TOMMY RAMONE

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Gimme Gimme Musical Treatment

Die Geschichte der RAMONES ist voller Widersprüche. Zum einen waren die vier New Yorker die erste richtige und für viele Fans auch beste Punkband aller Zeiten. Zum anderen blieben ihnen zeitlebens die Anerkennung und der Erfolg versagt. Jetzt, nach dem Tod von Joey, Dee Dee und Johnny, scheint sich das Blatt zu wenden. Der Erfolg der beeindruckenden DVD „End Of The Century“ ist ein Beleg dafür, aber auch die positive Resonanz auf das Musical „Gabba Gabba Hey“ in Berlin. Am Tag nach der Premiere traf ich Tommy Ramone, das letzte verbliebene Ur-Mitglied der RAMONES, um über beides zu sprechen.

Tommy, gestern war die Premiere von „Gabba Gabba Hey“. Wie lief es?

„Es war toll. Am Anfang wusste das Publikum nicht, was es von der Geschichte halten sollte. Aber dann sprang der Funke schnell über. Mit jedem Song wurden die Leute begeisterter und merkten, dass es sich hierbei um ein Theaterstück mit Punkrock-Musik handelt. Als Rolf Zacher dann die Bühne betrat und RAMONES-Songs sang, drehten sie regelrecht durch.“

Die Verbindung zwischen Punkrock und einem Musical ist auf den ersten Blick keine sehr nahe liegende. Wie funktioniert sie im Falle von „Gabba Gabba Hey“?

„Nun, es ist kein Musical im traditionellen Sinne, sondern RAMONES-Musik mit Punk-Theater. Mit den üblichen Musicals hat ‚Gabba Gabba Hey‘ nichts zu tun. Es ist etwas ganz Neues.“

Worum geht es in der Geschichte?

„Die Story handelt von einem Kid, das von zu Hause wegläuft, in der Lower East Side New Yorks landet und dort immer größeren Ärger bekommt. Im Laufe der achtzehn RAMONES-Songs gelingt es dem Kid, seinen Weg zu gehen und sich aus seiner misslichen Lage zu befreien.“

Die Geschichte ist also Fiktion?

„Sie ist Fiktion. Lieder der RAMONES waren aber immer biografisch, das heißt sie beruhten auf wahren Erlebnissen. In den Songs haben wir fiktive Charaktere erschaffen, die das Leben der RAMONES leben.“

Was ist deine Rolle in der Produktion des Musicals?

„Ich stelle sicher, dass die Musik richtig gespielt wird, dass die Handlung das Bild der RAMONES angemessen wiedergibt und ich sorge für eine gute Show, haha.“

Was hältst du von Rolf Zacher, dem Protagonisten? Ist er ein wahrer Punk?

„Mit Sicherheit. Rolf ist übrigens nicht der Hauptdarsteller, sondern hat gleich mehrere Rollen inne, als Schurke oder Retter zum Beispiel.“

Tommy, lass uns über die diversen RAMONES-DVDs sprechen, die in letzter Zeit erschienen sind. Welche davon gefällt dir am besten?

„Ich bevorzuge ‚End Of The Century‘, da sie die Geschichte der RAMONES akkurat erzählt, die Anfänge der Band mit einbezieht und die historische Bedeutung der RAMONES für die Musik des späten 20. Jahrhunderts richtig darstellt.“

„End Of The Century“ ist also authentisch?

„Ja, soweit man das in einem Film sein kann, denn man kann natürlich nicht alles unterbringen. Die DVD zeigt, was es bedeutet, Mitglied einer Band von vier Verrückten zu sein und dabei großartige Musik zu machen, haha.“

Das Bild der RAMONES als Individuen, das in dem Film entworfen wird, ist ein sehr düsteres. Meinst du nicht, dass es vielleicht zu negativ rüberkommt?

„Ja, das stimmt wohl. Die Macher des Films wollten Dramatik. Andererseits muss man sagen, dass sich in einer Band mit talentierten Musikern immer Egos entwickeln, die für Konflikte sorgen. Das passiert in allen Bands. Nur waren die RAMONES in dieser Hinsicht wohl noch etwas extremer.“

Trotzdem hat die Gruppe 22 Jahre durchgehalten. Das scheint vor diesem Hintergrund erstaunlich.

