Q AND NOT U

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Buchstabensuppe

Sie sind eine der neueren Bands im Dischord-Rooster. Q AND NOT U, 2000 gegründet, veröffentlichten noch in dem Jahr ihr erstes Album „No Kill No Beep Beep“. 2002 folgte „Different Damage“, dieses Jahr „Power“, und wann immer man denkt, das altehrwürdige Haus Dischord habe es verschlafen, kontemporäre Bands zu fördern, kommt eine wie Q AND NOT U. Einerseits der eigenwilligen Linie des Hauses verpflichtet, andererseits mit Synthie-Einsatz nah an der Grenze zum Dancepunk, sind nicht nur ihre Platten und speziell die neueste Scheibe begeisternd, sondern auch ihre Shows. Auf ihrer zweiten Europatour spielte das DC-Trio – John Davis, Harris Klahr und Chris Richards – im Kölner Gebäude 9 vor über 300 Leuten. Verblüffend, erinnert man sich doch an keine andere Dischord-Band, die sich in den letzten Jahren so eines regen Zuspruchs erfreut hätte. Nach dem Konzert sprachen wir mit John, der erschöpft und auch etwas sauer war, hatte die Band doch technikpannenbedingt einen Auftritt fast ohne Elektronik hinlegen müssen.

Euer Auftritt heute lief ja nicht ganz so wie geplant ...


„Harris’ Keyboard ließ sich nicht in Betrieb nehmen, und so war der Auftritt wie früher, als unsere Shows etwas Gitarren-lastiger waren. Es war also durchaus okay, und wir haben eher Songs von unserer vorletzten Platte als von ‚Power‘ gespielt. Ansonsten haben wir die Lieder gespielt wie immer, aber es war eine ganz andere Erfahrung, als wenn die ganze Elektronik auf der Bühne steht, da war einfach mehr Platz. Und wer uns noch ohne Keyboards kennt, der hat wohl auch nichts vermisst, denn als wir vor zwei Jahren auf Tour waren, setzten wir die auch noch eher verhalten ein.“

Interessant fand ich, wie gut besucht das Konzert heute war, was man von anderen Dischord-Bands in den letzten Jahren nicht behaupten konnte. Eure Popularität hat damit auch dem Label wieder mehr Aufmerksamkeit beschert.

„Wir und die anderen jungen, neuen Bands auf dem Label haben den Sound des Labels schon etwas aufgefrischt. Auch wenn der Sound heute ein anderer ist als vor zehn oder fünfzehn Jahren, so ist der Spirit doch derselbe. Der Spirit, dass keine Band klingt wie die andere. Ich selbst bin ein riesiger Fan des DC- und Dischord-Sounds, kenne wirklich alle Bands und möchte beinahe so weit gehen, zu behaupten, dass ich jeden auf Dischord erschienenen Song auswendig kenne. Und vor diesem Hintergrund weiß ich, dass es so was wie ‚den DC-Hardcore-Sound‘ nie gab, man muss nur mal MINOR THREAT, FAITH, VOID und TEEN IDOLS vergleichen. Oder später GRAY MATTER, RITES OF SPRING, EMBRACE, auch wenn die sicher alle ihre Gemeinsamkeiten haben. All diese Bands sind verschieden, obwohl sie für viele Leute als Vertreter eines bestimmten Sounds gelten. Für mich gibt es in D.C. eine Tradition von Bands, die ihr ganz eigenes Ding machen, und keine Angst davor haben, dadurch in keine gängige Schublade zu passen. In dieser Hinsicht passen wir also in die Dischord-Familie, genau wie EL GUAPO, BLACK EYES und all die anderen, die in den letzten Jahren dort Platten veröffentlicht haben.“

Dischord als Label war und ist für dich also eine Herzensentscheidung.


„Ich bin 28 und mit den Bands dieses Labels aufgewachsen. Mein erstes großes Konzert war FUGAZI, meine erste Club-Show HIGH BACK CHAIRS – Dischord ist meine musikalische DNA, einfach ein großer Einfluss in meinem Leben. Wir kennen Ian MacKaye schon lange und sind mit den Dischord-Leuten befreundet, und als wir dann unsere ersten Aufnahmen einspielten, fragten wir Ian einfach, ob er uns nicht produzieren könne. Denn uns gefiel, wie und was er da machte, etwa bei einer damaligen LUNGFISH-Platte. Ian hatte Lust dazu, wir lernten uns besser kennen, und als dann das erste Album anstand, fragten wir einfach, ob es nicht auf Dischord erscheinen könne. Und wir sind bis heute absolut zufrieden, wir arbeiten sehr gerne mit Dischord zusammen.“

Und doch sind über die Jahre auch Bands von Dischord weggegangen, etwa JAWBOX oder GIRLS AGAINST BOYS, um als Band weiterzukommen. Für euch eine Option?

„Eine schwierige Frage, auf die ich keine Antwort weiß. Ich weiß ja nicht, wer und wo wir heute mit einem anderen Label wären. Und ohne Ian gäbe es uns in der Form wie heute auch gar nicht. Klar, was Promotion und Anzeigenschaltung anbelangt, sind Dischord eher ‚konservativ‘, da geben andere Labels viel mehr Geld für aus. Und so gibt es zu Dischord Pros und Contras, aber das ist bei jedem Label der Fall. Keine Ahnung, was die Zukunft bringt, aber für den Augenblick sind wir auf Dischord sehr glücklich.“

Hat die positive Resonanz auf eure neue Platte eventuell etwas damit zu tun, dass sie ohne weitere Kenntnis eures Backgrounds durchaus mit dem Dancepunk-Genre in Verbindung gebracht werden kann?

