DEADLINE

In defensio deadlineium

Als ich Liz das erste Mal habe singen hören, ist sie bei einem Konzert von THE BUSINESS in London einfach auf die Bühne gehüpft und hat angefangen mitzusingen. Zuerst dachte ich noch: „Hey, das ist aber nicht Micky Fitz. Betrug! Ich will mein Geld zurück!“ Mein ursprünglicher Verdacht bestätigte sich sodann und man teilte mir mit, dass es sich um die überaus begnadete Sängerin der örtlichen Streetpunk-Band DEADLINE handele. Aha.
So weit, so unbeeindruckt. Ich muss dazu sagen, dass ich in dieser Zeit gerade in London wohnte, und nach diesem Auftritt von Liz begegneten mir DEADLINE dort plötzlich alle Nase lang. Ständig irgendwo ein Konzert, mal mit den FILAMENTS, mal mit irgendwelchen Deutschpunk-Bands aus Aachen, deren Namen ich glücklicherweise verdrängen konnte. Mein damaliger Freund, seines Zeichens größter DEADLINE-Fan überhaupt, brachte mich dann mit dem ersten Album der Band, „More To It“, in akustischen Kontakt. Bald darauf kam auch schon der Nachfolger „Back For More“ heraus und spätestens ab da war ich überzeugt. Umso größer war denn auch meine Freude, als ich das neue Album „Getting Serious“ zur Rezension bekam. Ich traf mich mit Liz und Bassist Hervé im Rahmen ihrer Record-Release-Party in der Garage in London, wo sie mir vor dem Konzert noch schnell einige Fragen beantworteten.

Euer neues Album „Getting Serious“ kommt ja jetzt auf People Like You raus. Wie kam denn der Labelwechsel zustande?

Hervé:
„Captain Oi! ist ein klasse Label, aber wollten ein mehr europäisch orientiertes Label mit neuen Bands. Captain Oi! macht ja eher Re-Issues von alten Bands wie den 4 SKINS, BUSINESS oder COCKSPARRER. Die arbeiten weniger mit neuen Bands. Wir wollten ein kompetentes Label, das auch junge Bands unterstützt und für People Like You trifft das auf jeden Fall zu. Also haben wir denen ein Demo geschickt, was ihnen offensichtlich gefiel. Sie kamen dann nach London, um uns zusammen mit den BONES spielen zu sehen. Das gefiel ihnen scheinbar auch, und daraufhin haben sie uns dann einen Vertrag angeboten. Da haben wir natürlich nicht lange gezögert.“

Im Vergleich zu den beiden Vorgängern „More To It“ und „Back For More“ fällt bei dem neuen Album der wesentlich ausgereiftere Sound auf. Seht ihr die Steigerung auch so deutlich?

Liz:
„Ja, wir haben uns diesmal einfach viel mehr Zeit gelassen, vor allem beim Gesang. Wir hatten uns vorher ein Vierspurgerät besorgt, damit wir schon mit konkreten Ideen ins Studio gehen konnten. Ich persönlich bin mit diesem Album auch wesentlich zufriedener, als mit den ersten beiden.“
Hervé: „Ich mag das zweite lieber als das erste und das neue lieber als das zweite, und so sollte es auch sein, eine ständige Weiterentwicklung. Nicht nur der Sound hat sich verbessert, auch das Songwriting. I like the ideas. Ich glaube wirklich, dass es ein gutes Album ist, und bisher haben wir auch echt gute Reviews bekommen.“

War das nur eine Frage der Zeit oder auch des Geldes?

Hervé:
„Nein, das ist keine Frage des Geldes. Es kommt nur darauf an, wie viel Zeit man sich nimmt. Das erste Album ist eher so nach dem Motto entstanden: ‚Hey, let’s form a band. Hey, let’s write a few songs. Hey, let’s make an album.‘ Und das alles passierte innerhalb von drei Monaten. Das ging etwas zu schnell.“

Letztes Jahr in Düsseldorf bei „Oi! The Weekend“ hat euer damaliger Drummer kurz vor der Tour abgesagt, weil er nicht mitkommen wollte oder konnte. Wie kommt es, dass ihr gerade mit euren Drummern so viele Probleme habt?