„Ja. Die Jungs waren sehr engagiert und wussten, was sie wollten und dass sie dazu zusammenbleiben mussten. Sie haben es immer für die Musik gemacht und konnten sich so verwirklichen, auch wenn sie sich persönlich aus dem Weg gegangen sind. Am Ende haben sie das gemacht, was sie machen wollten, Rock’n’Roll.“

Was war deine Rolle in der Band, als es damals los ging?

„Ich hatte etwas mehr Erfahrung, in verschiedenen Bands gespielt, als Toningenieur gearbeitet und interessierte mich fürs Filmemachen.“

Du warst aber zunächst nicht als Drummer vorgesehen, oder?

„Ich bin eigentlich Gitarrist und war der Manager der Band. Als solcher suchte ich einen Schlagzeuger, konnte aber keinen passenden finden. Deshalb hab ich es einfach mal selber probiert und es funktionierte. Weil ich aber kein gelernter Drummer war, entwickelte ich so meinen eigenen Stil, der sich sehr von anderen unterscheidet. Bereits einen Monat später spielten wir zum ersten Mal im CBGB.“

Musstest du Marky zeigen, wie man die Drums im RAMONES-Stil spielt?

„Oh ja. Wir arbeiteten sehr eng miteinander, um seinen mit meinem Stil zu verbinden. Heraus kam schließlich etwas Neues, nämlich ein vollerer explosiverer Sound auf ‚Road To Ruin‘. Genau das wollten wir.“

War euch damals bewusst, dass ihr eine musikalische Revolution startet?

„Ich wusste, dass wir revolutionär waren, als ich die ersten Songs von uns hörte. Sie unterschieden sich total von den damals angesagten Sachen und waren sehr futuristisch. Mir war klar, dass etwas Großes auf uns zukommen würde.“

Was war die erste Reaktion von Leuten, die euch damals live sahen?

„Schock. Sie konnten nicht verstehen, was wir da machten. Sie waren entweder erschrocken oder hielten uns für einen schlechten Witz. Wir haben damals viele Leuten vor den Kopf gestoßen und sie aufgerüttelt.“

Ihr seid dann recht schnell nach England gegangen und wurdet dort als Stars verehrt. Zurück zu Hause behandelte man euch aber nicht wie Stars. Warum nicht?

„Die Leute haben uns ignoriert. Wir waren damals der Zeit voraus, zumindest in den USA. Man darf nicht vergessen, dass Amerika sehr groß ist. Es war sehr schwierig für uns.“

Wart ihr über den ausbleibenden Erfolg verbittert?

„Wir waren enttäuscht, denn wir hielten uns für das Beste, was es damals gab. Zu unserer Überraschung sahen das die meisten aber nicht so. Die RAMONES waren halt auch in dieser Beziehung etwas Besonderes. Erst jetzt wacht der Mainstream auf und beginnt uns zu akzeptieren. Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe: Erstens waren wir unserer Zeit voraus und zweitens sind Fans von uns heute als Plattenbosse oder Chefredakteure von TV- und Radiostationen bzw. Magazinen tätig und sorgen dafür, dass den RAMONES endlich mehr Aufmerksamkeit zuteil wird.“

Wir haben über die Probleme der Band im Umgang miteinander gesprochen. Was waren Joey, Johnny und Dee Dee für Typen?

„Sie unterschieden sich stark von einander. Dee Dee war ständig ruhelos, immer in Bewegung und kreativ. Er hatte jede Menge Energie, zuviel Energie. Johnny war permanent unzufrieden und hatte immer etwas auszusetzen. Bei ihm musste immer alles schnell gehen, auch die Art und Weise, wie er Gitarre spielte. Joey liebte Popmusik und schrieb großartige Popsongs.“

Stimmt es eigentlich, dass Dee Dee gelegentlich als Stricher arbeitete?

„Das weiß ich nicht. Ich habe aber davon gehört.“

Du hast die RAMONES vor 27 Jahren verlassen und danach unter deinem bürgerlichen Namen als Produzent gearbeitet. Trotzdem wirst du immer noch als Tommy Ramone gesehen und angesprochen. Ärgert dich das?

