JOLLY JUMPERS

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Tundra Garage

Weite Felder, trübe Aussichten. Im Hintergrund knattert ein Traktor. Bier kann man sich nicht leisten, weil es umgerechnet sagen wir mal 14 Euro kostet, Nullkommazwei! Nicht anders sieht es in den Städten aus. Hochkonjunktur für Therapeuten könnte man meinen, aber es gibt gar keine. Stattdessen viel Depressionen, Wodka zur Linderung und Rock’n’Roll. Wenig wusste ich über Finnland und gäbe es nicht die Filme der Kaurismäki-Brüder hätte ich noch nicht einmal Klischees im Kopf. Da ich aber kürzlich in den Genuss kam, die aktuelle CD „Hometown Hi-Fi“ der Band JOLLY JUMPERS zu besprechen, wollte ich mehr erfahren. Zwei Bandmitglieder, Petri Hannus, Kopf, Sänger, Songschreiber und Gitarrist, sowie Gitarrist Arimatti Jutila (ehemals THE FLAMING SIDEBURNS) standen mir Rede und Antwort. Nun weiß ich, warum eine Band sich erst nach 25-jähriger Bandgeschichte anschickt, die Bühnen der Welt zu erobern, wer die besten Liebhaber der Welt sind und vor allem, und das machte mein Leben bislang ein kleines Stück ärmer, ich weiß wie und womit ich mein Bier niemals trinken werde.

Ich will ich gar nicht erst mit den üblichen Vorurteilen anfangen, sondern würde gerne von euch hören, mit welchen Stereotypen ihr normalerweise konfrontiert werdet?

Arimatti Jutila:
„Man sagt den finnischen Männern nach, sie wären alle sehr harte Trinker, ehrlich, selbstmordgefährdet und sehr ruhig, außer natürlich wenn sie betrunken sind. Diese Stereotypen sind kompletter Blödsinn und sollten daher ersetzt werden durch wirklich stichhaltige Aussagen. Finnische Männer sind ausgesprochen stattliche und gutaussehende Erscheinungen, die sich vor allem dadurch auszeichnen, die besten Liebhaber der Welt zu sein.“
Petri Hannus: „Es wird auch immer wieder angenommen, Finnland sei ein russischer Satellitenstaat, aber auch das ist Unsinn. Finland is the Satellite of Love. Darüber hinaus gibt es für uns keine politischen Diskussionen.“

Eure Auftritte in diesem Frühjahr waren die ersten Konzerte außerhalb Finnlands. Das verwundert, weil ihr ja bereits seit 1980 als Band aktiv seit.

PH:
„Natürlich hatten wir über all diese Jahre durchaus Interesse daran, auch außerhalb Finlands zu spielen, aber tatsächlich gab es nie jemanden, der die Kontakte hatte, das zu organisieren. Allerdings haben wir 1986 ein paar Gigs in Stockholm gegeben. Das war ziemlich anstrengend. Wir sind nach Schweden ohne einen Van gefahren, mit der kompletten Ausrüstung. Die ganzen Sachen mussten wir in Stockholm mit der Metro transportieren.“

Ihr hättet doch zum Beispiel mit anderen finnischen Bands gemeinsam touren können.

PH:
„Ich bin jemand, der kein großes Interesse daran hat, mit anderen Bands auf Tour zu gehen. Wir haben das im eigenen Land ein paar Mal ausprobiert. Es ist angenehmer, alles mit den eigenen Leuten zu machen. Wir befanden uns immer auf dem etwas anderen Weg, darum heißt es ja auch, wir wären das am besten gehütete Geheimnis Finnlands. Kannst du Teil einer Legende sein, wenn du noch am Leben bist?“
AJ: „Man kann es, wir sind der Beweis. Deutschland war übrigens großartig. Alle Shows waren super, die Band in fantastischer Stimmung und jeder hat uns geliebt. Wir wollen so schnell wie möglich zurück kommen.“

Hinter eurem Bandnamen hätte ich zunächst eine Cow-Punk-Band vermutet. Was steht hinter dem Namen, außer einer Affinität zu „Lucky Luke“-Comics?

PH:
„ Als wir anfingen, haben wir zunächst finnisch gesungen, allerdings schon bald zu Englisch gewechselt, also brauchten wir einen englischen Namen. Die guten wie THE BAND oder THE BOYS waren leider schon vergeben. Damals waren wir, wie du richtig vermutest, sehr große ‚Lucky Luke‘-Fans, den Rest kannst du dir denken. Uns ist klar, dass dieser Name nicht unbedingt zu unserer Musik passt, aber wir haben ihn seit 25 Jahren und es ist zu spät, um noch über eine Änderung nachzudenken. Tatsächlich ist es mittlerweile so, dass unsere finnischen Fans den Namen mit uns und der Musik, die wir machen, in Verbindung setzen.“

Und woher kam die Inspiration?

