SHINS

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Retro Pop Nuggets

Die aus Albuquerque, New Mexico stammenden THE SHINS (mittlerweile ist man in Portland bzw. Seattle ansässig), die 1997 aus FLAKE hervorging, spielen auf ihrem erst zweiten Album „Chutes To Narrow“ wunderschönen, zarten, eingängigen und doch nie glatten Gitarrenpop, bei dem flowerig-folkiger US-Sound auf irgendwie schräge britische Klänge trifft. Ein rundum wunderbares Album, auf dem die dezenten Orgelklänge schöne Akzente setzen – sweet, aber nie kitschig. Auch live konnten die SHINS begeistern, als sie im Frühjahr erstmals in Europa auf Tour waren, und ich nutzte die Gelegenheit, mich mit Sänger, Songwriter und Gitarrist James Mercer, 33, vor der Show im Kölner Gebäude 9 in der Backstage-Küche stehend zu unterhalten.

Eben im Auto hörte ich noch „Chutes Too Narrow“, mit der zum Sänger einer Tour passenden, als Frage gestellten Textzeile „Did I leave home just to whine in this microphone?“.

„Haha, manchmal fühlt man sich so und stellt solche Fragen. Manchmal ist es mir selbst peinlich, wenn ich feststelle, dass ich mich in der Hälfte meiner Texte nur über etwas beklage. Deshalb diese Zeile.“

Klingt total emo ...

„Ha, dafür habe ich dann wohl doch zuviel Selbstbewusstsein. Und ich mache mir ja noch Gedanken darüber.“

Die SHINS existieren schon fünf Jahre, zwei Alben sind raus, zig Touren in den USA liegen hinter euch, doch erst jetzt die erste Europatour.


„Ja, ich war zwar schon privat in Europa, aber mit Band bin ich das erste Mal hier, und es gefällt mir gut. Gestern spielten wir die erste deutsche Show in Münster, und auch wenn es mir so schien, als ob uns viele im Publikum bislang nicht kannten, sondern nur auf Empfehlung von Freunden da waren, war es eine sehr gute Show und wir konnten neue Fans gewinnen.“

Ist es denn in Europa anders, als wenn ihr in den USA in einer neuen Stadt spielt?

„Also in den USA haben wir schon eine große Fanbase, aber mir fiel hier bislang auf, dass die Leute viel enthusiastischer auf uns reagieren, sich generell mehr für Musik interessieren. Wir hätten echt schon längst in Europa spielen sollen.“

Andererseits habt ihr ja erst mit „Chutes Too Narrow“ den Durchbruch geschafft.

„So scheint es. Kann sein, dass wir sehr viele wenig besuchte Shows gespielt hätten, wenn wir früher gekommen wären. Einerseits hätten wir da sicher Geld verloren, andererseits einen Fuß in der Tür gehabt.“

Die Reaktionen auf das neue Album waren ja verblüffend, weil durchweg begeistert.

„Ja, das hat mich auch überrascht. Ich zögere noch, mich darüber uneingeschränkt zu freuen, denn das Musikbusiness ist so seltsam, dass ich Angst davor habe, wirklich stolz darauf zu sein. Dann fängst du an, dich über deine Musik und den Erfolg zu definieren, und bringst dich in eine sehr prekäre Situation, denn es ist leicht, von so einem Sockel auch wieder herabzustürzen. Und wie willst du dich von so etwas wieder erholen? Deshalb vermeide ich es auch, Artikel und Rezensionen über die SHINS zu lesen. Ich fühle mich danach immer viel zu selbstbewusst, das gefällt mir nicht.“

Was für ein Publikum habt ihr in den USA? In Deutschland scheint es mir, als würden vor allem Leser so todlangweiliger Altherren-Blätter wie Rolling Stone oder Musikexpress auf euch stehen ... Folk-Rock-Fans und so.

„Haha, ich weiß genau, was du meinst, und manchmal mache ich mir darüber auch Gedanken. Wir werden auch gerne mal mit Bands in einen Topf geschmissen, auf die ich überhaupt keine Lust habe. Ich will auf jeden Fall nicht, dass die SHINS als Folk-Rock-Band gesehen werden, als ‚thirty-something band‘ oder so‘n Scheiß, das hasse ich wirklich, dieses Image, dieses Feeling. Und ich höre auch keine Singer/Songwriter-Musik. Ich schreibe einfach meine Songs, und dann nehmen wir sie auf und produzieren sie, wie es eben nötig ist, das ist alles. Doch scheinbar gibt es Leute, die denken, wir seien irgendwie vergleichbar mit Ryan Adams oder so, aber das sind wir nicht, das will ich nicht.“

Womit fühlst du dich denn wohler?

„Ich habe eher einen Punkrock/New Wave-Background, auch was mein Denken anbelangt. Das mag manche überraschen oder komisch klingen, denn viele meiner Songs klingen eher nach Country & Western und könnten so den Vergleich mit Ryan Adams gerechtfertigt erscheinen lassen, aber so ist es eben. Mir fällt es auch generell schwer, mich über so was zu unterhalten, ich weiß da nie so recht, was ich sagen soll.“

Das mit dem Punkrock-Background geht ja dann auch mit deinen Mitmusikern zusammen: Dave Hernandez und Ron Skrasek von den leider aufgelösten SCARED OF CHAKA waren lange deine Mitmusiker bei den SHINS – Dave ist es jetzt wieder, und auch mit auf Tour.

