RAPIERS

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Twang for a Shadow

Sie waren Screaming Lord Sutchs SAVAGES, Mike Berrys OUTLAWS, John Leytons LEROYS, Freddie Garritys DREAMERS, Heinz Burts WILD BOYS und sind nach wie vor die einzig legitimen SHADOWS-Doppelgänger. Wenn irgendein abgehalfterter britischer Beat-Star eine Backing-Band braucht, die nicht nach Bierzelt oder Bingo-Salon klingen soll, sind sie zur Stelle. Die RAPIERS aus Edmonton, UK, seit über 20 Jahren im Dienst der geschmackvollen Beat-Musik, stilbewusst und detailversessen bis in die Wahl des Plektrums: Da stimmt alles. Nirgendwo glänzen die Winklepickerboots mehr, keiner bindet die Krawatten wie sie, und die Fender Stratocaster wird jedes halbe Jahr wieder aufs neue in „Fiesta Red“ nachlackiert. Leider gibt es sie in Deutschland so gut wie nie zu sehen, deshalb fuhr Gereon Helmer nach Midwoud, Nordholland, um mit Colin V. Pryce-Jones, einen der talentiertesten Twangmeister seiner Epoche und würdigsten Glasbaustein-Hornbrillen-Träger nach Hank Marvin, ein Gespräch unter sechs Augen zu führen ...

Eure erste und einzige Show für dieses Jahr. Wie kommt es, dass ihr so selten außerhalb von Großbritannien spielt?


„Das kommt ganz darauf an, welches Jahr du meinst. Es hat Jahre gegeben, in denen wir viel im Ausland unterwegs waren. Wir waren in Island, Finnland, Spanien, auf dem ganzen Kontinent haben wir bereits gespielt. Dieses Jahr war es so, dass wir zwei Wochen lang eine Show namens ‚Born To Rock‘n‘Roll‘ in Dänemark gespielt haben. Danach kam die Show nach England, wo wir wieder viel mit Jet Harris gespielt haben. Und momentan touren wir durch Großbritannien mit der Show ‚The Best Of Me‘, zusammen mit Jimmy Jermaine, einem Cliff Richard Look- und Soundalike. Wir spielen sozusagen die SHADOWS, und auch Jet Harris und Cliff Hall sind mit dabei. Hoffentlich schaffen wir es mit dieser Show auch bald ins Ausland.“

Die RAPIERS gibt es jetzt schon über 20 Jahre. Außer drei LPs, zwei Compilations und eine Handvoll Singles habt ihr aber nichts veröffentlicht. Warum nicht?

„Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen halte ich es nicht für klug, viel Material mit durchwachsener Qualität herauszubringen. Da warte ich lieber, bis wir eine LP mit wirklich herausragendem Material veröffentlichen können. Ich weiß, dass die Leute mehr von uns hören wollen, aber die Reputation der Band ist so groß. Der zweite Grund ist, dass wir nur noch im Toe Rag Studio in London aufnehmen wollen. Der Producer, Liam Watson, hat aber momentan aufgrund des enormen Erfolges der WHITE STRIPES sehr viel zu tun. Wir hatten im letzten Jahr drei Sessions bei Liam gebucht, aber alle drei wurden leider gecancelt. Wir wollen aber nirgendwo anders aufnehmen. Liam ist ein unglaublich netter Kerl, der genau weiß, welchen Sound ich haben will. Wir spielen unseren Sound, so gut wir können, und Liam bringt das Ganze aufs Band. Einfach ein fantastischer Produzent. Er ist genauso enthusiastisch wie wir.“

Seit wann nehmt ihr denn schon bei Toe Rag auf?

„Eigentlich erst seit Mitte der Neunziger. Unsere ersten Platten sind als EPs erschienen, als Privatpressungen, nur 2-3.000 Stück. Dann gab es zwei Vinyl-LPs, und 1990 gab es dann die erste CD. Die zweite CD erschien dann allerdings erst 2000, also eine Lücke von zehn Jahren, das ist vielleicht wirklich etwas lang, haha!“

Der Toe Rag-Sound ist natürlich fantastisch, aber glaubst du nicht, dass digitale Aufnahmegeräte noch mehr Möglichkeiten bieten können, um euren Sound hinzubekommen? Joe Meek hätte doch heutzutage sicher auch mit Computern aufgenommen.

