keinen Fall in Eile geraten wollen und uns auch von niemandem unter Druck setzen lassen. Das Material, das bis jetzt in Arbeit ist, ist wirklich sehr gut, und deswegen wollen wir so lange wie möglich daran arbeiten und es nicht voreilig rausbringen. Vorher gehen wir den ganzen Sommer auf Tour, von daher wird es mit dem Album sicher noch dauern.“

Kannst du denn schon konkreteres sagen?
„Einer unserer Grundsätze ist, die Leute an den Punkt zu bekommen, dass sie nicht wissen, was sie auf dem nächsten PIPEDOWN-Album erwartet. Ich denke, dass wir unseren Stil dementsprechend weiter ausbauen werden und versuchen werden, unsere Einflüsse weiter zu verfolgen.“

Was sind denn eure Einflüsse, bzw. wie würdest du euren Stil beschreiben?

„Schwer zu sagen, wir alle kommen aus verschiedenen musikalischen
Richtungen und versuchen, diese bei PIPEDOWN einzubringen. REFUSED, AFI, MINOR THREAT und ANTI-FLAG sind die Bands, die uns alle beeinflussen. Einem bestimmten Stil wollen wir nicht zugewiesen werden, da es bei PIPEDOWN immer darum ging, die Musik zu spielen, die wir mögen, das hat etwas Mysteriöses, das gefällt mir.“