„Na dann weißt du ja, was ich meine. Denkst du, der würde in einer Band à la Ryan Adams spielen? Eben. So eine Band sind wir nicht, und wer uns live sieht, der merkt das auch ganz schnell. Wichtig ist auch, dass wir eine richtige Band sind, nicht das Egoprojekt von einem Typen, und wir sind live eine Rock‘n‘Roll-Band, die eine Rock‘n‘Roll-Show spielt, auch wenn manche Songs sich auch zum Schmusetanzen mit deiner Freundin eignen. Meine Vorstellung von uns ist die einer Band, wie es sie früher gab, die R&B spielt, aber es sind eben weiße Jungs, die Rock‘n‘Roll spielen – tanzbare Nummern und auch langsame, und dann ‚good night‘.“

Ich muss ja auch einfach noch mal betonen, wie klasse euer neues Album ist, es gefällt jedem, der es hört, sofort – einfach verblüffend! Es ist eine dieser Platten, die nicht nur als Ganzes funktionieren, sondern die aus lauter Songunikaten bestehen.

„Vielen Dank! Ja, das war und ist auch mein Ziel. Ein Vorbild dafür ist für mich ‚Ocean Rain‘ von ECHO & THE BUNNYMEN. Ich liebe dieses Album, ich kenne das in- und auswendig. Eine andere solche Platte ist ‚Sgt. Peppers‘ von den BEATLES.“

Interessant, dass du die erwähnst, denn die sind in vielen Reviews eurer Platten erwähnt worden.

„Echt? Das ist witzig, und ich weiß nicht, ob das jetzt gut oder schlecht ist, haha. Besonders angesagt sind die derzeit ja nicht.“

Mir fallen auch noch die POSIES ein.

„Klar, die habe ich früher ständig gehört. Und ‚The Queen Is Dead‘ von den SMITHS. Außerdem müsste ich eigentlich noch ‚Psychocandy‘ von THE JESUS & MARY CHAIN nennen, aber da sind einfach zu viele Songs drauf. Sieben weniger und es wäre perfekt.“

Kennst du THE MONOCHROME SET? Das war eine englische Band, und an die erinnert ihr mich auch immer wieder.

„Ich kenne nur den Namen, gehört habe ich sie noch nie. Dann habe ich ja jetzt einen Grund, mir endlich eine Platte von denen zu kaufen. Und die WRENS wurden mir auch ans Herz gelegt.“
Das klingt alles so, als ob dich vor allem Musik aus den 80ern beeinflusst.
„Sagen wir es so: Die 80er waren die Zeit, als ich auf der Highschool Musik entdeckte, neue, aber auch alte Bands wie die BEATLES, ROLLING STONES oder DOORS – alles Bands von Weißen, die sich für R&B begeisterten. Anfang der 90er habe ich dann sehr viel Oldie-Radio gehört, Sam Cooke, Wilson Pickett, und so weiter. Und dann ist da noch der Einfluss meines Vaters, denn mein Vater ist Country & Western-Sänger, mit Country & Western bin ich aufgewachsen.“

Findet der das gut, dass du dich jetzt vor allem mit Musik beschäftigst?

„Also er machte sich schon Sorgen, als ich wegen der Band das College schmiss. Ich hatte immer gute Noten, aber ich merkte irgendwann, dass mich das Ergebnis meines Studiums nur würde enttäuschen können. Irgendein Job in einem Büro oder Forschungsinstitut, das wäre nicht mein Ding, da würde ich nicht reinpassen. Und so schmiss ich die Uni und machte Musik und Kunst, war so ein richtiger Slacker, hahaha. Aber ich habe schon immer hart an meiner Musik gearbeitet, Platten aufgenommen und so weiter. Mittlerweile hat mein Vater meinen Weg akzeptiert, er ist ein Fan der SHINS und hilft uns in Sachen Management, eben was den ganzen finanziellen Kram anbelangt. Mittlerweile können wir zum Glück alle von der Band leben.“

Ich las, dass ein Song von euch sogar in einem Werbeclip von Gap verwendet wurde.

„Ja, solche Sachen helfen einem als Musiker einfach weiter. Mit Vorwürfen von wegen Ausverkauf und so kann ich auch nichts anfangen. Und wenn jemand irgendwas kauft, nur weil meine Musik in dem Commercial zu hören ist, dann habe ich für so jemand ehrlich gesagt nur sehr wenig Sympathie. Ich verstehe natürlich, dass es manchen Leuten unangenehm ist, wenn ihre ‚Ästhetik‘ von einem großen Konzern ‚gestohlen‘ wird, das hat ja auch immer was mit dem Aneignen von Identität zu tun, von daher bin ich bei solchen Lizensierungen schon vorsichtig. Und zum Glück verkaufen wir derzeit auch so genug Platten, dass wir solche Angebote ablehnen können. Aber die Leute, die uns eventuell kritisieren, bekommen ja auch nur mit, wozu wir Ja gesagt haben, und nicht, was wir ablehnen.“

Was kommt in den nächsten Monaten?

„Touren, Touren, Touren. Den ganzen Sommer über – und den Herbst. Und nächstes Frühjahr denken wir dann wieder über ein neues Album nach.“