GIVEAMANAKICK

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Rooooccckkkk!

Rooooccckkkk, das schreit kurz und prägnant die Homepage des basslosen Duos von der irischen Westküste. Aber kann man mit nur einer Stromgitarre und Schlagwerk denn überhaupt so richtig fett rocken? Im Blues verwurzelte Bands wie GIN PALACE, die WHITE STRIPES, BLACK KEYS, IMMORTAL LEE COUNTY KILLERS II, THE BELLES, und wie sie alle heißen, haben das schon bewiesen. Während diese Bands jedoch die Flucht nach vorn in die 60er antreten, sind GIVEAMANAKICK eher vom lärmbewussten 80er- und 90er-Sound von Bands wie HELMET, frühen THERAPY?, PIXIES und, mit Abstrichen, FUGAZI geprägt. Im entspannten Costello’s Pub in Limerick zu Klängen von THE DUBLINERS und den wunderschönen Schmachtfetzen der lokalen Pophoffnung WOODSTAR erzählen ein gut gelaunter Steve (Gitarre und Gesang) und Keith (Drums und Screams), was es mit GIVEAMANAKICK und der Basslosigkeit auf sich hat.

Mit schelmischem Grinsen gestehen sie, dass es zu zweit eben einfacher sei, denn man muss sich mit weniger Bandmitgliedern rumärgern. Ein paar Guinness später lässt sich Steve zu der Theorie hinreißen, dass viele Musiker nach Jahren des Experimentierens mit elektronischer Musik und ausgeklügelten technischen Spielereien wieder zum Kern einer Band gefunden haben: Gitarre und Schlagzeug. Zudem könne man mehr aus seinem jeweiligen Instrument rausholen und müsse nicht ewig grübeln, wie jetzt eine weitere Gitarrenlinie oder eben eine Basslinie im Lied untergebracht werden könnte. Diese selbst verordnete Zweisamkeit ist erfrischend. Und sowohl im Interview als auch live wird klar, dass hier die viel besungene Bandchemie stimmt. Die beiden werfen sich nicht nur im Gespräch die Bälle zu, sondern ergänzen sich auch auf der Bühne so perfekt, dass sie bei ihren Gigs nicht mal Setlists benutzen. Sie sprechen zwar vor jedem Auftritt die ungefähre Reihenfolge der Lieder ab, die kann sich aber während des Auftritts jederzeit ohne große Diskussion ändern.

Seit vier Jahren beackern Steve und Keith als GIVEAMANAKICK die Grüne Insel und haben dabei für so unterschiedliche Bands wie MELT BANANA, LEATHERFACE, ACID MOTHER TEMPLE, UNDERTONES und ISIS eröffnet. Angefangen hat alles, als 1999 Steves Band TOOTH langsam aber sicher das Zeitliche segnete, worauf er begann, solo aufzutreten. Die dabei entstehenden Songs sind mal postrockige Epen, mal kleine Noisegranaten. Kurz darauf legte auch Keith seine Band CALZONE FIASCO aufs Eis. In der kleinen, aber innovativen Szene Limericks sah Keith dann Steve bei seinen Soloauftritten, und da beide die alte Band des jeweils anderen mochten, kam man schnell überein, gemeinsame Sache zu machen. Nach unzähligen Auftritten und zwei mittlerweile ausverkauften Split-7“s erschien 2003 das Debüt „Is It Ok To Be Loud, Jesus?“ auf dem neu gegründeten Out On A Limb-Label (outonalimb.com). Der Appetithappen auf das kommende Album – wiederum eine Split, diesmal mit den Labelkollegen von WAITING ROOM im in Irland sehr renommierten Road Relish-7“-Single Club (roadrelish.com) – erschien Ende 2004 und zeigt eine behutsame Weiterentwicklung des mit dem Debüt begonnen Weges. Die Split und die anderen neuen, im Vorprogramm von LEATHERFACE im Mai letzten Jahres ausprobierten Songs (siehe Konzert-Review in Ox 56) lassen auf ein grandioses Zweitwerk hoffen.

