FIRESIDE

Wie langweilig wäre das Leben, wenn es nicht ab und zu einige dicke Überraschungen zu bieten hätte. So wie im Fall von FIRESIDE zum Beispiel. Denn deren neues Album "Elite" klingt so ganz und gar nicht mehr nach dem berechenbaren Emorock ihrer Anfangstage, in denen die vier Schweden oft mit QUICKSAND verglichen wurden. Ich sprach mit Bassist Frans Johansson.

Zum Zeitpunkt unseres Gespräches befinden sich die Jungs gerade in ihrem eigenen Studio, um für die anstehende Kurztour durch Skandinavien zu proben. Im Januar oder Februar werden sich FIRESIDE dann auch wieder in Deutschland blicken lassen, wo sie ja schon mehrere Gastspiele gaben. Die interessanteste Frage stelle ich Frans natürlich gleich am Anfang des Interviews: Welche Faktoren haben die musikalische Kurskorrektur auf der neuen Scheibe am meisten beeinflusst? "Ich denke, dass der Faktor Zeit eine wichtige Rolle gespielt hat", antwortet der schmächtige Bassist, der einen sehr ruhigen und besonnenen Eindruck macht. "Wir hatten diesmal sehr viel Zeit im Studio - der Aufnahmeprozess ging von Februar bis Juli, was ein sehr langer Zeitraum für eine Produktion ist." Und was unter normalen Umständen ein verdammt teurer Spaß wäre. Aber FIRESIDE haben das große Glück, dass das Studio ihrem Gitarristen Pelle Gunnerfeldt gehört, der auch schon einige andere Bands wie zum Beispiel LAST DAYS OF APRIL dort produziert hat. "Als wir ins Studio gingen, hatten wir noch kein einziges Stück komponiert", gibt Frans zu, was für die relaxte Herangehensweise der Schweden spricht. "Für das letzte Album "Uomini D'Onore" hatten wir uns gerade mal einen Monat Zeit gelassen, was diesmal völlig anders war", erklärt Frans. "Wir haben zum ersten Mal überhaupt mit Computern herumexperimentiert, was eine gänzlich neue Erfahrung für uns war."

Die elektronischen Spielereien, die dezent im Hintergrund versteckt sind, erklärt er mit den veränderten Hörgewohnheiten der Bandmitglieder: "Wir haben in letzter Zeit ziemlich viele Krautrock-Sachen gehört, die ihre Spuren hinterlassen haben. Wie eine gewöhnliche Hardcore-Band klingen wir ganz bestimmt nicht mehr." Fühlt Frans denn gar keine Verbindung zur Hardcore-Szene mehr, der FIRESIDE in ihrer Frühphase zugerechnet wurden? "Doch, in gewisser Weise schon. Wir kennen die meisten Leute in der Szene, wobei wir schon mit vielen von ihnen zusammen aufgetreten sind. Musikalisch betrachtet haben wir allerdings so gut wie nichts mit Hardcore zu tun, von unseren ersten beiden Alben vielleicht abgesehen."

Dann handelt es sich bei "Elite" um eine ganz bewusste und endgültige Abwendung von der Hardcore-Szene? "Nein, das würde ich so nicht sagen", verneint er. "Der experimentelle Charakter der neuen Platte war nicht geplant. Es ist einfach so passiert! Wir hatten keinen speziellen Sound im Kopf, als wir mit der Platte anfingen." Und wie fielen die ersten Reaktionen auf "Elite" in Schweden aus, wo die Platte ein wenig früher als in Deutschland veröffentlicht wurde? "Die Besprechungen in der Presse sind diesmal wirklich sehr interessant. Manche Reviews sind sehr gut, fast schon euphorisch. Manche Kritiker sind der Meinung, dass es sich um unser bestes Album handelt. Auf der anderen Seite gibt es aber auch negative Stimmen, die die Platte total zerrissen haben. Es scheint jedenfalls keine mittelmäßigen, gleichgültigen Reaktionen zu geben - man kann die Platte anscheinend nur lieben oder hassen." Ich für meinen Teil tendiere eindeutig zur ersten Möglichkeit.

Interessant ist übrigens auch die Bedeutung des Plattentitels, der auf den ersten Blick vielleicht sogar etwas großkotzig wirken könnte. Doch genau das Gegenteil ist der Fall: "In Schweden werden wir mit einigen anderen Bands zusammen immer zur musikalischen Elite gezählt, was uns gar nicht so sehr lieb ist, weil es nicht der Realität entspricht", gibt sich Frans bescheiden. "Wir sind keine besonders guten oder gar elitären Musiker, sondern vier ganz normale Typen, die als Punkrocker angefangen haben. Manche Jazzmusiker würde ich als musikalische Elite bezeichnen, aber ganz bestimmt nicht uns. Der Plattentitel ist nicht ganz ernst gemeint." Das kann man auch von den Titeln der insgesamt neun Songs auf "Elite" behaupten, die allesamt nach alten Computerspielen benannt wurden: "Kannst du dich noch an den Commodore 64 in den achtziger Jahren erinnern?", holt Frans aus. Klar doch, vor diesem Dinosaurier habe ich einige Tage und Nächte verbracht. "Ich auch, ich bin mit den Spielen für diesen Computer aufgewachsen. Deshalb haben wir auch alle Songs nach diesen uralten Spielen benannt. Du musst wissen, dass die Songtitel bei FIRESIDE nichts mit dem Inhalten der Texte zu tun haben." Aha, das erklärt dann wenigstens so seltsame Titel wie "Hals Und Beinbruch" oder "Elevator Action". Eine Singleauskoppelung im herkömmlichen Sinn wird es übrigens nicht geben, weil das Album laut Frans "als Gesamtkunstwerk betrachtet werden sollte". Lediglich eine Promotion-Single für die skandinavischen Radiosender wurde bisher in Angriff genommen, wobei es sich um den dritten Track ("Thing On A Spring") des Albums handelt, der gleichzeitig auch mein ganz persönlicher Favorit ist. Frans hingegen bevorzugt "Hals Und Beinbruch", weil ihn das Stück angenehm an eine Diskonummer erinnert, was immer das auch heißen mag. Denn wie schlechte Diskomusik klingt "Elite" auf keinen Fall...