PENNYWISE

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Same old story?

Ungewohnte Misstöne in Kalifornien: Bei den Punk-Rock-Recken von PENNYWISE soll der Haussegen schief hängen. Auflösungsgerüchte machen die Runde. Besorgt haken wir mal bei Sänger Jim nach, der gerade mit Frau und drei Töchtern durch die Wüste fährt, um nach einem Urlaub das heimische L.A. zu erreichen. Doch anstatt alles schön zu reden, wie man es von vielen Bands gewohnt ist, redet der Frontman Tacheles.

Es soll angeblich einige Spannungen innerhalb der Band geben. Was ist dran?


„Wir hatten definitiv Probleme in der Band. Wir sind lange Zeit zusammen und vier Individuen, die große Egos haben. Ich würde uns aber weiterhin Freunde nennen, da wir größtenteils gut miteinander klar kommen. Und natürlich gehe ich davon aus, dass es PENNYWISE noch lange geben wird.“

Wo liegen denn die konkreten Probleme zwischen euch?

„Es ist nichts, was man konkret fest machen kann. Wie sicher viele Bands, haben auch PENNYWISE das Problem, dass wir vier Musiker sind, die demokratisch agieren. Das heißt, dass alle einer Entscheidung zustimmen müssen und es immer viele Diskussionen um kleine Details gibt. Einfacher wäre es, wenn es einen Bandleader gäbe, der den Weg vorgibt.“

Immerhin habt ihr es geschafft, euch für ein neues Album zusammen zu raufen ...

„Ja, und ich bin sehr stolz auf ‚The Fuse‘. Ich glaube, dass PENNYWISE noch immer viel zu sagen haben, dass unsere Musik wichtig ist, und dass unsere Fans uns weiterhin unterstützen. Das geht den anderen auch so und daher haben wir unsere Probleme hinten angestellt.“

Trotzdem, du hörst du dich an, als würdest du vieles lieber machen, als weiter in deiner Band zu singen. Schwebt dir ein Solo-Album oder ähnliches vor?

„So was hat wohl jeder in der Band schon gedacht. Speziell, da ich es nicht mag, in meinem Songwriting Kompromisse einzugehen. Es hat sich mittlerweile ergeben, dass jeder von uns komplette Songs schreibt, also die Musik und die Lyrics. Das war früher anders. Jetzt komme ich mit einem fertigen Song und z. B. Fletcher will etwas verändert haben. Das kann ich nicht leiden und wünsche mir manchmal, dass ich die Songs schreiben und aufnehmen könnte, wie ich es will. Aber dafür ist wohl nach PENNYWISE auch noch Zeit.“

Andere Bandmitglieder nehmen sich bereits jetzt schon die Freiheit, sich in Nebenprojekten zu betätigen.

„Ja, bei ME FIRST AND THE GIMME GIMMES z. B. Aber ich bin der Meinung, dass das der Band mehr nützt, als schadet, denn man kommt irgendwann wieder zusammen und hat sich ausgetobt.“

Das heißt, dass ihr sogar im Studio, auf engstem Raum, gut miteinander ausgekommen seid?

„Im Gegenteil, leider. Im Studio gibt es Diskussionen ohne Ende. Aber im Nachhinein will ja jeder nur das Beste für die Band, daher vertragen wir uns dann auch wieder.“

„The Fuse“ merkt man jedenfalls nicht irgendwelchen Ärger an, vielleicht sogar weniger als dem aggressiven „Land Of The Free“.

„Das neue Album ist typisch PENNYWISE, es ist unser Stil. Es gibt neue Ideen, die manchmal überraschen, aber grundsätzlich passt ‚The Fuse‘ ins den Gesamtkontext der Band. Ich bin speziell stolz auf die Lyrics, die ich geschrieben habe.“

Zum Beispiel?

„Sehr am Herzen liegt mir ‚The competition song‘. Der Song beschreibt, dass es in der Natur des Menschen zu liegen scheint, immer alles besser machen zu müssen, als andere. Länder müssen besser sein als andere, Hautfarben, Religionen ... Wettbewerb ist gut, aber irgendwo gibt es Grenzen. Es muss heute mehr Zusammenarbeit und Verständnis geben.“

Nun werden aber die meisten Hörer nicht direkt auf die Texte eingehen, sondern erstmal bemängeln, dass es keine Hymne wie „Fuck authority“ oder „Bro hymn“ gibt. Was würdest du antworten?