Zurück zum Hier und Heute. Die Reaktionen auf die bisherigen Releases sind bisher alles andere als schlecht. Nicht nur Fanzines in Irland und Großbritannien, sondern auch die irische Mainstream-Musikpresse feierten das Debüt ab. „Is It Ok To Be Loud, Jesus?“ wurde von Hotpress zur Punkrock-Veröffentlichung des Jahres 2003 gekürt. Nur RTE – das irische Pendant zu ARD/ZDF mit eigenem Print-Output – fand den Sound zu ungeschliffen, was die beiden allerdings als Kompliment nehmen. Für Songs und Texte des Debüts ist Gitarrist Steve verantwortlich. Zum größten Teil für seinen Soloausflug geschrieben, schafften es die Songs ins Repertoire der Band, die durch den Zusatz von Drums noch druckvoller wurden. Einen Masterplan beim Songwriting gibt es dabei nicht. Außer dass die Suche nach dem perfekten Popsong im Mittelpunkt steht. Taucht er auf, wird er mit enormer Wut im Bauch zerlegt. Dabei werden Versatzstücke von Riffs und Akkorden, die man irgendwo aufschnappt, nach GIVEAMANAKICKschen Vorstellungen „verbessert“ und in eigene Songideen eingebaut. Dabei herausgekommen sind bisher zehn einprägsame, sehr variable und wütende Kleinoden, die mal mehr grooven, mal als fettes Brett nach vorne losgehen.

Ohne sie in die musikalisch gleiche Ecke stellen zu wollen, erinnert die Frische, mit der GIVEAMANAKICK ans Werk gehen, an das „Black Lung Captain“-Debüt der Nordengländer von THIS AIN’T VEGAS. Sie selbst waren sich lange nicht im Klaren, wie sie eigentlich klingen und was dieser Sound ist, es fiel eben einfach alles zusammen, sie mögen es, die Kids mögen es. Nochmals auf den Sound angesprochen und die Frage, warum zwei Instrumente ausreichen, kommt dann auch endlich der für den Schreiberling so wichtige und erlösende Schubladenbegriff: „Squeezerock“. GIVEAMANAKICK machen Squeezerock. Weil sie halt so viel wie möglich aus ihren Instrumenten raus-squeezen und dann noch ein bisserl mehr. So frisch und zwanglos, wie die Lieder entstehen, so entstehen auch die Texte. Während für Drummer Keith die Lyrics generell eine untergeordnete Rolle spielen, liegen diese Steve sehr am Herzen. Hinter Titeln wie „Phats“, „Checka“ und „Significock“ verstecken sich sehr persönliche Texte des Gitarristen und Sängers, die häufig seine Wut ausdrücken und für Außenstehende nicht immer zu entschlüsseln sind. Dennoch, die heraus gerotzten Vocals prägen sich schnell ein, und nach mehrmaligem Hören der Platte, schreit und flucht man sie mit.

Einmal ins Erzählen gekommen, lässt sich dann auch noch schnell klären, woher der Bandname und der geniale Albumtitel stammen: GIVEAMANAKICK ist der Legende nach eine Abwandlung des Sprichwortes „Give a man a fish (... and you will feed him for a day)“, das von einem Freund der Band in alkoholisiertem Zustand während der Namenssuche gestammelt und für gut befunden wurde. Einer ebenso glücklichen Fügung verdankt die Band auch den Albumtitel „Is It Ok To Be Loud, Jesus?“. Produzent Mark O’Connor hat aufgrund seiner hageren Gestalt, üppigem Gesichtsbewuchs und langem Haupthaar eine große Ähnlichkeit mit dem berühmtesten Gekreuzigten der Geschichte, und auf seine Frage hin, ob denn irgendwas noch lauter abgemischt werden solle, kalauerte Keith den zukünftigen Albumtitel zurück. Nach überstandener Aufnahme und weiterer, unzähliger Gigs in sämtlichen Pubs Irlands und ihrer Heimatstadt Limerick, wo man zeitweise zweimal pro Woche ein Konzert der Band besuchen konnte, ging es Mitte 2004 zum ersten Mal auf Clubtour nach England, Wales und Schottland. Das Ergebnis war erstaunlich: Obwohl Band wie auch Debütplatte nur durch Rezensionen in einschlägigen Fanzines bekannt sind, wurde die Band im Vorprogramm der italienischen Lärmer von ZU und einem NME-Gig mit THE APES heftigst abgefeiert. Im kommenden Sommer, nach Veröffentlichung ihres Zweitlings und diverser Festivals in Irland und Großbritannien, wollen sie im Herbst auf den Kontinent und auch nach Deutschland kommen. Zu hoffen wäre es, denn da wächst gerade eine Band, die die Qualitäten oben genannter Bands gekonnt vereint und zu einem nahrhaften Ohrenbrei verquirlt. Lecker, bitte mehr davon.