DT'S

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Return to Criderland

Dave Crider ist nicht nur der Boss von Estrus Records, sondern auch selbst aktiver Musiker – erst mit den MONO MEN, dann mit WATTS und seit ein paar Jahren mit den DT‘s. Statt der Sixties regieren hier die 70er, ihr Sound ist ein hardrockiger Blues mit starken Soul-Einflüssen, der beim Debüt-Album von diesem Jahr von Tim Kerr produziert wurde und von der stimmgewaltigen Diana Young-Blanchard geprägt wird. Dazu kommt ein dichter Orgelteppich, und man hat eine Band vor sich, die nicht unreflektiert die 70er aufkocht, aber einige durchaus begrüßenswerte musikalische Errungenschaften dieser Zeit neu aufgegriffen hat. Ich mailte Dave und Diana ein paar Fragen ...

Dave, kann man eine Parallele sehen zwischen der musikalischen Entwicklung von Estrus und deinen Bands? Weg vom klassischen Garage-Rock, hin zu einem eher klassischen, groovenden Hardrock-Sound?

Dave:
„Das ist eine interessante These, aber ich halte sie nicht für so ganz zutreffend. Denn auf Bands wie THE MIDNIGHT EVILS, FEDERATION X und THE CHERRY VALENCE kommen THE MUMMIES, THE FALLOUTS und THE INSOMNIACS, und die spielen ja ‚klassischen‘ Garage-Rock. Das Einzige, was in den letzten Jahren etwas zu kurz gekommen ist, ist Instrumental-Musik, von THE DIPLOMATS OF SOLID SOUND mal abgesehen. Aber das hat einfach was damit zu tun, dass in diesem Bereich nicht viel passiert ist, was mich interessiert hat. Abgesehen davon amüsiert es mich immer wieder, wenn Leute versuchen, mein Label in eine bestimmte musikalische Ecke zu stecken oder es auf die Garage-Nische zu beschränken – das kann nicht funktionieren, dazu waren die Releases immer viel zu verschieden. Aber das hat wohl was damit zu tun, dass die Leute ein Label anhand der Bands und Releases definieren, die sie besonders mögen. Und in dieser Hinsicht haben sich die Garage-Fans eben schon immer hervorgetan und sich selbst damit am meisten eingeschränkt. Nun, jeder, wie er will ... Aber klar, Estrus veröffentlicht heute nicht mehr die Musik wie vor zehn Jahren, denn wir leben im Hier und Jetzt! Andererseits gibt es heute eine ganze Menge Leute, die die Musik mögen, die wir damals veröffentlichten. Ich halte aber Weiterentwicklung und Veränderung für etwas positives. Was nun den Hardrock-Einfluss anbelangt, so gab es den schon immer, etwa bei MONO MEN, MORTALS und GRAVEL – gute Beispiele für alte Estrus-Bands mit diesem Sound. Was nun die DT‘s anbelangt, so ist der prägende und unterscheidende Einfluss der des Soul – mehr als Hardrock, was ja ein offensichtlicher Einfluss bei meinen anderen Bands MONO MEN und WATTS war. Aber das wiederum hat eher was mit meinem Geschmack, als mit der Ausrichtung des Labels zu tun.“

Tja, damals, in den späten Achtzigern und frühen Neunzigern wäre man für das Äußern seiner Vorliebe für Seventies-Hardrock auch eher gekreuzigt worden als heute.

Dave: „Oh ja, solche Leute gab es. Von diversen Garage-Puristen musste ich mir ja auch immer wieder anhören, die MONO MEN seien zu ‚metal‘ gewesen – und die Rock-Fraktion fand sie zu ‚garage‘. Ich versuche, mich nicht um so was zu kümmern, denn die Erwartungen anderer schränken dich musikalisch nur ein. Und sowieso waren für mich MOTÖRHEAD und AC/DC immer schon großartige Garage- und Punk-Bands. Es ist eben alles nur eine Frage der Sichtweise und Wahrnehmung.“

Wie kam die Verbindung zu Tim Kerr zustande, der in den letzten Jahren und bis heute eine Menge Estrus-Bands produziert hat, darunter die DT‘s? Was macht den Reiz aus, mit ihm im Studio zu arbeiten?

