SPITS

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Punk for the People

Aus Seattle/WA kommt vieles, was in den Augen unzähliger Musik- und Computerfreaks die Welt verändert hat, nämlich Bill Gates, Kurt Cobain und der Mann mit der Gitarre – Jimi Hendrix. Nun ist es an der Zeit, die ganze Aufmerksamkeit den wundervollen, vor Punkrock zu platzen drohenden SPITS zu schenken. Die beiden Brüder Erin und Sean haben vor gut elf Jahren angefangen, Musik zu machen und seitdem die meiste Zeit damit verbracht, in Clubs aufzutreten, Bier zu trinken, die Bandmitglieder zu wechseln und exzellente Platten auf Dirtnap und Slovenly zu veröffentlichen, welche in einer reizenden Art und Weise an die RAMONES erinnern. Während der Worldtour ’04 nutzte ich die Gelegenheit für ein Gespräch – um meinen Durst nach der Geschichte und den Plänen der SPITS zu stillen, aber auch um einen Einblick in die Köpfe der jung gebliebenen, außerordentlich guten Band mit den absolut kranken Lyrics zu gewinnen ... Man traf sich in einem ehemaligem Puff in Münster.

Wer sind die SPITS und was hat euch dazu verleitet, Musik zu machen?

Sean:
„Ich bin der Gitarrist der Band, und das da hinten in der Ecke ist mein Bruder Erin. Er ist der Sänger. Und dann haben wir noch den wunderbaren Wayne am Schlagzeug und für diese Tour Joe aus Portland an den Keyboards. Nun, ich meine mich zu erinnern, dass wir anfingen, Musik zu machen, um dem Wahnsinn zu entfliehen, der uns sonst wahrscheinlich dazu verleitet hätte, uns gegenseitig die Köpfe einzuschlagen. Ich und Erin haben einige Probleme, weißt du. Was soll ich sagen, we just went fuckin’ mad! Wir hatten von Anfang an vor, Punkrock zu machen, konnten zwar weder singen, noch irgendein Instrument bedienen, aber der Wille war da. Nun befinden die SPITS sich an einem Punkt, wo sie musikalisch immer hin wollten. Wir beide sind also von Anfang an dabei, Drummer und Keyboarder haben unzählige Male gewechselt.“

Woran lag’s?

Sean:
„Wir hingen einfach zu lange miteinander rum. Mein Bruder ist kein guter Umgang und weit davon entfernt, so etwas wie Sympathie auszustrahlen. Deshalb sind alle abgehauen. Seit einiger Zeit klappt aber alles hervorragend und wir spielen in jedem dreckigen Loch, so lange es Bier gibt. Nun ja, die Dinge sind nicht immer einfach ...“
Erin: „Was meinst du?“
Sean: „Willst du jetzt reden, oder was?“
Erin: „Nee, du machst das schon. Du bist doch der Einzige, der was Vernünftiges zu sagen hat ...“
Sean: „I love you, fuckin’ idiot! Geh mal ein paar Bier holen ...“

Wow, ihr versteht euch ja richtig gut. Aber zurück zur Band ... Wieso eigentlich THE SPITS?

Sean:
„Wir fühlen uns oft wie ausgespuckt. Wir kauen alles zweimal durch, bevor wir es ausspucken. Deswegen auch Lieder wie ‚Spit me out‘. Aber wenn du es genau wissen möchtest: Das war so, ich zog damals von Seattle weg und war mit meiner Band unterwegs in den Staaten. Wir nannten uns THE QUITTERS. Eines Tages auf dem Weg von Memphis nach Michigan wurde mir klar, wie sehr mich dieser Name eigentlich anpisst. Dann saßen meine Mutter, Erin und ich im Auto und sie fragte mich: ‚Well, son, so you gonna call your band The Spitters now?‘ Und ich sagte: ‚Oh no, dear mother, much better, I’m gonna call ’em THE SPITS!‘ Das ist nun schon ein paar Jahre her.“

Steht eure Mutter auf die SPITS?