„Schon möglich, und vielleicht war ja auch der eine oder andere heute auf dem Konzert deshalb enttäuscht. Aber wenn einige Leute nur hier waren, weil sie eine weitere Keyboard-Band erwartet haben, dann bin ich fast schon wieder froh über unsere Panne. Wir hatten in den USA aber auch schon gegenteilige Reaktionen, wo wir gefragt wurden, was mit unseren Gitarren passiert sei.“

Fühlt ihr euch denn wohl dabei, wenn euer europäischer Vertrieb eure Platte als „File under: Dance Punk/Funk“ anpreist?

„Wohl fühlen wir uns mit so einer Kategorisierung nicht, doch darüber hast du eben keine Kontrolle. Du kannst mir glauben, dass diese Bezeichnung sicher niemand bei Dischord gebrauchen würde. Aber so läuft das Business eben, und diese Schubladen beziehen sich ja auch nur auf einen kleinen Teil unserer Musik. Sicher, unsere neue Platte hat mehr von diesem ‚Dance Punk‘-Ding als die davor, denn sie ist einfach insgesamt sehr von Dance-Music beeinflusst. Du kannst darauf auch Prince entdecken, und DAFT PUNK ...“

... und THE MAKE-UP.

„Aber das hat eher was damit zu tun, dass wir die gleichen Einflüsse haben, nämlich Soul, Funk und R&B, Stax, Isaac Hayes. Auf der Platte passiert aber viel mehr, es gibt nicht nur Black Music, sondern auch House und andere Dance-Music. Und ‚Throw back your head‘, der dritte Song, hat mehr mit britischem Folk wie von FAIRPORT CONVENTION oder Nick Drake zu tun. Ich könnte jetzt die ganze Platte durchgehen und dir belegen, warum die Platte eben nicht ‚Dance Punk‘ ist. Wir hatten dabei kein Konzept im Kopf, als wir die Songs schrieben.“

Wie geht ihr denn beim Songwriting vor?

„Wir haben uns gegenseitig die Platten unserer Eltern vorgespielt, den anderen erklärt, welche Sounds und Vibes wir gut finden, einfach Ideen gesammelt. Das war schon von Anfang an so: Als wir 1998 die Band gründeten, hatte ich gerade in einem Thriftstore kistenweise alte Disco-Platten abgestaubt und festgestellt, dass ich manches davon tatsächlich gut fand. Und wenn man sich mit diesem Wissen unsere ersten beiden Platten anhört, kann man diesen Einfluss auch schon da erkennen. Klar, ich kann nicht bestreiten, dass dieser Disco-Einfluss in den letzten Jahren in Indierock-Kreisen populärer geworden ist und die Leute dadurch ein Ohr dafür entwickelt haben. Zudem haben wir diesen Einfluss auf der neuen Scheibe ja auch forciert.“

Wie wichtig ist euch die inhaltliche Seite?

„Ich schreibe die Texte ja nicht, aber die Texte an sich sind schon sehr wichtig für die Band. Anfangs wurden wir oft gefragt, was die Texte bedeuten sollen, denn für viele ergaben sie keinen Sinn, waren schwer zu entschlüsseln. Auch heute sind sie nicht wirklich direkt, aber sie lassen sich etwas leichter verstehen – gerade die von der neuen Platte. Der Band-Kontext hat sich verändert, wir sind heute viel politischer als früher. Das ist eine Entwicklung der letzten zwei Jahre, weil sich die Situation in den USA einfach so verschlechtert hat. Wir sagten uns, dass wir als Band die Möglichkeit haben, mit Menschen zu reden, in den USA und anderswo, und ihnen erklären können, was da vor sich geht, und sie bitten, sich zu engagieren. Und so werden wir seitdem durchaus als politische Band wahrgenommen. In eigentlich allen Interviews, die wir zur neuen Platte gegeben haben – die erschien ja noch vor der Präsidentschaftswahl – sprachen wir fast nur über Politik, was bei dem Album davor überhaupt nicht der Fall gewesen war.“

Was ist das für ein Gefühl, nach so viel Engagement trotzdem eine Niederlage erlitten zu haben?


„Viele Leute, die sich sehr stark eingesetzt haben, müssen sich jetzt erstmal etwas ausruhen, und dann sehen, welchen Dingen sie sich als nächstes widmen. Wir waren vor und nach der Wahl ausgiebig auf Tour, hatten nur eine kurze Pause, bevor es nach Europa ging, da hatten wir noch kaum Zeit, uns zu besinnen. Aber das Wahlergebnis ist auf jeden Fall verheerend. Der Wahlabend war schrecklich, weil man da sehen musste, wie die Hoffnung auf ein Ende der Bush-Regierung sich auflöste. Dabei war das der einzige Trost in den letzten vier Jahren, denn nach 2000 hatte sich jeder gesagt, dass man die vier Jahre schon irgendwie überleben werde. Jeder hielt Amerika für schlau genug, sich Bush nach vier Jahren wieder zu entledigen. Aber Bush hat gute Arbeit geleistet, so wie er das konservative rechte Lager mobilisieren konnte, und wie er mit seinen Themen die Amerikaner zudem von den wirklich wichtigen Fragen abgelenkt hat. Wie es in den nächsten vier Jahren weitergehen wird? Ich hatte noch keine Zeit, wirklich darüber nachzudenken.“