Dave: „Als ich und Diana damals die DT‘s gründeten, fragten wir Tim, ob er nicht bei einer möglichen Japantour bei uns Bass spielen könne. Aus der Tour wurde nichts, aber ich wollte auf jeden Fall irgendwie mit Tim zusammen was machen, denn er ist einfach ein cooler Typ und guter Freund. Dummerweise sind Bellingham und Austin ein paar tausend Kilometer voneinander entfernt, so dass jegliche Zusammenarbeit schon deshalb recht begrenzt ist. Tim hat uns dann bei den Aufnahmen zu ‚Hard Fixed‘ im Studio geholfen, wobei ich ja schon bei den MONO MEN und Diana bei MADAME X das Vergnügen gehabt hatten. Wir wussten, dass Tim es drauf hat, das Beste aus einer Band herauszuholen. Er schafft eine Atmosphäre, bei der jeder das Gefühl hat, an einem gemeinsamen Projekt zu arbeiten. Er scheut nicht davor zurück, den Leuten eigenen Vorschläge zu machen, gleichzeitig setzt er alles daran, dass eine Band ihren eigenen Sound auf Band bekommt. Er ist ein richtiges Produzenten-Talent, und ich bin stolz, ihn auch meinen Freund nennen zu dürfen.“

Und wie habt ihr euch kennen gelernt?

Dave: „Ich traf Tim 1992 bei der Release-Party für das ‚Wrecker‘-Album der MONO MEN. Er war gerade in der Stadt, um das Album von MONKEYWRENCH zu produzieren, und Tom Prices Band THE DEL LAGUNAS spielten mit uns an diesem Abend – und so kam Tim zum Konzert. Tim Hayes, ein Freund von mir aus Seattle, war kurz zuvor nach Austin gezogen, er ließ mir durch Tim Grüße ausrichten, und so lernten wir uns kennen. Ich war allerdings zu diesem Zeitpunkt nach der Show schon ziemlich besoffen, von daher war das nicht mehr als Smalltalk. Aber wir tauschten Telefonnummern aus, und als die MONO MEN dann später dieses Jahr in Texas ein paar Shows mit SUGAR SHACK und JACK O‘ FIRE spielten, hatten wir endlich etwas mehr Zeit, uns zu unterhalten und kennen zu lernen.“

Wie kam Tim dann zu seiner Rolle als Hausproduzent?

Dave: „Das ist einfach so passiert. Wie ich eben schon sagte, hat er einfach Talent im Umgang mit Bands, und außerdem kommt er in jedem Studio klar, egal ob schick oder schäbig – und das ist ein großer Vorteil ... Die eine Platte der QUADRAJETS hat er sogar in einer Küche aufgenommen! Tim hat im Hause Estrus die Rolle des ‚Minister of Soul‘, er ist ein wichtiges Familienmitglied.“

Mit Diana haben die DT‘s eine vorzügliche Sängerin. Wie und wo haben sich eure Wege gekreuzt?

Dave: „Oh ja, Diana hat eine sehr voluminöse Stimme. Ich kenne Diana seit der Highschool, habe schon in meiner ersten Band in Yakima, WA mit ihr zusammen gespielt. Wir blieben dann über die Jahre in Kontakt, hatten immer vor, mal wieder was zusammen zu machen, aber in den MONO MEN-Jahren passte das irgendwie nie – sie hat da nur mal Backing Vocals gesungen und stand bei dem einen oder anderen Konzert mit auf der Bühne. Sie hatte mit MADAME X ihre eigene Band, die ich auch auf Estrus veröffentlichte. Damals sprachen wir dann auch schon darüber, eine gemeinsame Band zu gründen, basierend auf unserer gemeinsamen Vorliebe für ‚sweaty soul‘ und Hardrock. Jahre später, als Diana nach Bellingham gezogen war, haben wir diesen Plan dann umgesetzt. Zu der Zeit gingen WATTS gerade in den Winterschlaf, und so waren endlich die DT‘s geboren.“

Diana: „Haha, meine Erinnerung ist zumindest in einem Punkt etwas anders. Bei diesen MONO MEN-Shows, mussten sie mich wirklich mit Gewalt auf die Bühne zerren: Dave hat mich einfach gepackt und auf die Bühne getragen ...“

Nun erinnert Dianas Gesang ja schon etwas an die BELLRAYS und DETROIT COBRAS ...

