GUYANA PUNCH LINE

Ich gestehe, bei meiner GUYANA PUNCH LINE-Kritik in Ox #38 nicht gerade in Topform gewesen zu sein, und so geschah das aus heutiger Sicht Unfassbare und ich kanzelte die Scheibe relativ kurz und schmerzlos mit 4 Sternen und ein paar Zeilen ab. Aber Scheisse, ich hatte viel um die Ohren und drei Tage Zeit mal reinzuhören und dabei blieb´s dann auch. Naja, Joachim hat das ja ´ne Ausgabe später revidiert und die "Maximum Smashism" betitelte MCD/10" entsprechend gewürdigt. Jedenfalls hätte ich die Band wahrscheinlich auch vergessen, wenn ich nicht eines schönen Abends (obwohl, es hat an dem Abend wahrscheinlich geregnet hat, wie so oft in London ...) bei Studienarbeiten wie so oft dem guten alten John Peel auf Radio 1 gelauscht hätte. Und plötzlich kam ohne Vorwarnung eine seiner berüchtigten Lärmatttacken und ich spitzte die Ohren, nur diesmal kam es mir irgendwie bekannt vor, auch wenn ich nicht wusste woher. Aber der Song war geil. Sehr geil sogar! In der anschliessenden Moderation dann des Rätsels Lösung: Mordam hatten dem Sender ´ne blanke Promo-CD geschickt und John Peel wusste gar nichts zu der Band, nicht mal die Songtitel, aber er fand die Musik geil und wusste den Namen der Band. Natürlich habt ihr es wahrscheinlich längst erraten, dass es sich bei dieser Band um GUYANA PUNCH LINE handelte, schliesslich ist ja irgendwo ´ne fette Überschrift. So kam es dann, dass ich die CD doch wieder aus dem Schrankgefängniss und in die CD-Schachtfreiheit entliess und seitdem das gute Ding sehr zu schätzen weiss. John Peel hat sich auch über die Band schlau machen lassen und noch ein paar Mal was von ihnen gespielt und vor ein paar Wochen erreichte mich die Meldung, dass die Band gedenkt im Herbst nach Europa zu kommen. Damit ihr da auch alle hin geht, war klar dass ein Interview her musste, um euch einen Appetithappen hinzuschmeissen, der euch dann noch hungriger macht. Ach ja, die 10" vorher zu kaufen ist übrigens auch kein Fehler oder zumindest mal den Track auf der letzten Ox-CD anhören. Per eMail konnte ich kurz vor Redaktionsschluss aus Chris, dem Sänger, die wichtigsten Informationen herauspressen.

Ihr habt alle schon in verschiedenen, teilweise recht bekannten Bands gespielt. Wann habt ihr euch entschlossen GUYANA PUNCH LINE zu gründen? Gab´s da eure jetzt Ex-Bands noch oder waren die bereits aufgelöst?


"Meine alte Band IN/HUMANITY hatte schon vor über einem Jahr, bevor es mit GPL losging, die Segel gestrichen. Kevin spielte bereits bei ANTISCHISM und INITIAL STATE und vor einem Jahr in einer Band namens DOTFUCKINGCOM. In eben jene Band bin ich dann eingestiegen nachdem ein Mitglied South Carolina verliess und wir änderten den Bandnamen in GUYANA PUNCH LINE."

Das Layout eurer CD erinnert mich vom Stil stark an jenes Booklet in der Abschieds LP von deiner alten Band IN/HUMANITY. Ist für dich GPL eine Art Weiterführung deiner alten Band?

"Nee, überhaupt nicht. Es ist nur einfach so, dass ich einen bestimmten Stil bevorzuge und habe und deshalb ist es unvermeidlich, dass egal was immer ich auch so anstelle, mich dieser Stil durch mein Leben verfolgt. Ich mache eben alles so ein wenig "schlampig". Ich weiss auch gar nicht, wie ich die Sachen anders darstellen könnte."

Wie würdest du eure Musik beschreiben? Stört es dich, wenn ihr in diese "Emoviolence"-Ecke gestellt werdet?

"Ich kann von mir behaupten, diesen Begriff erfunden zu haben, und ich muss sagen, dass es mich nervt, dass niemals jemand den Joke, und nichts anderes ist dieser Begriff, verstanden hat, denn "Emoviolence" ist ja wirklich ein sinnloser Begriff. Ich habe dieses Wort zusammengestellt, um mich über diese Kategorisierung und Aufteilung, die der Begriff Punkrock in den letzten zehn Jahren erfahren hat, lustig zu machen. Es gibt heute hunderte von Einordnungen für Musikstile, die früher alle einfach als Punkrock galten. Das ist dumm. Emoviolence ist dumm. Für mich gab es niemals etwas ähnliches, aber dafür gibt es jetzt jede Menge Bands, die ihre Musik als Emoviolence bezeichnen. Aber GPL ist definitiv keine dieser Bands. We are a smashism band."

