OCTOBER FILE

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Very Angry British Agitators

Mit „A Long Walk On A Short Pier“ veröffentlichten die Engländer OCTOBER FILE im Sommer 2004 ihr erstes Album, nach einer EP kurz zuvor. OCTOBER FILE? Nie gehört, dachte ich mir, und doch, da war noch was, außer dass der Bandname einem Album der grandiosen DIE KREUZEN entlehnt ist: Der Sound erinnert mich an SCHINDLER, das Label ist das selbe, und siehe da, Gitarrist Mall Lerwill und Basser Steve Beatty waren einst bei SCHINDLER. Ergänzt um Ed Keric (Ex-YEAST) und Ben Hollyer (Ex-JOR) stand das Line-Up, und bevor OCTOBER FILE mit ihrem wirklich eigenwilligen Sound das Schicksal der Vorgängerband ereilt, mache ich einfach was dagegen – nämlich dieses Interview. Die Antworten gab Bassist Steve.

as Erste, was mir zu OCTOBER FILE einfällt, ist DIE KREUZEN. Ich bin alt – wer erinnert sich sonst noch an sie? Was steckt hinter dem Namen?


„Du bist schon auf dem richtigen Weg. Hast du mal daran gedacht, Detektiv zu werden? Wir haben die Band letzten Oktober gegründet. Das Album von DIE KREUZEN hat mich vor Jahren inspiriert und damals meinen Blick für neue Sachen geöffnet. Ich hörte vorher hauptsächlich DISCHARGE und vergleichbare Sachen. Der Name passt aber gut zu mir, unabhängig von dem, was wir machen. Ich mag den Herbst, er inspiriert mich: Die frische Luft, die Farben. Es gibt verschiedene Gründe, warum wir gerade diesen Namen gewählt haben, hauptsächlich dachten wir uns aber, dass er einfach zu uns passt. Und was gibt es für einen besseren Grund, als den, dass wir den Namen mögen.“

Bleiben wir bei DIE KREUZEN: Mit dieser Band assoziiere ich auch BIG BLACK, und ich muss sagen, dass mich deren Sound stark an den euren erinnert. Deine Meinung zu diesem Thema?

„Ich sehe diese Nähe zu BIG BLACK nicht. Sie sind dunkel und hart. Ich weiß nicht wirklich, was ich auf diese Frage antworten kann, weil ich nicht denke, dass unser Album dunkel und hart ist. Aber warte auf unsere nächsten Sachen, die haben eher so einen BIG BLACK-typischen Vibe. Obwohl ich natürlich sagen muss, dass es ein großes Kompliment für uns ist, mit einer so guten Band verglichen zu werden. BIG BLACK werden besonders von unserem Schlagzeuger Ed und mir geschätzt, wobei er die früheren Sachen noch lieber mag, und ich eher auf die jüngeren Aufnahmen stehe. Meiner Meinung nach waren BIG BLACK eine großartige Band.“

Wie kriegt ihr diesen unglaublichen Bass-Sound hin?

„Als ich mit dem Bass spielen anfing, hatte ich keine Ahnung, wie es laufen würde, und ich wollte auch nicht der beste Bassist der Welt werden. Ich wollte Songs schreiben. Ich entschied, das Bassspielen anders bzw. nicht zu lernen, und ausschließlich mein Ding durchzuziehen. Ich liebe es, Sounds auszuprobieren, wobei mein Sound dem von JJ Burnell ähnelt, dem Bassisten meiner Lieblingsband THE STRANGLERS. Aber dieser Künstlermist, den man mit Effektgeräten machen kann, ist Scheiße.“

Euer Sound ist sehr dunkel und hat einen leichten Goth-Touch, der mich an KILLING JOKE erinnert. Wobei ich „Goth“ meine, bevor das Ganze in diesen Halloween-Quatsch von heute umkippte. Welches ist dein Lieblingsalbum von KILLING JOKE und warum?

„Dunkel ist nicht gleich Gothic. Gothic sind Leute, die sich schlechte Halloween-Kostüme anziehen, und ‚First And Last And Always‘ von SISTERS OF MERCY hören, weil danach keine ernstzunehmende Band mehr aus dieser Szene kam. Oh, schon wieder einige potentielle Fans vergrault! Ich habe KILLING JOKE nie für eine Goth-Band gehalten, mehr für eine ‚apokalyptische‘ Band. Ich mag KILLING JOKE wirklich sehr. Die ersten beiden Alben sind meine Favoriten, weil sie damals, als ich aufwuchs, sehr wichtig für mich waren.“

Euer Sound ist heutzutage einzigartig: Chicago-Old-School-Noisepunk mit 80er-Einschlag, sehr hart, intensiv und aggressiv. Aber alle anderen Bands versuchen heutzutage diesen „Nu Metal“-Kram zu spielen. Wie stehst du dazu?

„Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Jeder macht den Sound, den er mag. Ehrlich gesagt, denke ich, dass wir so klingen, wie wir klingen, weil wir so sind, wie wir sind. OCTOBER FILE läuft so, wie wir wollen, ohne Druck von außen oder Karriereansprüche. Und ohne wie ein Idiot klingen zu wollen: Es ist Musik nach unserem Geschmack. Das ist unsere Haltung in jedem einzelnen Punkt. Jeder Song ist echt, es gibt keine unechten oder vorgetäuschten Emotionen. Es fühlt sich gut an, so zu sein. Und, es interessiert uns nicht, wenn andere Leute was anderes behaupten. Wir sind vier Brüder und hoffentlich werden wir in unserer Motivation und uns gegenüber immer ehrlich sein. Nu Metal, Old Metal, das ist lächerlich! Das ist alles Metal, Mann! Ich mag Metal, aber eher dunkleren Kram wie ENSLAVED oder EMPEROR.“

„God hates America“ lautet ein Songtitel. Warum?

„Warum sollte ich mich der öffentlichen Meinung anschließen? Gott – oder meine Vorstellung von ihm/ihr – würde sich einem so korrupten und grausamen Amerika entgegenstellen. Das amerikanische Volk ist nicht durch Angriffe von außen in Gefahr, die Regierung dagegen schon, weil sie so offensichtlich korrupt und böse ist. Ich meine, es ist ein Witz, es macht mich krank, dass solche Ungerechtigkeiten einfach so durchgehen. Versteh uns nicht falsch, wir kennen auch die Zustände anderer Staaten wie Russland und China, aber die USA geben vor, ein demokratischer und freier Staat zu sein. Die anderen haben nie behauptet, für etwas anderes zu stehen als totale Kontrolle. Ich hoffe, Amerika wacht irgendwann auf und wird zu dem, was alle Nationen sein könnten, wenn sie zivilisiert und anständig sein wollen. Wir alle müssen bei diesem Prozess mithelfen und nicht nur einen Haufen reicher Satanisten wählen.“

Warum sollten Bands politisch sein?

„Ich denke, dass nicht alle Bands politisch sein sollten, sie sollten einfach so sein, wie sie sein wollen. Du bist frei, also ist es deine Entscheidung. Aber wenn du dich dafür entscheidest, dann um zu informieren, zu inspirieren, Ideen zu entwickeln und einzubringen.“

Was ist aus SCHINDLER geworden?

„Nachdem wir uns zwei Jahre kein Stück weiterentwickelt haben, haben Matt und ich uns entschieden, uns von einem sehr guten Freund zu verabschieden. Der sich im Nachhinein nicht als Freund herausstellte, was enttäuschend war. Schließlich machten wir weiter mit dem, was Matt und ich tun wollten. Wir trafen Ed, als er bei YEAST spielte, und Ben von JOR. Ihnen ging es genauso wie uns und zusammen gründeten wir OCTOBER FILE. Bei einigem Material, an dem Matt und ich zur Zeit von SCHINDLER arbeiteten, hieß es ‚nicht poppig genug‘, und da waren Matt und ich raus.“

Ich habe gelesen, dass ihr in Großbritannien mit den „FAKE KENNEDYS“ gespielt habt. Wie kam es dazu?

„Na ja, die DEAD KENNEDYS waren nette Jungs und spielten großartige Gigs. Viele Bands machen ohne einige ihrer Originalmitglieder weiter oder reformieren sich, wieso sie nicht auch? Jello wurde des Diebstahls und der Lüge der schlimmsten Art überführt. Er könnte immer noch das sein, für was er früher einmal stand. Und der Rest der Band wollte einfach weiter ihre Musik spielen. Ich habe keinen Streit mit den DEAD KENNEDYS oder wie auch immer sie sich nennen wollen. Ich kenne sie und ihr Management, und wir haben einfach gefragt, ob wir ihre Vorband sein können. Sie sagten: Kein Problem. Die Shows waren gut besucht, und sie kamen gut an. Wir danken ihnen für den Spaß, den wir hatten.“

Kommentiere die Statements von deiner Homepage: „Das Album ist ein textlicher Frontalangriff auf die uns verhassten Dinge, deren Liste endlos ist. Für dieses Albums gibt es folgende Ziele: Kreditkartenfirmen, die amerikanische Regierung, aufgeblasene und oberflächliche Frauen und natürlich die dummen, ignoranten und unzivilisierten Kerle unter den Männern ... Ein Spaß für die ganze Familie.“

„Das erklärt sich von selbst, das ist mein spezieller Humor, um wenigstens ein Lächeln zu erzeugen. Die Welt ist ein schrecklicher Ort, und sie muss es nicht sein.“