Sean:
„She fuckin’ loves it! Es war damals alles sehr stressig und vor allem laut. Sie mochte wohl eher, dass ich was mit meinem Bruder zusammen unternahm. Erin spielte natürlich immer den großen Anführer und wir prügelten uns jeden Tag. Glücklicherweise lernten wir bei einem Auftritt in der Stadt unseren damaligen Drummer kennen, der immer versuchte, uns auseinander zu halten. Von da an ging es auch so langsam bergauf, die Platten verkauften sich deutlich besser und es kamen mehr und mehr Menschen zu den Auftritten.“

Ihr macht es euch selber schwer, kann das sein? Konkurrenz unter Brüdern ...

Sean:
„So ist es nun mal, irgendwann hatte ich so die Schnauze voll, dass ich ihn aus der Band warf.“
Wayne:„Später hat er sich deswegen ganz miserabel gefühlt, aber der Alkohol hat ihm geholfen, über diese unüberlegte Entscheidung hinweg zu kommen.“

Was hat eure Mutter gesagt?

Sean:
„Sie hat es natürlich nachvollziehen können. Ist ja schließlich ihr Sohn, und sie weiß, wie er drauf ist. Ich war sowieso immer der Lieblingssohn. Aber ich mache auch Fehler, und so habe ich Erin wieder zurück geholt. Zu diesem Zeitpunkt nannten wir uns noch die OPEN E’S. Sehr viel Blues war im Spiel, aber wir haben etwas gefunden, das nicht so aggressiv war. Und immerhin haben wir in unserer Kindheit sehr viel Blues gehört. Jedes mal, wenn wir auftraten, kam mehr und mehr Punk hinzu. Ehrlich gesagt, purer chaotischer Müll, eine Art Garage-Rock. Die Punks in der Stadt schimpften uns ‚Garage Rockers‘. Und die Garage Rockers schimpften uns Punks. Wir wussten selber nicht, was wir da überhaupt für ein Ding durchzogen. Wir wollten uns nicht an anderen Bands orientieren, geschweige denn irgendwen kopieren. Aber man braucht als Band immer eine Inspiration. Und um weiter zu kommen, muss man viel Zeit investieren. Leider ist uns das erst relativ spät klar geworden. Uns ging es zu dem Zeitpunkt nur um Spaß. Hauptsache, keine Verpflichtungen und genügend Bier.“

Wie kam es dann zum gegenwärtigem Sound der SPITS?

Sean:
„Ich dachte mir ‚Fuck ’em all!‘. Ich bringe das alles auf ein höheres Level. Wir traten uns gegenseitig in den Hintern, damit wir die Scheiße endlich ins Rollen bringen konnten. Zunächst standen wir absolut ratlos da, wie vor einer bepissten Wand, und hörten Stimmen: ‚You suck, you really suck!‘ Wir fingen dann einfach mal an ... Spielten eine Show nach der anderen, in jedem Club, selbst wenn nur zehn Leute kamen. Das Ziel war es herauszufinden, was wir eigentlich wollen: die Leute mit der Musik zum Tanzen bringen, und vor allem uns als Band weiter entwickeln. Oft kamen uns die besten Ideen für Songs während des Trinkens oder des Soundchecks. Wir spielen straighten Punkrock mit ebenso vielen Akkorden wie andere auch, aber die SPITS erkennt man sofort. Einige in der Band blieben leider in ihrer Entwicklung stecken ...“
Erin: „Halt’s Maul, du Sack!“
Sean: „What? Fuckin’ hell, wir spielen heute Abend in einem ehemaligen Puff, also rede nicht so mit mir! Wie auch immer, mittlerweile haben wir die richtige Zusammenstellung in der Band. Es hat zwar lange gedauert, bis wir die richtigen Leute gefunden haben, aber mit Wayne an den Drums und Joe am Keyboard verfolgen wir alle dieselbe musikalische Idee!“

Wie lautet denn diese Idee?

Sean:
„To become the best band in the whole wide world!“
Klar, was denn sonst. Was diese Art von Musik angeht, seid ihr in meinen Augen ganz oben. Obwohl man die BRIEFS auch nennen sollte.
Sean: „Siehst du, wenn einer das denkt, werden die anderen folgen ... Wir wollen die ultimative Punkrockband sein, lustig und gut aussehend.“
Erin: „Haben die BRIEFS nicht für G. W. Bush gestimmt?“
Sean:„Ja, ich kann es immer noch nicht glauben. Alles nur, weil sie jetzt reich sind.“

Wie bitte?