PH:
„Bis auf Arimatti kommen wir alle aus einer kleinen ländlichen Gegend im Norden Finnlands, aus Tynävä. Anfang der 80er Jahre hatten wir dort sehr viel Land für sehr wenig Menschen, also nicht unbedingt die besten Vorraussetzungen für ein spannendes Leben. Es gab drei Auswahlmöglichkeiten: Sport, Musik oder alkoholische Depression. Da fiel die Wahl leicht.“

Ihr habt auf der Homepage eine Top Ten von Bands, die in Reviews zu euren Platten genannt werden. Bei meiner Besprechung von „Hometown Hi-Fi“ habe ich GIANT SAND und Neil Young & CRAZY HORSE angeführt. Ich kenne eine ganze Menge Bands, die es gar nicht mögen, mit anderen verglichen zu werden, man sieht da oft die Eigenständigkeit gefährdet. Bei euch scheint das nicht so zu sein.

AJ:
„Warum sollten wir ein Problem damit haben, mit so großartigen Bands verglichen zu werden? Die Idee für diese Top Ten kam allerdings daher, Leuten, die unsere Musik noch nie gehört haben, einen Eindruck zu vermitteln, in welche Richtung es ungefähr geht. Nebenbei sind es ausgesprochen gute ‚catchwords‘ für die ganzen Internetsurfer, weil unsere Seite dadurch in Suchanfragen zu diesen Bands auftaucht, haha.“
PH: „Ich verstehe sowieso nicht, warum so viele Bands ein Problem damit haben, mit anderen verglichen zu werden. Niemand ist derart einzigartig, also was soll das? Tatsächlich fehlt aber in der Top Ten ein ausgesprochen wichtiger Einfluss auf mein Gitarrenspiel und meinen persönlichen musikalischen Background: Johnny Thunders. Für mich ist er der Größte gewesen. Ein weiterer großer Einfluss ist übrigens Lee Perry.“

Arimatti ist noch nicht allzu lange dabei und hat vorher bei den FLAMING SIDEBURNS noch unter dem Pseudonym Jeffrey Lee Burns gespielt. Eine Hommage an Jeffrey Lee Pierce vom GUN CLUB nehme ich an.

AJ:
„Natürlich ist der Name eine Verneigung vor JLP gewesen. Ich bin ein fanatischer GUN CLUB-Fan und liebe alles, was er gemacht hat. Er war ein Mann mit einer klaren und echten Vision. Aber wie auch immer, der Name steht in Verbindung mit meiner Rolle als Gitarrist bei den FS und von daher möchte ich ihn nicht mehr benutzen.“

Das hört sich ein bisschen so an, als hättet ihr euch aus persönlichen Differenzen getrennt?

AJ:
„Ich habe die FS schon 2001 verlassen, einige Monate, nachdem das Album ‚Hallelujah Rock’n’Rollah‘ rausgekommen ist. Der Grund war damals, dass ich aus beruflichen Gründen nach North Carolina gegangen bin. Zu dieser Zeit hatten wir keine persönlichen Differenzen, dazu kam es erst wesentlich später. Aber, Gentleman, der ich bin, werde ich damit nicht an die Öffentlichkeit gehen. “
PH: „Übringens war die erste Frau, von der ich als Teenager jede Nacht geträumt habe, Jeffrey Lee Pierce.“

Hahaha. Nur wegen des Namens?

PH:
„Ich hatte damals nur ein ziemlich dunkles Schwarzweiß-Bild von Jeffrey Lee gesehen, auf dem er aussah wie Debbie Harry, haha.“

Du sprachst gerade von beruflichen Gründen. Ich habe gehört, einer der Gründe, warum die Tour in diesem Frühjahr so kurz ausfiel, war der, dass ein Mitglied der JOLLY JUMPERS Bauer ist und sich um seine Kartoffel-ernte kümmern musste. Was macht ihr, wenn ihr nicht Musik macht?