Eure CD trägt ja auch den Titel "Maximum Smashism" und im ersten Song schlagt ihr auch vor, so ziemlich alles zu zerschlagen. Das ist das ziemliche Gegenteil zu vielen typischen HC-Songs, die mehr "die Gesellschaft verändern und den Planeten lebenswerter machen" im Sinn haben. Aber natürlich seid auch ihr Teil jener Szene.

"Nun ja, "Smashism" meint nicht notwendigerweise Dinge physisch zu attackieren. Das kann genauso gut bedeuten, neue Wege zu gehen und alte ausgetretene Pfade zu verlassen, sich für neue Gedanken zu öffnen. Es kann auch bedeuten, Gefühle und Gedanken zu vernichten. Der destruktive Zwang bedeutet gleichzeitig auch, dass Dinge zerstört werden müssen, um Platz zu machen für neue Kreativität. "Smashism" ist exakt "die Gesellschaft verändern ..." Also ich sehe da keinen Grund, warum sich das ausschliessen sollte."

Ihr verwendet im Booklet ein Zitat von Charles Manson und seid dabei sicher nicht die erste Punkband. Was ist an ihm so faszinierend?

"Charles Manson ist ein abgefahrener Blödmann, der aber eigentlich ein paar sehr tiefschürfende Dinge gesagt hat. Ich denke, Manson ist jemand, der als Sündenbock gebraucht wurde, um die Hippiebewegung zu dämonisieren. Manson hat niemals jemanden umgebracht, aber das Gericht sah es als bewiesen an, dass er andere zum Töten verleitet hat. Ich denke, er ist einfach durchgeknallt, aber ich denke nicht, dass er die anderen Durchgeknallten dazu gezwungen hat, jemanden umzubringen. Es macht immer wieder Spass ein Zitat von ihm zu verwenden, weil sowas Amerikaner immer noch schockiert. Er ist das amerikanische Urbild des Bösen. Aber ich denke, dass er nur ein harmloser alter Hippie ist, mit einer humorvollen Lebensbetrachtung allerdings."

Eure Texte und Musik ragen wirklich aus den durchschnittlichen Punk-Veröffentlichungen heraus. Aber im Booklet gibt´s keine Kontaktadresse. Angst vor den Kids, dass die euch mit Fragen bombadieren?

"Ehrlich gesagt, haben wir da einfach nicht mehr dran gedacht. Ich hab keine Angst mit jemanden in Kontakt zu treten, trotz der Tatsache, dass ich in einem Sumpfgebiet wohne und 50 Meilen um mich rum absolut keine Zivilisation herrscht. Aber ich hasse es, wenn Leute schreiben und dann kein Rückporto beilegen. Aber in der nächsten CD gibt´s dann eine Kontaktadresse, versprochen."

Ihr kommt aus South Carolina. Fällt es schwer mit den ganzen religiösen Fanatikern und Todesstrafenbefürwortern zu leben, oder ist das nur ein dummes Klischee meinerseits?

"Grundsätzlich gibt es doch überall auf der Welt Idioten. Neben den Dummkopfgruppen, die du eben erwähnt hast, sind die Leute in South Carolina eigentlich die Nettesten der Welt. Dieser Staat ist viel lebenswerter und höflicher als alle anderen US-Staaten. Aber jeder Ort hat seine Pros and Cons. Diese Redneck-Scheisse gibt es doch überall auf der Welt. South Carolina hat bestimmt nicht das Patent auf generelle Stupidität."

Ihr released demnächst ´ne 7" auf X-Mist, die natürlich eines der besten europäischen Labels machen. Aber offen gesagt geniessen die auch den Ruf alte, bittere Zyniker zu sein. Ist das etwas, was ihr sympathisch findet?

"Wir bringen deshalb ´ne Single bei X-Mist raus, weil ich schon länger mit Armin in Kontakt bin und auch schon mal für ´ne Compilation mit ihm zusammen gearbeitet habe, auf der IN/HUMANITY vertreten waren. Und wir freuen uns echt, dass wir die Chance haben was mit X-Mist machen zu können und nebenbei erwähnt, sind wir selbst bitter, zynisch und alt! Von daher ..."

Ihr kommt im Herbst nach Europa. Deshalb die Schlussfrage, irgendwelche bestimmte Erwartungen?

"Ich war ja schon mal mit IN/HUMANITY hier und weiss deshalb, dass uns jede Menge Spass erwartet. Wir hatten hier wirklich eine fantastische Zeit und wenn du aus dem Süden bist, bist du sowieso viel netter und umgänglicher als die anderen Amerikaner. Ich sehe halt, dass viele amerikanische Bands nach Europa kommen und sich sehr arrogant, anmassend und arschlochmässig verhalten. Überall wo wir hinkamen, erzählten uns die Leute, dass wir so anders als die meisten amerikanischen Bands sind und so ergab sich eine angenehme Atmosphäre. Ich schätze, GPL werden einen absoluten Funtrip haben. Es ist wirklich ein klasse Platz, wo ihr drüben wohnt und ich freue mich darauf, alles wiederzusehen."

Na wenn du das sagst! Danke für das Interview.