DENNIS MOST

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Excuse My Spunk

Was wird sein, wenn ich einmal 50 bin? Ich kann’s beim besten Willen nicht vorhersagen. Bis dahin sind es zum Glück noch einige Jährchen, in denen sich wohl noch so manches ändern wird, in mir, an mir und um mich herum. Vielleicht gehe ich mit 50 endlich wählen (eher unwahrscheinlich), oder ich renne mit Halbglatze und fetter Wampe durch die Gegend (könnte passieren), oder aber George W. erhält den Friedensnobelpreis ... und Schweine können fliegen. Was auch immer kommen mag, ich werde es mit Würde ertragen. Nur eines, da bin ich mir absolut sicher, wird sich niemals ändern, selbst wenn es in der Hölle friert: meine Liebe zu lauter, energiegeladener Musik, dargeboten von Charakteren mit Herz und bedingungsloser Hingabe. Willkommen in der Welt von Dennis Most.

Dennis Most und seine Band, die INSTIGATORS (nicht zu verwechseln mit der englischen Band aus den Achtzigern), haben gerade ein neues Album herausgebracht. „Vampire City“ heißt das Werk, und erschienen ist es bei Trash2001 – sicherlich keine Neuigkeit, die die Punkrockwelt in ihren Grundfesten erschüttern wird, aber dennoch einer Erwähnung und näheren Betrachtung wert. Fernab jedes modischen Schnickschnacks zelebriert Dennis auf „Vampire City“ seinen ureigenen Punkrock, hart und auf den Punkt gebracht, garniert mit BLACK SABBATH-artigen Einlagen und einer Falsettstimme, die das Prädikat „einzigartig“ rechtfertigen. Wahrscheinlich wird sich trotzdem (oder gerade deswegen?) keiner so recht für „Vampire City“ erwärmen, denn Adjektive wie „hip“ oder „angesagt“ lassen sich zu einer ehrlichen Beschreibung der Platte nun wahrlich nicht heranziehen. Es ist dein Verlust, Hipster.

Dennis schert sich nicht zu einer Sekunde um die Meinung anderer, und das hat er auch gar nicht nötig, denn er macht seine Musik seit über drei Jahrzehnten (Ja, er hat bereits mehr als 50 Lenze hinter sich) und trotzt mit stoischer Gelassenheit der Versuchung, sich irgendeiner Modewelle anzupassen. „Natürlich ist es schön, Fans zu haben. Aber deshalb etwas ändern?“, sinniert Dennis. „Warum sollte ich irgendetwas anderes tun, als das, was ich die meiste Zeit meines Lebens gemacht habe, nämlich harten, treibenden Punkrock spielen? Die ganze Sache dreht sich nur darum, das zu tun, was du am meisten liebst. Scheiß auf alles andere und zieh dein Ding durch!“

Bei solch einer begrüßenswerten Einstellung ist es nicht verwunderlich, dass kaum stilistische Veränderungen festzustellen sind, wenn man die alten Aufnahmen der INSTIGATORS aus den 70ern mit den neuen vergleicht. Aber dem Mann deshalb mangelnde Bereitschaft zur Weiterentwicklung zu unterstellen, wäre schlichtweg falsch. Es ist halt nur so, dass Dennis schon relativ früh seinen Sound gefunden und zugunsten der Kontinuität auf bloßes Trendhopping verzichtet hat – anders als, seien wir ehrlich, eine ganze Reihe der alten Punkrocklegenden, die Anfang der 80er plötzlich anfingen, New Wave zu spielen, und, kurz bevor sie sich auflösten, eine Runde schlechten Metal, gefolgt von einer halbgaren Reunion in den 90ern, um mit irgendwelcher Poppunk-Scheiße eine schnelle Mark zu machen. „Das passierte die ganze Zeit um mich herum und es war einfach bemitleidenswert. Es ist eine Sache, als Musiker zu wachsen und neue Erfahrungen in sich aufzunehmen. Aber ich hab Bands erlebt, die sich urplötzlich schmale Krawatten umhängten und auf New Wave machten. Was für ein Witz. Ich wusste immer genau, wer ich war und was ich wollte. Es klingt vielleicht pathetisch, aber mir geht es nur um meine Musik. Geld hat nie eine Rolle gespielt, genauso wenig wie Ruhm und Frauen. Immer wieder haben mir Rockmusiker erzählt, dass sie eigentlich nur des Geldes und der Mädchen wegen Musik machen. Wie daneben ist das? Meine erste Freundin hasste meine Band. Je tiefer ich in meine Musik eintauchte, desto unwichtiger wurde sie. Sie versuchte sich zwischen mich und meine Musik zu stellen. Die Musik blieb, sie ging.“

