KJU:

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Good Evening London

Im Lager von KJU: passiert etwas. War der Sound der Niedersachsen anfangs noch deutlich von QUICKSAND und den DEFTONES geprägt, fand man mit dem zweiten Album einen eigenen Stil. Kompakter und direkter als früher sind die nach wie vor sehr emotionalen Rocksongs der Band geraten, deren Name für nichts weiter als die Lautschrift des Buchstaben „Q“ steht.

Anlass für unser Interview war neben der exzellenten, aber schon ein gutes Weilchen zurückliegenden Scheibe „The Pieces Fit“ auf Swell Creek vor allem die anstehende Tour. Die wird KJU: dieses Jahr auch wieder nach England führen. Dort machen die Hannoveraner dann schon zum zweiten Mal Station, abermals begleitet von ihren Freunden von FONY. Die eigene Bühnenshow sieht Sänger Tobi eher als solide Sache: „Es passiert schon etwas, aber es ist jetzt nicht so, dass wir aufgezogen durch die Gegend hüpfen.“ Was wohl auch damit zusammenhängen dürfte, dass den Stücken von KJU: meist eine recht melancholische Stimmung anhaftet, zu der eine übermäßig extrovertierte Live-Präsenz gar nicht passen würde. Dennoch: „Die England-Konzerte waren der Knaller. Alleine der Moment, in London ‚Good Evening London‘ zu sagen. Auch wenn das jetzt blöd klingt, das war schon cool. Wir haben am letzten Tag der Tour im Underworld – ein 400 Leute-Club – vor etwa 250 Leuten gespielt. Das heißt, es war sogar relativ voll.“
Dabei ist der Sound von KJU: gar nicht so einfach zu beschreiben, weshalb sich nicht wenige Schreiber mit eingangs erwähnten Referenzbands helfen. Was auf Seiten der Band jedoch nur auf wenig Gegenliebe stößt: „Ich konnte das bei unserer ersten Platte ‚Draw Lines On‘ auf jeden Fall noch nachvollziehen. Aber diese Formationen werden noch immer ständig genannt – und da frage ich mich halt schon, warum. Gerade mit den DEFTONES wird man einfach nicht gerne verglichen, weil man da ja doch nicht rankommt.“
Wirklich genervt ist Tobi eigentlich nur, wenn Nu-Metal-Verweise ins Spiel kommen – schließlich hat man mit diesem Genre nichts am Hut, auch wenn sich in seinem Schrank durchaus noch Alben aus der Anfangszeit von KORN finden. „Das war halt nur ein Streiflicht und dann wieder weg. Und jetzt wird Nu-Metal für viele Bands als Schimpfwort verwendet, ohne ihnen damit gerecht zu werden. Das gleiche gilt inzwischen ja fast für Emo ...“ Was die zweite Schublade ist, in die man KJU: mit ein wenig Gewalt hineinstecken könnte. So gab es in Reviews auch schon was über „Emo-Metal“ zu lesen, obwohl man selbst – wie so viele Bands – die eigene Musik schlicht als Rock bezeichnet haben möchte.

Die vier Mitglieder von KJU: hören derweil völlig unterschiedliche Musik: „Unser Gitarrist Kord beispielsweise mag extrem viele Gitarrenpop-Sachen. Ansonsten läuft bei uns von BUILT TO SPILL über psychedelische Klänge bis hin zu HC-Sachen eigentlich alles.“ Mit Spannung erwartet Tobi, bei dem nach wie vor das letztjährige THRICE-Album im Plattenspieler rotiert, die nächste JIMMY EAT WORLD-Scheibe: „Hoffentlich kriegen sie diesmal das, was beide vorherigen Platten auszeichnete, auf einer zusammen.“
Beide KJU:-Alben sind auf dem kleinen aber feinen Swell Creek-Label (u.a. JR EWING, MIAMI GOLEM) erschienen. Labelchef Bauke war damals nicht nur einer der ersten, der die Qualitäten der Band erkannte, auch er selbst ist in Hannover wohnhaft. Zu ihrer – von bösen Zungen gerne mal heruntergemachten – Heimatstadt haben KJU: aber ein entspanntes Verhältnis: „Na ja, die Stadt ist gar nicht so schlimm, wie alle immer sagen. Man hält es gut aus, außerdem gibt es mit Chez Heinz oder Glocksee schon ein paar feine Läden. Unsere Heimatverbundenheit ist zwar nicht maßlos, auf der anderen Seite ist es auch ganz okay, einmal ein bisschen die Hannover-Fahne hochzuhalten.“ Ein Berlin-Umzug aus Publicity-Gründen ist vorerst also nicht zu erwarten, zumal mit dem „Institut für Wohlklangforschung“ gleich ein passendes Studio vor Ort gefunden wurde. „Die dreiwöchigen Aufnahmen zu ‚The Pieces Fit‘ fanden hier statt. Wir hatten einfach Lust, das Album in vertrauter Atmosphäre aufnehmen, und uns so voll auf die Musik konzentrieren zu können.“

