HEARTBREAK ENGINES

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Herzensbrecher mit Monster-Album

Viele Fans der deutschen Graverocker THE SPOOK waren enttäuscht, als Sänger Lou Gosi die Band verließ und stattdessen mit Grischa von den ebenfalls aus Essen stammenden PITMEN die Party-Psycho-Truppe HEARTBREAK ENGINES zum Leben erweckte. Nach einem eher durchschnittlichem Debütalbum ist jetzt endlich monstermäßige Stimmung angesagt, denn „Love, Murder, Blues“ ist ein wirklicher Psycho-Punk-Kracher, der alle Beteiligten in Bestform zeigt. Ganz klar, dazu musste Vokalakrobat Lou Gosi sich beim Ox verantworten ...

Glückwunsch: Eine Steigerung um hundert Prozent im Vergleich zum Vorgängeralbum, und eine Wende zum sehr viel variableren Sound mit starker THE SPOOK-Kante! Wie habt ihr das hinbekommen? Warst du mehr am Songwriting beteiligt?

„Nein, jeder hat seinen Beitrag geleistet, Kalle, ich und auch unser neuer Gitarrist Dan, der sehr jung ist und viele neue Einflüsse einbringt. Unser Ziel war es, eine Scheibe aufzunehmen, die alles beinhaltet, was wir selbst als Musikfans von einem guten Album erwarten.“

Die THE SPOOK-ähnlichen Gesangsmelodien und Refrains sind also nicht ausschließlich dir zu verdanken. Das passt zu der Information, dass du ja bei deiner Vorgängerband kaum am Songwriting beteiligt gewesen sein sollst.

„Das ist eine ziemlich üble Unterstellung, denn ich habe bei THE SPOOK alle Gesangslinien geschrieben und sehr viele der Refrains. Solche Aussagen resultieren aus den heftigen Streitigkeiten zwischen mir und dem Rest der Band, die kurz vor meinem Rausschmiss sowie im Anschluss daran stattfanden.“

Was war der Auslöser für diese Geschichten? Schließlich kanntet ihr euch zum Teil seit Jahren und wart gute Freunde.

„Ich habe eigentlich damit abgeschlossen und auch noch nie öffentlich darüber geredet. Um es nicht breitzutreten, nur ein paar kleine Hintergründe: Ich wollte nach ‚Some Like It Dead‘ ein knalliges Punk-Album machen, die anderen Jungs wollten experimentelle Stücke mit Techno-Beats und so eine Scheiße. Die Band wähnte sich einfach auf einem anderen Level, als es in der Realität aussah. Manche fühlten sich schon als Rockstars und wollten unbedingt den Majordeal. Aber auch andere Probleme traten in dieser Zeit auf, beispielsweise meinten Ross und Lester, mich immer überwachen zu müssen, damit ich bei den Konzerten ja nicht zu viel trinke. Und das Ganze gipfelte darin, dass mir HEARTBREAK ENGINES – damals als kleines Nebenprojekt gestartet – verboten werden sollte. Ich wurde aufgefordert, das Projekt aufzugeben, dann sollte ich nur eine festgelegte Anzahl Shows pro Jahr spielen, dann wurde ich schließlich rausgeschmissen, als die Engines den Vertrag mit People Like You unterschrieben haben.“

Belastet dich das noch?

„Auf keinen Fall. Ich bin im Nachhinein total glücklich mit der Situation, denn ich kann großartige Musik machen und die Band läuft hervorragend.“

Verfolgst du noch den Weg deiner ehemaligen Mitstreiter?

„Ich habe kürzlich Jack Ill wieder getroffen, der jetzt auch ausgestiegen ist bei THE SPOOK. Wir haben uns umarmt und geredet, und er hat mich etwas auf den neusten Stand gebracht. Es gab wohl dort einige Probleme, Dean Rocca, den neuen Sänger zu integrieren und einige Fans fanden wohl die Konzerte auf der letzten Tour alles andere als überzeugend. Das kann ich auch gut verstehen, nachdem ich gesehen habe, wie sie beim ersten Konzert in der aktuellen Besetzung den Saal leer gespielt haben. Ich habe meine eigenen Songs nicht wieder erkannt. Das tat mir ziemlich leid.“

Zurück zu den HEARTBREAK ENGINES. Du hast schon früh angekündigt, dass „Love, Murder, Blues“ anders als der Vorgänger werden und Psychobilly und Horrorpunk vereinen würde.

