LE TIGRE

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Feminist Fury

LE TIGRE melden sich zurück. Mit einem neuen, dritten Album und neuem Label. 1998 von Kathleen Hanna gegründet, frühere „Frontfrau“ von BIKINI KILL und damals inoffizielle Sprecherin der Riot Grrrl-Bewegung. Meine Begeisterung für BIKINI KILL als auch LE TIGRE haben mich veranlasst, ein wenig über LE TIGRE und die Riot Grrrl-Bewegung zu philosophieren ...

Drei Jahre haben sich LE TIGRE für ihr neues Album „This Island“ Zeit gelassen. Drei Jahre, in denen so einiges passiert ist, vor allem in ihrem Heimatland, den USA. Ohne auf die politischen Ereignisse eingehen zu wollen, lässt sich nicht abstreiten, dass „This Island“ durch selbige beeinflusst wurde. Doch dass LE TIGRE außerordentlich politische und sozialkritische Texte haben, ist nicht ungewöhnlich Interessant an dem neuen Album ist, dass es ihr Majorlabel-Debüt ist. Und es lässt sich einfach nicht abstreiten, dass mit dem Wechsel zu Universal auch Veränderungen eingetreten sind. Jeder, der behauptet, da ändere sich rein gar nichts, kann nur scherzen. Für LE TIGRE allerdings bedeutet das wohl kaum großartiges Verbiegen. Sie selbst nannten es mal „rollerskate jams“, gemeinhin kann man die Musik auch als punkig angehauchten Elektro-Pop bezeichnen. Womit man in Zeiten recht erfolgreicher Bands/Künstler wie Peaches aka Merrill Nisker, THE FAINT oder aber auch HOT HOT HEAT gar nicht mal so falsch liegt.

Die Crux bei LE TIGRE allerdings liegt in der Aufgabe, ihre politische Agenda mit kommerziell-radiotauglichen Songs zu verbinden. Auch wenn es diverse kritische Stimmen wegen „This Island“ gibt, die der Band vorwerfen, sich dem Elektro-Pop-Hype anzuschließen, sind die Anzeichen dafür eher schwach. Das Album ist eine natürliche Fortführung des Vorgängers „Feminist Sweepstakes“ und des ersten Albums von 1999. Betrachtet man dann auch, dass LE TIGREs erste kommerzielle Single „New Kicks“ ist, was im Grunde genommen weniger ein Song als eine Zusammenstellung von Anti-Kriegsreden ist, und nicht einer der griffigeren Songs à la „T.K.O.“ oder das POINTER SISTERS-Cover „I’m so excited“, wird der Vorwurf der groß angelegten Vermarktung unhaltbar. Wenn auch „New Kicks“ die politische Situation den in den USA anprangert, so geht es LE TIGRE doch vornehmlich um Sozialkritik, namentlich Sexismus, Homophobie, Rassismus oder aber auch gesellschaftliche Klassenunterschiede. Diese Thematik ist sozusagen noch ein „Überbleibsel“ aus Kathleen Hannas Zeiten bei BIKINI KILL, aus der Riot Grrrl-Bewegung, dessen Vorreiterband BIKINI KILL war und Kathleen Hanna als Sängerin die inoffizielle Sprecherin.

Der Riot Grrrl-Begriff selbst wurde ja von Jean Smith (MECCA NORMAL) geprägt, die seinerzeit in einem Brief davon sprach, einen „girl riot“ zu starten. Der Beginn der Riot Grrrl-Bewegung wiederum geht zurück auf Mitte der 80er und war eine logische Erweiterung der Punk-Bewegung, in der zu dieser Zeit Frauen eine sehr geringe Rolle spielten. So entstanden in und um Olympia, Washington Bands wie GO TEAM oder aber auch die Aushängeschilder der Bewegung, BRATMOBILE und BIKINI KILL. Doch bevor diese Bands ernsthaft Musik gemacht haben, ging es schon um die Forderung nach mehr Frauenaktivität und zwar nicht nur im musikalischen Bereich, sondern insbesondere was das Herausbringen von Fanzines (frühe Fanzines waren z.B. „Jigsaw“ oder „Girl Germs“), Veranstalten von Shows, Starten von Labels oder auch Organisationen von politischen Protesten betrifft. Mit der Zeit trat vor allem für die Medien der musikalische Aspekt in den Vordergrund und der Begriff „riot grrrl“ stand in erster Linie für „militanten feministischen Punkrock“, welcher überdies im Endeffekt medial zum Bedauern vieler vielfach sexualisiert wurde, will sagen, dass versucht wurde, Bands dieser Bewegung als „the new thing“ und deren Mitglieder als „sexy female punks“ zu verkaufen. Besagte Bands, die nun in den Vordergrund gepusht werden sollten, verweigerten sich jedoch größtenteils den Medien, um einer Trivialisierung als „Mode-Bands“ zu entgehen.

Der Medienrummel legte sich rasch und Mitte der 90er Jahre, quasi mit Erscheinen von BIKINI KILLs letztem Album „Reject All American“, wurde die gesamte Bewegung für tot erklärt und schnell von neuem, „anpassungsfähigerem“ Frauenrock à la Alanis Morissette ersetzt. Doch nichtsdestotrotz gab und gibt es seitdem immer wieder Bands, die sich dieser Bewegung zuordnen, sie weiterführen, ausbauen und sich ihrem Ursprungsgedanken verpflichten. Zu nennen sind vor allem SLEATER KINNEY, EMILY‘S SASSY LINE oder aber auch LE TIGRE. Obwohl LE TIGRE und vor allem Kathleen Hanna als inoffizielle Ex-Sprecherin von Riot Grrrl sich von dieser Bewegung bewusst absetzen, in erster Linie, weil sie einfach kaum mehr Kontakt zu ihren Vertretern haben, lässt sich doch die thematische Ähnlichkeit nicht leugnen. Wie eingangs schon gesagt, dominieren bei LE TIGRE Themen wie Sexismus, Rassismus oder Homophobie. Kathleen Hanna und mit ihr ihre Band ist ihrer Einstellung treu geblieben. Das Besondere an LE TIGRE ist nicht nur, dass die Band für eindeutige politische und sozialkritische Ansichten eintritt, was eine Widerspiegelung und Auseinandersetzung mit der ursprünglichen Idee des Punk und auch Hardcore beweist, sondern ebenso die Verbindung mit eher untypischer, elektronischer, „happy“ Musik. Die Band zieht keine Linie zwischen Musik als Unterhaltung und Musik mit wichtigen Inhalten.

Es bleibt nur zu hoffen, dass auch nach dem Wechsel zu einem Major-Label das mit Sicherheit breiter gewordene Publikum diese Verbindung bemerkt und sich nicht oberflächlich der Unterhaltung hingibt. Pessimismus in dieser Sache ist jedoch leider angebracht, denn auch im Jahre 2005 scheint sich die Situation von Frauen in diesem Musikbereich manchmal kaum geändert zu haben. Auch wenn das nun schon neun Jahre her ist, scheint folgendes Zitat von Erin Smith (BRATMOBILE) über ihre Europatour im Jahre 1996 bezeichnend: „People would laugh at us when we’d get onstage, they’d say: ‚When’s the real band going to play?‘ BRATMOBILE just came back from Europe, and it was so sexist in Europe, I couldn’t believe it! It was just like going back in time. They were still laughing and still like ‚What are you doing up there? You guys are silly.‘“ Vielleicht ist das auch einer Gründe, warum es auch nach 1996 und auch nach 2004 noch Bands gab und geben wird, die sich ausdrücklich das Label „Riot Grrrl“ auf die Fahne schreiben.