„Überhaupt nicht. Für mich sind die RAMONES mein Baby, mein Kind. Wir waren wie eine Familie. Ich habe seinerzeit die Band verlassen, weil ich nicht mehr touren wollte, bin aber immer ein Ramone geblieben. Ältere Ramones sind immer Ramones und so fühle ich mich auch. Ich beschäftige mich auch mit anderen Dingen, werde aber immer ein Ramone bleiben.“

Als du noch in der Band warst, hattest du die Rolle des Sprechers inne. Was für einen Effekt hatte dein Weggang auf die Chemie der anderen untereinander?

„Es entstand ein Machtvakuum, das Joey voll ausnutzte. Die Band arbeitete zu der Zeit mit Phil Spector zusammen. Spector beschäftigte sich sehr mit Joey und gab ihm mehr Selbstvertrauen. Hinzu kamen die unterschiedlichen musikalischen Vorstellungen zwischen Joey und Johnny. Als ich noch in der Band war, gelang es mir, für einen gewissen Ausgleich zu sorgen, und ich konnte so Konflikte verhindern. Als ich dann ging, brachen diese voll aus.“

In der Folgezeit sprachen die beiden nicht mehr miteinander und das bis zu Joeys Tod. Wie kann eine Band funktionieren und existieren, wenn die beiden Protagonisten unfähig sind, miteinander zu kommunizieren?

„Bei den Bandproben war Joey eh nicht anwesend, sondern nur Johnny, Dee Dee und ich bzw. dann später Marky. Joey war in dieser Zeit zu Hause und lernte da die Songs. Seine Stimme war sehr anfällig und durfte nicht überbeansprucht werden.“

Hast du vorausgesehen, dass Dee Dee eines Tages eines unnatürlichen Todes sterben würde?

„Nein, nein. Dee Dee lebte seines ganzes Leben an der Grenze und schien alles auszuhalten. Sein Tod war ein Schock für mich.“

Wie soll man sich deiner Vorstellung nach in fünfzig oder hundert Jahren an die RAMONES erinnern?

„Als eine sehr innovative Band, die immer der Essenz des Rock’n’Roll verbunden blieb und dem Rock’n’Roll zu einer Wiedergeburt verhalf in einer Zeit, als dieser richtungslos war, und als eine Band, die viele andere beeinflusst hat und ein neues Genre erfand. Wenn man uns als einen Klassiker ansehen würde, würde mich das sehr freuen.“

In den letzten Jahren sind nicht nur DVDs von den und über die RAMONES erschienen, sondern auch zahlreiche Bücher. Das Beste darunter ist wohl von eurem Tourmanager, Monte Melnick. Siehst du das auch so?

„Definitiv. Das ist auch mein Lieblingsbuch. Ähnlich wie ‚End Of The Century‘ hat es einen historischen Ansatz und enthält viele Details, die andere Bücher nicht aufweisen können. Es ist ein tolles Buch, zu einem guten Preis übrigens.“

Gibt es weitere Projekte, auf die sich die vielen RAMONES-Fans freuen können?

„Wir arbeiten ständig an neuen Sachen wie Platten und DVDs. Da ist einiges in der Pipeline.“

Neben den RAMONES beschäftigst du dich mit dem Projekt UNCLE MONK. Was hat es damit auf sich?

„UNCLE MONK verbindet Punkrock mit alten Instrumenten aus dem Bluegrass. Es ist eine Art akustischer Punkrock. Ich spiele Mandoline, Banjo und Gitarre und mein Partner Bass und Gitarre. Es macht sehr viel Spaß, meine Technik als Musiker in eine Dimension zu lenken. Unser Album mit dem Titel ‚Uncle Monk‘ wird Ende des Jahres erscheinen. Live-Shows sind ebenfalls geplant.“

Dann solltest du auch nach Deutschland kommen. Wie sind denn deine Erfahrungen hier bislang?

„Nur gut. Ich freue mich immer Fans zu treffen. Berlin ist eine tolle Rock’n’Roll-Stadt und Düsseldorf ist eine Punkrock-Stadt, wie ich höre. Meine Erlebnisse hier in Deutschland sind sehr positiv. Der Spirit hier bei euch verkörpert den wahren Geist des Rock’n’Roll.“

Das ist ein schönes Schlusswort. Tommy, vielen Dank für das Interview.
Achim Lüken
www.ramones.com
www.gabbagabbahey.info