Dave: „Oh ja, wir bekommen diese Vergleiche ständig zu hören. Einerseits ist es cool, sich in solch guter Gesellschaft zu befinden, andererseits hört bei der Sängerin die Ähnlichkeit zwischen den Bands auch schon auf. Klar, wir haben gewisse gemeinsame Einflüsse, aber ansonsten sind sich diese drei Bands nicht sehr ähnlich. Andererseits wäre das natürlich auch ein exzellentes Billing für ein Konzert – dazu hätte ich auf jeden Fall mal Lust.“

Diana: „Wenn Leute diesen Vergleich bringen, kommt das oft so rüber, als hätten wir bewusst versucht, diese Bands zu kopieren. Das ist nun mal nicht wahr, aber selbst wenn es so wäre, wäre es zum einen doch kaum eine wirkliche Sünde, und zum anderen ist es aber schon etwas unfair. Ist es so unvorstellbar, dass drei Sängerinnen im Hier und Heute die gleichen Einflüsse haben? Ich kann den Vergleich auf einer sehr oberflächlichen Ebene nachvollziehen, von wegen ‚hard rock music with hard, soulful female vocals‘, aber das ist es doch auch schon, oder? Aber vielleicht kapiere ich ja auch nur nicht, was so mancher Rezensent wirklich meint. Der rote Faden, den ich erkennen kann, ist dass da drei Frauen mit einem ‚balls out, in-your-face style‘ sich innerhalb der gleichen Kunstform ausdrücken. Und wenn das ein neuer Trend ist – HALLELUJA! Auf jeden Fall finde ich, dass man unserer Band nicht gerecht wird, wenn man sie auf diese Vergleiche reduziert. Aber Rezensenten sind wohl faule Menschen und stürzen sich auf das nahe liegende, anstatt auf die Details zu achten.“

Dave, wie gehst du damit um, deine eigenen Bands zu veröffentlichen?

Dave: „Manchmal ist das in logistischer Hinsicht eine Herausforderung, und es gab auch schon Zeiten, wo ich mich am liebsten nur auf die Band konzentriert hätte, aber letztlich habe ich so eben die komplette Kontrolle über alle Aspekte der Veröffentlichung und kann mir so sicher sein, dass alles genauso wird, wie es die Band und ich wollen. Ich kenne es aber auch nicht anders, es war immer so, seit ich Estrus gegründet habe. Wenn wir auf Tour gehen, ist es auch mal etwas schwieriger, alles organisiert zu bekommen, aber sonst klappt es bestens und die Vorteile überwiegen.“

Wie sieht‘s mit der „Szene“ in Seattle bzw. in Bellingham aus?

Dave: „Ich habe mich nie irgendeiner ‚Szene‘ zugehörig gefühlt, weder lokal noch regional oder landesweit. Ich mache mit dem Label und meiner Band, was ich will, kümmere mich nicht um die Zustimmung oder Ablehnung anderer. Damit will ich mich jetzt nicht als was besseres darstellen oder so, ich habe einfach über die Jahre festgestellt, dass man sich selbst zu sehr einschränkt, wenn man sich zu sehr einer Szene verpflichtet fühlt – ‚free your mind and your ass will follow“. Ich habe das Glück gehabt, großartige Menschen aus den verschiedensten Szenen kennen zu lernen und überall neue Freunde zu finden. Nette Menschen sind nette Menschen, ganz gleich, welches Etikett man ihnen anheftet.“

Diana: „Zu Bellingham fällt mir nur ein, dass es hier derzeit viele Heavy Metal-Bands gibt ...“

Euer Album besticht durch schickes Schlangenleder-Artwork, für das Jim Blanchard verantwortlich ist.

Dave: „Jim B. is cool. Snakes are cool. Leather is cool.“

Diana: „And he has an Anaconda of a penis! Mal ernsthaft, Jim ist ein etablierter Underground-Künstler. Er ist der Tuscher der meisten ‚Hate‘-Bücher von Peter Bagge. Er macht die verschiedensten Sachen und hat schon immer auch für Bands Cover und Poster designt. Das Schlangenleder von unserem Cover hat er von ein paar Stiefeln abgescannt. Er hat übrigens eine Website – checkt mal jimblanchard.com.“

Euer Album ist nur auf CD erschienen, nicht auf Vinyl.

Dave: „Stimmt, aber die gute Nachricht ist: Anfang nächsten Jahres kommt auf GP Records in Spanien eine Deluxe-Klappcover-Vinylversion.“

Ihr seid derzeit im Studio. Erzählt mal.

Diana: „Wir sind gerade mit den Basic-Tracks beschäftigt, und diesmal werden wir die Platte etwas anders angehen. Wir produzieren uns diesmal selbst, wobei uns Johnny Sangster hilft. Die neue Platte wird die Erste gut ergänzen, noch grooviger sein, mit besserem Songwriting und insgesamt runder. Wir nehmen uns die Zeit, die wir brauchen, und so wird das Album einerseits besser produziert sein, andererseits aber auch rauer, energiegeladener.“


Foto: Braimes/Johnston/Glenovich