Dennis arbeitet hart an seiner großen Liebe Musik, die er gleichermaßen als Kunst und Handwerk versteht, mit einer Leidenschaft und Geradlinigkeit, die einfach Respekt nötigt. „Wovon ich rede, ist Integrität. Es gibt so viele Musiker, die alles für die schnelle Kohle machen würden. Auch viele Punks sind derart verlogen und frömmelnd und so was von engstirnig und heuchlerisch, wenn es um die Musik geht. Was verrückt ist, denn Punkrock bedeutet doch, sich die Freiheit zu nehmen, anders zu sein. ‚Aber du folgst besser unseren ‚anderen‘ Regeln oder du gehörst nicht zu unserem Club.‘ Ich wollte niemals irgendeinem Club angehören.“

Machen wir einen großen Schritt zurück in die Vergangenheit, genauer gesagt ins Jahr 1972. Dennis’ erste Band hieß, glaubt es oder nicht, schlicht und einfach PUNK. Ich meine, wie gottverdammt cool und vorausschauend ist das? Musikalisch orientierte sich die Band allerdings eher an den Größen ihrer Zeit, allen voran den NEW YORK DOLLS und Alice Cooper. Einflüsse gab es reichlich auf den jungen Dennis. Zu nennen wären die üblichen Verdächtigen wie die STOOGES, die BEATLES, THE WHO, BLACK SABBATH, und der Garagenrock der BLUE MAGOOS, TROGGS, SONICS und wie sie alle heißen mögen. Und nicht zu vergessen, James Dean. Huh? James Dean? Wie das? „Es geht um die Einstellung! Ich wuchs in derselben Kleinstadt in Indiana auf wie James Dean, und ich verstand, was ihn antrieb, nämlich die Erkenntnis, dass man anders ist, als die Leute um dich herum, und dass es in Ordnung ist, den Status Quo in Frage zu stellen. Einstellung ist so unglaublich wichtig in der Musik.“

Wo wir gerade von Alice Cooper sprachen: Ich hatte glücklicherweise die Möglichkeit, mir die Aufnahme einer PUNK-Show aus dem Jahre 1973 anzuhören, auf der die Band eine rasende Version von „Eighteen“ zum Besten gibt und das Publikum daraufhin komplett ausrastet. „Die Show fand an der Highschool meines jüngeren Bruders statt. Sie wollten ein Konzert veranstalten mit einer anderen als den üblichen Tanzkapellen, also fragten sie uns. Das Schulauditorium war gerappelt voll mit über 300 kreischenden Teenagern zwischen 14 und 18 Jahren. Ich konnte mich kaum dem Bühnenrand nähern, ohne dass die Meute nach mir griff und an meinen Hosen zerrte. Wir waren kaum älter und hätten niemals solch eine starke Reaktionen von den Kids erwartet. Es war einfach großartig und in Wahrheit noch viel wilder, als es auf den Aufnahmen zu hören ist!“

Nach PUNK kam AUDIOLOVE, eine weitere der vielen kurzlebigen Bands, die Dennis zu jener Zeit (wir reden von 1974-76) hatte. AUDIOLOVE stand dem Protopunk der MC5 und der STOOGES in nichts nach, scheiterte aber an mangelndem Interesse der spärlichen lokalen Szene und fehlender Einsatzbereitschaft der restlichen Bandmitglieder. Kurze Zeit später rief Dennis zusammen mit seinem Bruder Mark die INSTIGATORS ins Leben, um das heimatliche Connecticut endgültig aufzumischen. Leider war niemand auf den harten Punk-Metal der INSTIGATORS vorbereitet, und so führte die Band ein ziemliches trostloses Dasein. „Es gab nicht sonderlich viele Orte, wo wir hätten auftreten können. Hinzu kam, dass die meisten Clubbesitzer uns hassten: ‚Wie heißt eure Band? THE INSTIGATORS? Verpisst euch!‘ Der Einzige, der uns öfters für seinen kleinen Schuppen buchte, verdiente sogar Geld, wenn wir spielten. Wir sahen keinen Cent davon. Alles, was ich über die Zeit sagen könnte, ist grässlich. Warum ich trotzdem weiter machte? Weil mir die Musik so unglaublich viel Spaß bereitete. Weil es Dienstagnacht war und zehn Grad minus und du in einem kleinen Loch vor 20 Leuten spielst, und zwei davon sind ein junges Pärchen, die keinen deiner Auftritte verpassen, weil du für sie den besten Rock’n’Roll der Welt machst. Klar, es hätte viel besser sein können, aber wenigstens spielte ich nicht irgendwelchen schlechten Boogie Rock oder ausnahmslos Coversongs, wie es die meisten Bands taten. Ihre Hölle muss viel schlimmer gewesen sein als meine.“