Sean:
„Nein, ich mach nur Spaß. Druck das bloß nicht! Obwohl, ich habe ja gesagt, dass ich scherze. Wir verstehen uns sehr gut mit den Jungs. Kennst du die Split-Single?“
Ja klar ... Wird es demnächst noch mal zu einer Zusammenarbeit kommen?
Sean: „Nein ich denke nicht, die haben viel zu tun und wir ebenso. Damals auf der gemeinsame Tour haben wir uns sozusagen gegenseitig ergänzt, aber mittlerweile macht jeder sein eigenes Ding. Aber zurück zum Thema ... Worum ging es gerade eben?“
Erin: „Wir wollen die beste Band der Welt werden.“

Und, fühlt ihr schon was?

Sean:
„Yeah, baby, es sei denn, du kannst mir eine Band nennen, die so großartig ist wie wir. Wir sind einfach einzigartig, original. Viele Bands kopieren unseren Sound wie z. B. THE HIVES oder neuerdings auch die RAMONES.“
Erin: „Es scheint ja auch einfach zu sein ... Immer nur ‚One, two, three, four, let’s go! One, two, three, four ...‘ Aber so einfach ist es dann doch nicht.“
Sean: „It’s all about fun, wir versuchen nur, uns dagegen zu wehren, erwachsen zu werden. Wir haben auch keine Jobs. Auf dem Level, wo du die abgelaufenen Reste aus dem Supermarkt kaufen musst, aber keine Ausgaben für Bier hast, lebt es sich ganz gut. Nur Erin hat einen Job. Kennst du die Chippendales?“
Erin: „Was erzählst du da für einen Dreck?“
Sean: „Er macht da mit, zusammen mit Chris Brief.“

Diese Strippbuben? Die tragen nichts bei ihren Shows, höchstens Polizisten-Outfits ... Was ist mit euren Verkleidungen auf der Bühne?

Sean:
„Entertainment. Ein Teil der Show, die Leute haben was zu lachen. Und sie lieben nicht nur die Musik, sondern auch die Kostüme. Ob Ninja, Zombie oder Krankenschwester oder umwickelt mit Klopapier. Wir probieren alles aus. Das soll nicht albern rüberkommen, we wanna be cool!“

Passt schon. Wie sieht es aus mit dem neuen Album?

Sean:
„Du meinst das fabelhafte ‚19 Million A.C.‘ mit neunzehn sensationellen Tracks auf Dirtnap Records? Es ist gut, sehr gut.“
Erin: „Es ist eine Compilation aus all unseren Singles und aus Songs, die ich und Sean damals, als wir jung waren, aufgenommen haben.“

Stimmt es, dass ihr das Label wechseln wollt?

Sean: „Wir wissen es nicht genau. Man muss sich halt immer nach denjenigen richten, die das Geld haben. But who the fuck has got the money? Mal schauen, was passiert.“

Was passiert eigentlich in Seattle zur Zeit?

Erin:
„Sean geht nie raus, er hat keine Freunde und kriegt eigentlich nichts von der Außenwelt mit. Er hört seit Jahren nur ein und dieselbe Platte.“
Sean: „Sei ruhig. Ich sehe mir alle Bands an, die spielen. Hörst du, Erin, ALLE! Ich bin da sehr sozial. Erin zockt nur Videospiele, während ich auf Partys gehe, wo alle nach mir schreien. Du wohnst nicht in Seattle. Erin ist nach Los Angeles gezogen, um Schauspieler in Hollywood zu werden.“
Erin: „Ja und? Los Angeles ist nicht so schlecht. Es gibt zwar hier und da mal eine Schlägerei, aber insgesamt ist die Nachbarschaft sehr beruhigend.“

Wie lange soll der Wahnsinn noch weitergehen? Was macht ihr nach der Europatour?

Sean:
„Erst mal brauchen wir eine Pause. Vom Touren und vor allem voneinander. Aber der Wahnsinn wird vorerst kein Ende nehmen. Wir brauchen das alles hier einfach, auf der Bühne abzugehen und den Anwesenden einen unvergesslichen Abend zu bieten. In den Staaten machen wir uns allmählich einen Namen. Bald kommt eine Single raus von uns und einer Band namens THE TRIGGERS. Im Frühjahr 2005 kommen wir wieder nach Europa, um uns der Öffentlichkeit zu präsentieren.“

Sehr gut. Ich danke recht herzlich für das Interview. Und sei nett zu Erin.