PH:
„Das stimmt. Unser Schlagzeuger Keijo Pirkola ist Bauer. Ich selbst arbeite als Sozialarbeiter mit Kindern und Familien und helfe ihnen bei Problemen.“
AJ: „Ich bin Naturwissenschaftler, das hatte auch mit meiner Arbeit in den USA zu tun und Marko Leuanniemi, unser Bassist, ist Zimmermann. Wir sind tatsächlich alle schwer arbeitende Männer.“

Wie bist du dann nach deinem Ausstieg bei den FS zu JJ gekommen? Du hattest doch zunächst noch eine andere Band namens BOMBER.

AJ:
„BOMBER war noch vorher, so zwischen 1997 und 2000. Es war eine Art ‚All Star Group‘ aus Helsinkis Underground-Szene. Ich habe gesungen, Gitarre gespielt und den Großteil der Texte geschrieben. Neben mir waren als Bassist Ski Williamson von den FS dabei, Don Hesus am Schlagzeug und El Toro an der Gitarre, die mittlerweile bei THE MUTANTS spielen. Eigentlich gaben wir nur eine Handvoll Shows und brachten eine Single raus. Das Album ‚Booze, Dope & Fever‘ wurde posthum durch Bad Attitude Records veröffentlicht, sechs Jahre nachdem wir es aufgenommen hatten. Ich finde immer noch, dass es ein hervorragendes Album ist, nach dem es sich zu suchen lohnt. Als ich zu JJ kam, kannte ich Petri Hannus schon seit vielen Jahren. Im Dezember 2003 kam ich aus den USA zurück und er fragte mich, ob ich bei JJ mitspielen möchte. Das war wirklich eine große Ehre für mich, weil ich seit vielen Jahren ein großer Fan der Band war. Es macht einen schon nervös, wenn man plötzlich mit seinen Idolen in der gleichen Band spielen soll. Ich hatte Bedenken, ob ich nicht diesen Mythos dadurch für mich zerstören könnte.“

Ich muss gestehen, dass ich nicht viel über die finnische Musik-Szene weiß. Neben einigen wenigen Garagenbands ist Finnland oftmals Synonym für eine große Death-Metal-Szene. Wie seht ihr die Musikszene bei euch?

AJ:
„In Finnland gibt es die größten Rockbands der Welt. Das ist eine Tatsache und das sagen nicht nur die Finnen selbst. Unsere Bands hauen alle HIVES, WHITE STRIPES oder DONNAS in die Pfanne. Neben den JJ sollte jeder Bands wie AAVIKKO, BRANDED WOMEN, BAREFOOT BROTHERS, THE MUTANTS, CIRCLE, THEE ULTRA BIMBOOS, COSMO JONES BEAT MACHINE und 22 PISTEPIRKKO antesten, um nur einige wenige zu nennen.“

Eine weitere Sache, durch die das Bild Finnlands für mich geprägt worden ist, sind die Filme von Aki Kaurismäki. Durch den leider verstorbenen Schauspieler Matti Pellonpää wurde auch immer wieder ein typisches Bild des finnischen Mannes beschworen. Ist das in den Filmen dargestellte Bild überzogen oder wirklichkeitsgetreu?

AJ:
„Ich bin ein großer Bewunderer von Matti Pellonpää und den Kaurismäki-Brüdern. Das Bild, was sie von Finnland zeigen, ist absolut akurat. Mein Lieblingsfilm ist ‚Die Wertlosen‘ von Mika.“

Zu diesem Bild gehört natürlich auch große Trinkfestigkeit, wie sieht es aus mit anderen Drogen?

PH:
„Ich mag keine Drogen, weil sie aus dir einen selbstsüchtigen Wichser machen. Allerdings kann ich Cannabis als Medizin akzeptieren und verstehen.“
AJ: „Ich mag auch keine Drogen, weil sie so unglaublich zeitraubend sind.“

Was trinkt ihr am liebsten?

AJ:
„Champagner!“
PH: „Meine Lieblingsgetränke sind kalte Milch, Pernod, Jägermeister, Wodka mit frischer Orange, Dunkler Rum und Bier mit Salmiakkikossu.“

Was bitte ist Salmiakkikossu?

AJ:
„Salmiakkikossu ist Wodka mit salzhaltiger Lakritze. Es ist süß und ziemlich stark. Mir schmeckt das nicht, aber Petri und auch viele finnische Teenager trinken das.“

Wonach hätte ich außerdem fragen sollen?

PH:
„Nach unserem Eindruck in Bezug auf die Menschheit und die Gesamtsituation der Erde. Ich kann dir sagen, das hätte mich nicht zum Lachen gebracht.“
AJ: „Nach unseren Gitarren und Verstärkern. Das sind immer meine liebsten Fragen.“