1979 finanzierte Dennis die erste Single der INSTIGATORS aus eigener Tasche. „Excuse my spunk“ lautete der Titel der A-Seite, der, wie kein anderer Song davor oder danach, für das stand, worum es Dennis immer ging, nämlich trotz aller Widrigkeiten sein eigenes Ding durchzuziehen. Es verwundert kaum, dass lokale Musikmagazine und Radiostationen mit einem großen Schulterzucken auf die Veröffentlichung reagierten. „Ich bekam ein wenig Airplay und verkaufte eine Handvoll Exemplare. Das Beste, was passierte, war, dass wir für XTC eröffnen durften. Es war ein Riesenspaß für uns und wir rockten, was das Zeug hielt. Ach ja, und drei Wochen später wurden wir gefragt, ob wir in irgendeiner pissigen Spelunke auftreten wollen. Das waren die Reaktionen.“

Dennis ließ sich trotz alledem nicht entmutigen. Anders als so viele Bands aus jener Zeit, die eine oder vielleicht zwei Singles veröffentlichten und danach die Gitarren an den Nagel hängten, blieb er sich und seinen musikalischen Wurzeln auch in den 80ern treu, und das trotz einer hässlichen Scheidung und einem Umzug ins von Glitter und Hair-Metal geprägte Los Angeles. Sogar ein komplettes Album mit dem Titel „Don’t Take Me For Granted“ wurde aufgenommen und 1985 herausgebracht. Die Songs spiegeln den typischen INSTIGATORS-Sound wider, allerdings war Dennis mit dem Mastering ganz und gar nicht zufrieden. Doch viel schwerer wog die Tatsache, dass die INSTIGATORS kaum eine Gelegenheit bekamen, live zu spielen, was für Dennis das Schlimmste überhaupt ist. „Diese Zeit war ähnlich frustrierend wie meine Jahre in Connecticut. Hat es irgendetwas verändert? Nein! Ich machte noch immer die Art von Musik, die ich liebte, und wenn niemand außer mir sie hören wollte ... was soll’s?! Ich bin keine gottverdammte Jukebox, die genau das spielt, wonach das Publikum gerade verlangt. Versteh mich nicht falsch, ich liebe es, auf der Bühne zu stehen und das Publikum zu unterhalten – aber eben nur auf meine Art und Weise und nur mit meiner Art von Musik.“

Erst mit der Veröffentlichung von „Excuse my spunk“ auf Vol. 18 der zahllosen Killed By Death-Sampler kam es zu einem kleinen INSTIGATORS-Boom, der aus Dennis plötzlich eine (verhältnismäßig) gefragte Persönlichkeit machte. Nur hatte Dennis nicht die geringste Ahnung davon! Er staunte nicht schlecht, als ihn eines guten Tages ein Typ von Rhino Records (nicht das Label) anrief und ihm gleich 50 Kopien der Single abkaufte – für lausige zwei Dollars das Stück. „Einige Zeit später fragte mich ein Freund, ob ich wüsste, dass die Single auf eBay für $125 gehandelt wird. Bizarr! Ich übergab die restlichen Kopien der Single einem Bekannten, der sie nun für mich verkauft. Endlich krieg ich das Geld für die Pressung wieder raus, und es hat nur 26 Jahre gedauert!“

Schon bald darauf meldete sich das italienische Reissue-Label Rave Up Records bei Dennis und bat ihn um weitere Aufnahmen. So entstand die sehr empfehlenswerte Compilation-LP mit dem Titel „Excuse My Spunk“ (was auch sonst), die neben der kompletten Single noch zwölf weitere Demo- und Livetracks enthält. Das Label lud die Band weiterhin ein, einige Live-Shows in Italien zu spielen. Natürlich ließ Dennis sich nicht zweimal bitten, und so machten sich die INSTIGATORS Anfang des neuen Jahrtausends auf den Weg über den großen Teich und beglückten das dortige Publikum mit einigen Auftritten, die Dennis nur mit den Worten „big, big fun!“ beschreibt. Danach ging es Schlag auf Schlag, Release folgte auf Release. 2002 erschien das Album „Not The Normal Kind“ mit einer Reihe alter Most-Originals und vielen Coverversionen, im darauf folgenden Jahr eine 7“ auf Bad Attitude, eine weitere Compilation-CD, diesmal auf Dyonisus, eine AUDIOLOVE-Live-CD, eine Menge Sampler-Beiträge, und so weiter und so fort. Den bisherigen Höhepunkt im Schaffen des Dennis Most stellt aber ganz eindeutig die neue Scheibe „Vampire City“ dar.

Ziemlich sicher ist allerdings auch, dass noch eine ganze Menge weitere Platten kommen werden, denn Dennis und seine Weggefährten sind immer noch voller Tatendrang, und ein Ende, den Göttern des Rock’n’Roll sei gedankt, ist nicht Sicht. „I’m still doing it and I will till they pry that microphone out of my dead stiff hand. Remember – rock’n’roll has no age limits. Only death is a barrier.“