„Dass gerade ‚Bro hymn‘ eine Ausnahmeerscheinung war. Ein Song – von sieben kompletten Alben – der viele Menschen erreicht hat. Daran kann man kein ganzes Album messen. Außerdem gibt es einige Stücke auf der neuen Scheibe, die einen ähnlichen Sing-Along Charakter haben, wie ‚6th Avenue nightmare‘, ‚The competition song‘ oder ‚Disconnect‘.“

Wobei wir mit „Disconnect“ wieder bei einem Song wären, der speziell eure jüngere Zielgruppe zum Nachdenken anregen könnte.

„Richtig, er handelt davon, dass wir mittlerweile so vernetzt sind, dass wir unser Computer und Handys für uns denken lassen. Oder Fernsehsender. Man weiß heutzutage nicht mehr, welche Version der Wahrheit einem serviert wird. Im Stück geht es darum, den Fernseher auszuschalten, das Kabel aus dem Computer zu ziehen, das Handy wegzuwerfen und einmal darüber nachzudenken, was im Leben wirklich wichtig ist.“

Das hört sich an, als wäre auch deine Zündschnur, um mal den Plattentitel aufzugreifen, oft kurz davor, die Bombe zu zünden. Egal, ob aufgrund der Probleme in der Band, oder wegen der gesellschaftlichen und technischen Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit.

„Der Albumtitel ist eher auf die politischen und gesellschaftlichen Begebenheiten heutzutage bezogen. Man hat seit 9/11 das Gefühl auf einem Pulverfass zu sitzen, aufgrund der unterschwelligen Panik, die herrscht.“

Trotzdem artikuliert ihr euch nicht mehr so eindeutig wie noch auf „Land of the Free“.

„Richtig, nach einem schlimmen Wahlausgang ist das Gefühl der Desillusion und der Ohnmacht so groß geworden, dass wir vielleicht etwas zurückhaltender geworden sind. Dabei sind wir nach wie vor sehr schockiert über das, was mit unserem Land passiert.“

Viele Fans in den USA haben euch das Leben auch damals schwer gemacht, ob eurer deutlichen Worte zur Lage Amerikas. Heute ist der Trend zum Konservativismus in eurer Heimat stärker als je zuvor. Gibt es weiterhin Probleme für euch?

„In der Punkrock-Welt stimmt man uns grundsätzlich zu, aber es gab natürlich Diskussionen. Dabei haben wir uns ja immer im selben Tenor geäußert, nur eben nicht immer so offensichtlich wie auf ‚Land Of The Free‘. Scheinbar ist es so, wenn man die Message anders verpackt, dass es dann einigen Leuten einfach nicht auffällt, wenn man trotzdem Dinge anprangert.“

Was machst du persönlich, wenn dich solche Diskussionen nerven, wenn dich die Band nervt, du nicht jeden Abend „Bro hymn“ spielen willst und du einfach mal was anderes erleben willst?

„Also grundsätzlich halte ich es mit den RAMONES. Die haben auch immer genau ihr Ding gemacht und die Fans sind immer gekommen. Die haben auch dieselben Songs jahrzehntelang gespielt. Und daher bin ich auch nicht davon genervt, sondern glücklich, dass es uns so lange gibt. Aber manchmal muss ich wirklich für mich sein, speziell nach Touren. Man will ja kein Punk-Roboter werden. Ich versuche gerade ein Buch zu schreiben und surfe jeden Morgen, während z. B. Fletcher lieber intensiv feiert. Außerdem versuche ich einen Video-On-Demand-Sender für Punk-Bands aufzuziehen. Quasi einen Gegenpol zu MTV, wo der User eben wirklich bestimmt, was er sehen will.“

Auf den kommerziellen Sendern seid ihr ja nie vertreten. Überhaupt ist euer Genre – der Melodic-Punk – ja derzeit mal wieder nicht so angesagt.

„Das macht mir keine Sorgen. Ob Mode oder nicht, Punkrock wird immer da sein. Manchmal veröffentlichen OFFSPRING, RANCID oder GREEN DAY ein Album, dass plötzlich wieder von vielen gehört wird, dann eben wieder nicht. Das Genre wird jede Entwicklung überdauern.“

Manche Bands hatten einen Hit mit einer Cover-Version. Auch ihr habt viel gecovert. Was fehlt noch?

"Imagine‘ von John Lennon.“