Hervé:
„Nico, unser jetziger, der seit etwas weniger als einem Jahr dabei ist, ist der beste, den wir je hatten. Aber wir hatten so einige Probleme mit unseren bisherigen Schlagzeugern. Kennst du den Film ‚Spinal Tap‘? They just die on stage! Nein quatsch, also unser erster Schlagzeuger war eigentlich bei KNUCKLEDUST. Mit denen hatte er eigentlich auch so schon genug zu tun. Und als DEADLINE immer mehr von seiner Zeit in Anspruch nahm, ist er eben ausgestiegen. Es wurde ihm einfach zu viel. Danach hatten wir Dave, der spielte etwa ein Jahr bei uns, aber dann wollte er auf einmal nicht mit nach Deutschland und in die USA auf Tour kommen. Dave hat uns leider einfach hängen lassen.“
Liz: „Wir sind dann mit unserem Kumpel Billy auf US-Tour gegangen. Aber das war nur ein Freund, der eben mal ausgeholfen hat. Nico kam dann auf uns zu, als wir gerade auf der Suche nach einem neuen Drummer waren. Wir haben ihn dann nur gefragt: ‚Kannst du spielen?‘ Er sagte: ‚Ja.‘ Und das war’s. Er wollte wirklich unbedingt in einer Band sein.“
Hervé: „Danach haben wir Dave rausgeschmissen und Nico hat dann, wie gesagt, ab da übernommen. And Nico’s the best! Außerdem haben wir dadurch jetzt auch ein noch internationaleres Line-up. Abgesehen von den drei Engländern in der Band haben wir einen Franzosen, nämlich mich, und Nico, der ist Spanier.“
Liz: „Oder Grieche ...“
Hervé: „Oder Argentinier ... Das ist etwas kompliziert. Er ist in Argentinien geboren, hat einen griechischen Pass, ist in Spanien aufgewachsen und wohnt seit 15 Jahren in England. Also sind wir schon eine sehr multinationale Band, allein durch Nico.“

Im Gegensatz zu euren ehemaligen Schlagzeugern scheint ihr das Thema Familie und Job ja einigermaßen mit der Band vereinbaren zu können. Wie kommt’s?

Hervé:
„Man muss manchmal Entscheidungen treffen. Für mich kommt die Band an erster Stelle. Wenn ich deswegen meinen Job wechseln muss, dann mach ich das eben. Die Band ist für mich die Hauptmotivation im Leben. Wir gehen vielleicht nicht so oft weg, sehen die Familie nicht so oft, gehen nicht so oft in die Kneipe oder zum Fußball oder so, aber dafür spielen wir in einer Band, die uns Spaß macht. Wir spielen in unserer Freizeit, und wenn wir keine Freizeit haben, schaffen wir uns eben welche.“

Du bist Lehrer ...

Hervé:
„Ja, richtig. Wenn DEADLINE irgendwann so viel Zeit in Anspruch nimmt, dass ich nicht mehr unterrichten kann, dann werde ich wohl aufhören müssen, aber noch lässt sich das mit der Band vereinbaren. Wir touren eben in den Ferien, und meine Direktorin gibt mir auch schon mal eine Woche länger frei. Ich denke, ich mache meine Arbeit ganz gut und deshalb geht das.“

Hattet ihr nicht auch vor, in nächster Zeit eine Split-Platte mit 4 PROMILLE zu machen?

Liz:
„Ja, eigentlich schon. Wir wollten eines von ihren Liedern auf Englisch einspielen und sie eines von unseren auf Deutsch. Leider ist daraus aber noch nichts geworden.“
Hervé:„Die wollen das zwar unbedingt machen und wir auch, aber 4 PROMILLE haben wohl nicht so viel Zeit für die Band.“

Habt ihr denn für die nächste Zeit irgendwelche anderen Kollaborationen geplant?

Hervé:
„Vorerst nicht. Wir werden jetzt erst mal das aktuelle Album promoten, und wer weiß, vielleicht reden wir dann mal mit den BONES. Das sind gute Freunde von uns und außerdem ja jetzt auch unsere Labelkollegen. Mal schauen. You never know.“
Hört ihr denn viele der Bands auf People Like You?
Hervé: „Ja, schon, aber die BONES und MAD SIN waren auch schon unter meinen Lieblingsbands, bevor wir zu People Like You gewechselt sind.“

Und von den Bands, mit denen ihr bisher so auf Tour wart, wer ist euch da am meisten in Erinnerung geblieben?

Hervé:
„Die BRASSKNUCKLE BOYS! Das sind echt nette Leute, nicht so abgehobene Rockstars. Deswegen touren wir gerne mit kleineren Bands wie uns, mit denen man nach dem Konzert auch mal ein Bierchen trinken kann. Die sind nicht nett zu dir, weil sie müssen, oder weil sie was von dir wollen, sondern weil sie einfach so sind. So wie wir.“

Und welches Land ist eurer Meinung nach das interessanteste oder beste, in dem ihr bis jetzt gespielt hat?

Hervé:
„Deutschland auf jeden Fall, aber auch Tschechien.“

Und was macht eurer Meinung nach Deutschland so interessant für Bands wie euch?

Liz:
„In Deutschland nehmen die Leute auch mal eine längere Fahrt zu einem Konzert in Kauf. Hier in England ist das eher so, das kein Schwein kommt, wenn du nicht direkt nebenan spielst!“