Was vollends gelungen ist, auch wenn das professionelle Niveau von KJU: nicht von ungefähr kommt: „Ich spielte mit unserem Bassisten Sven-Olaf schon früh in Bands, das ging mit 14, 15 los. Vorher haben wir übrigens im Chor gesungen, richtig geistliche Sachen, ‚Carmina Burana‘ und so, also schon ein bisschen anspruchsvoller. Dann suchten wir irgendwann den Ausgleich zu den ganzen schöngeistigen Sachen und fingen an, härtere Gitarrenmusik zu machen. Kord war vorher schon in einer lokalen Punkrockband und unser Drummer Peter in einer Göttinger Hardcore-Formationen aktiv, bevor er wegen seiner Ausbildung nach Hannover kam und KJU: mitgründete“
Seit Erscheinen von „The Pieces Fit“ läuft für die Band eigentlich alles prima. „Wir haben eine Bookingagentur, die sich super um uns kümmert, und touren noch bis September mit dem Album. Dann haben wir die Sachen also wirklich ein Jahr lang konsequent live gespielt. Von daher sind wir absolut zufrieden. Auch die Pressestimmen waren sehr gut.“
Zumal die vier schon relativ schnell nach Gründung einen Endorsement-Deal in der Tasche hatten. „Peter arbeitet in einer Promo-Agentur und kümmert sich sehr viel um solche Sachen. Da gab es dann eben ein Bandphoto, auf dem wir mit Fuct-, Zoo York- oder Ezekiel T-Shirts abgebildet waren. Peter hat dann über Umwege erfahren, dass sich um die Labels bei uns ein einziger Vertrieb kümmert. Er hat die Leute dann einfach kontaktiert. Die haben natürlich ein Skate-Team, das sie sponsoren – wie sich das gehört für solche Klamottenmarken. Sie meinten dann jedenfalls: ‚Naja, warum nicht auch mal eine Band ...‘ Und nachdem wir ihnen unsere Sachen geschickt hatten, fanden sie das gut. So sind wir da mehr oder weniger hineingeschlittert.“

Ein wichtiger Aspekt bei KJU: ist auch das Artwork. „Ich bin Designer und verdiene damit mein Geld. Darum ist es mir, aber auch allen anderen, wichtig, dass am Ende ein vernünftig sortiertes Paket heraus kommt.“ So kümmert Tobi sich auch um das Aussehen der Flyer, Poster, T-Shirts und Website seiner Band. „Da stellt man sich hin, schreibt ein Jahr lang Songs und nimmt sie in mühevoller Kleinstarbeit über vier Wochen auf. Na ja, und am Ende setzt sich irgendjemand hin, der gar keinen Bezug dazu hat, haut ein Layout zusammen, schickt das in den Druck und gut so. Ich finde es schon wichtig, dass das alles irgendwie zusammenpasst.“
Momentan ist man mit dem Schreiben neuer Songs für das nächste Album beschäftigt. „Wir haben 10 oder 15 Baustellen, an denen wir gerade herumkrebsen. Das passiert hauptsächlich in den Pausen, wenn wir nicht live unterwegs sind. Bislang ist es aber eher noch ein Sammeln und Auswählen: Was ist vernünftig, was schmeißt man am besten gleich wieder weg. Wir wollen erst mal eine vernünftige Vorproduktion im Proberaum fertig bekommen und vielleicht Anfang 2005 ein neues Album aufnehmen.“ Eine ungefähre Richtung ist aber schon abzusehen: „Wir gehen ein bisschen anders an die Songs ran. Es sind mehr schnelle Sachen dabei, alles wirkt ein wenig kompakter. Nachdem auf der ersten Platte noch viele Selbstfindungsphasen dabei waren, sind wir inzwischen eher auf der Suche nach der schönen Melodie und dem schönen Song. Zumindest bisher wird mehr gesungen und weniger geschrieen. Dass ‚einfach‘ nicht immer gleichbedeutend mit ‚scheiße‘ ist, musste man sich selbst auch erst einmal eingestehen.“