„Du sprichst aber gerade von zwei verschiedenen Dingen. Zum einen hätte Joe Meek natürlich damals alle Technologie, die ihm zur Verfügung stand, eingesetzt, um den Sound, den er haben wollte, zu erreichen. Ob er heute digital gearbeitet hätte, kann man natürlich nicht sagen, das ist nur Spekulation. Wir wollen allerdings den Sound schaffen, wie er vor 45 Jahren aufgenommen worden wäre. Ich will eigentlich mit digitalen Geräten gar nichts zu tun haben. Ich habe manchmal zwar schon mit anderen Projekten so was benutzt, aber es klingt nun mal total anders. Den Sound, den wir mit Liam haben, bekommst du in einem digitalen Studio niemals hin, und wir werden auch niemals so aufnehmen.“

Aber auf der Bühne gibt‘s bei euch doch auch einen Synthesizer. Wäre es dann nicht konsequent, wenn Cliff Hall anstelle des Synthies mit E-Piano und Hammond-Orgel spielen würde, und man die Streicher und Bläser einfach weglässt?

„Cliff Hall gehört aber nicht zu den RAPIERS. Die RAPIERS und Jet Harris‘ Set, das sind zwei verschiedene Sachen. Wir sind eine vierköpfige Gitarrengruppe, bei den RAPIERS hat es nie einen Keyboarder gegeben. Jet Harris spielt aber Sachen wie ‚Diamonds‘ und ‚Scarlett O‘Hara‘. Die Bläsersounds kann man einfach nicht mit einer Hammond imitieren, und Jet will einfach, dass alles möglichst so wie auf den alten Singles klingt. Cliff Hall macht das auch sehr gut, und es geht einfach nicht anders, es sei denn, man geht mit zwanzigköpfigen Orchester auf Tour. Das kostet dann aber auch ein paar tausend Pfund, und das will leider keiner mehr bezahlen ...“

Bei den RAPIERS gab es ja in letzter Zeit einige Umbesetzungen. Warum?

„Brad Dallaston und Neil Ainsby sind vor etwa drei Jahren ausgestiegen, Brad spielt jetzt fast gar nicht mehr, und Neil spielt nur noch ab und zu. Neil kam aber wieder nach unserer West End Show ‚Cliff – The Musical‘ und blieb noch fast ein Jahr bei uns. Danach ist er allerdings nicht ausgestiegen oder rausgeworfen worden, wie manchmal erzählt wurde. Er ist einfach verschwunden, ehrlich ... Wir hatten keine Ahnung, was mit ihm los war, bis er vor zwei Monaten wieder anrief. Er hatte wohl einige sehr eigenartige Probleme, mehr kann ich jetzt nicht sagen. Glücklicherweise hatte Wayne Nichols, unser ehemaliger Rhythmusgitarrist, gerade seine Probleme soweit im Griff, dass er wieder bei uns einsteigen konnte, und bei der Besetzung wird es wohl nun hoffentlich eine Weile bleiben.“

Musstet ihr den viel proben mit der neuen Besetzung?

„Überhaupt nicht. Wayne hat erst drei Tage vor seinem ersten Konzert erfahren, dass er mit dabei sein sollte, und er war fantastisch – als ob er nie weg gewesen wäre ...“

Viele eurer Instrumentals klingen ja wie Filmmusik von Filmen, die es nie gab. Habt ihr mal überlegt, einen Film-Soundtrack zu schreiben, oder hat euch mal jemand darauf angesprochen?

„Vor einigen Jahren bin ich mal gefragt worden, ob ich Filmmusik schreiben könnte, aber da ist natürlich nichts draus geworden. Und ich schreibe auch nur Musik, wenn es dafür einen Grund gibt. Ich habe zu Hause eine Schublade voller unveröffentlichter Stücke aus den letzten Jahren, die wohl nie veröffentlicht werden. Wenn jetzt jemand sagt: ‚Schreib mir 10 Instrumentals für eine LP!‘, würde ich das auch machen, aber sonst?“

Also brauchst wohl auch jemanden, der sagt: „Schreib‘ mal zehn fantastische Beat-Songs!“

„Ob die fantastisch werden, weiß ich allerdings nicht, haha! Aber kennst du die KAISERS? George Kaiser schreibt fantastische Stücke, er kann‘s wirklich. Du kannst ihm sagen: ‚Schreib mir eine zehn Nummer-1-Beat-Songs, und innerhalb einer Woche bringt er sie dir vorbei ... Er ist unglaublich!“

Eine Schande, dass die KAISERS nicht mehr spielen!

„Ja, ich bin ein großer Fan, eine meiner absoluten Lieblingsbands. Wir haben vor drei Jahren mit ihnen in London gespielt, einer ihrer letzten Gigs, und es war ein absolut wunderbarer Abend! Aber es ist sehr schwierig, in England, Europa oder sonst wo eine Band am Laufen zu halten, die in einer Zeitblase existiert. In den letzten zehn Jahren sind die Leute, die einen 100% authentischen Sound mögen, immer weniger geworden. Es gibt kaum noch Leute, die diese kleinen Details, die ich für unglaublich wichtig halte, verstehen. Aber bei den RAPIERS wird es keine Kompromisse geben, die werden immer für die frühen 60s stehen ...“

Und du kannst trotzdem davon leben, oder gibt es noch Nebenjobs?

„Nein, ich lebe von der Musik, seit ich aus der Schule gekommen bin. Das war nicht immer einfach. Ein einziger kleiner Hit könnte schon die ganze Sache verändern. So kennen dich nur die Leute, vor denen du gerade spielst.“

Lass uns mal über deine Solo-LP „Guitar Heaven“ reden. Das sind ja alles religiöse Titel. Welchen Sinn macht das denn bitteschön bei einer Instro-Platte?

„Ich bin wiedergeborener Christ, und ich wollte etwas machen, um Gott zu danken für das Talent, das er mir gegeben hat. Und ich fand immer schon, dass Kirchenlieder unglaublich gute Kompositionen sind. Also hab ich ein Lied wie ‚Jerusalem‘ genommen, und in das Arrangement von ‚Diamonds‘ gepackt. Und das hat auch ganz gut geklappt. Ich gebe dir recht: Christen werden wohl nicht viel Botschaft aus meinem Song entnehmen können, aber die meisten Christen kennen die Texte zu den Liedern sowieso, und wer den Text nicht kennt, kennt den Song vermutlich auch nicht. Doch die Idee war es, etwas zu machen, das eine christliche Botschaft enthält, ohne allzu dick aufzutragen. Ich hätte das auch mit Gesang machen können, aber das hätte wohl überhaupt keiner hören wollen ... Leute, die Instrumentals mögen, denen gefällt auch die Platte. Ich meine, der Herrgott wird‘s schon richten. Wenn er die Herzen der Leute in diese Richtung bewegen will, dann tut er das auch.“

Hast du alles auf dem Album alleine gespielt? Was war daran anders, als bei der Produktion einer RAPIERS-LP?

„Bei einer RAPIERS-LP spielen wir vier alles zusammen live ein, und danach gibt‘s manchmal Overdubs. Bei ‚Guitar Heaven‘ war aber nur ich und ein Schlagzeuger, und bei einigen Stücken Steve Rushton. Ich habe also mit dem Schlagzeuger zusammen den Rhythmus-Track eingespielt, und danach alle Gitarren- und Orgelparts darüber gespielt. Das hat natürlich viel länger gedauert, ich habe es aber so gemacht, weil ich die RAPIERS gefragt habe, und es wollte absolut keiner mit dem Projekt zu tun haben. Sie sagten, das wäre christliche Musik, und keiner von ihnen hatte diesen Background. Das muss man auch respektieren. Ich dachte dann, das Projekt wäre gestorben, aber mein Label Fury Records sagte: ‚Mach es doch einfach alleine!‘. Ich wollte es eigentlich gar nicht mehr, weil es wohl auch keinen Markt dafür geben würde, aber es hat sich doch unglaublich gut verkauft!“

Eure LP „1961“ ist leider vergriffen, und wird wohl auch nicht wieder aufgelegt. Warum?

„Die LP kam damals bei Ace Records raus, und denen gehören auch die Rechte. Als Fury nachgefragt hat, ob sie es wiederveröffentlichen, haben sie einfach ‚Nein‘ gesagt. Ganz einfach. Leider haben wir darauf überhaupt keinen Einfluss. Ich würde die Platte auch gerne wieder rausbringen, weil da eine Menge ausgezeichneter Songs drauf waren, aber das wird wohl nicht klappen ...“