„Genau, die erste Platte war ein Schnellschuss, diesmal hatten wir einfach viel mehr Zeit. Wir wollten düsterer werden und die Songs etwas mehr ausarbeiten. An den Texten habe ich ebenfalls sehr gefeilt. Ich liebe die Horrorthemen ja immer noch, nur wollte ich weg vom sehr trendigen Horror-Cartoon-Style und mich mehr an der Realität orientieren. Da sind viele eigene Erfahrungen eingeflossen, speziell was Beziehungen angeht. Ich vergleiche das gerne mit den alten DANZIG-Sachen. Das sind Alben, die mich wahnsinnig geprägt haben und deren Atmosphäre ich ein bisschen einfangen wollte. Also eher der düster-romantische Horror, der mich an die Zeit erinnert, als wir 15 waren und am Lagerfeuer ‚November Coming Fire‘ von SAMHAIN gehört haben.“

Horrorpunk ist – wie du ja sagst – sicher recht beliebt derzeit. Ihr aber firmiert in der Öffentlichkeit unter dem Begriff „Psychobilly“, der ja trendy ist wie nie zuvor …

„Viele Leute meinen, wir wären eine Psychobilly-Band, weil wir einen Kontrabass dabei haben. Wir sehen uns überhaupt nicht so, für uns ist das Rock mit Slap-Bass. Der Sound der HEARTBREAK ENGINES ist vielfältiger als bei echten Psychobilly-Truppen wie den METEORS oder DEMENTED ARE GO. Außerdem finde ich es ganz furchtbar, dass plötzlich jeder die tollste Tolle oder das tollste Tattoo haben muss. Richtig wohl gefühlt haben wir uns daher bei einem Gig mit den TOY DOLLS, wo mal ein anderes und älteres Publikum da war, das wir auch total überzeugen konnten.“

Dabei sind die jungen Betties doch definitiv deine Zielgruppe. Man kommt nicht umhin, zu bemerken, wie du angeschmachtet wirst, und ich erinnere mich an einen Gig, wo du direkt mit zwei Damen davongezogen bist.

„Manche Klischees entsprechen eben einfach der Wahrheit. Man setzt sich nach einem Konzert total erschöpft hin und es kommt eben vor, dass sich jemand dazu setzt. Allerdings haben wir uns auch sehr zurückgenommen, allenfalls unser Jungspund Dan ergreift da noch des Öfteren die sich bietenden Gelegenheiten. In Prag etwa hatte er ein unglaubliches Erlebnis, da die Damen dort etwas offenherziger sind. Aber mehr möchte ich nicht verraten. Und es ist überhaupt nicht so, als würde das oft passieren. Meistens bleibt es beim Unterhalten, da man als Band ja ohnehin bei Gigs immer im Stress ist.“

Machen sich solche Erfahrungen denn auch textlich bemerkbar?

„Nein, da geht es eher um Liebesgeschichten wie in ‚Nightfall‘ oder in ‚Evil wings‘ um eine Beziehung, die sich ins Zerstörerische gewandelt hat. Und im Opener ‚Angel soul-demon heart‘ verarbeite ich eine Beziehung mit einer sehr lieben Frau, die ein sehr ‚feuriges Herz‘ hat und total unberechenbar war. Bei THE SPOOK dagegen habe ich viel oberflächlicher geschrieben.“

Obwohl Horror-Themen – wie du sie verarbeitet hast – ja durchaus tiefgründiger gelesen werden können und sich darin viele gesellschaftliche oder politische Aspekte metaphorisch äußern.

„Da gebe ich dir absolut Recht, ich habe kürzlich beispielsweise ein Interview mit dem Regisseur von ‚Re-Animator‘ gesehen, in dem er auch dargelegt hat, was er mit dem Film ausdrücken wollte, und er hat im Prinzip genau das gesagt, was ich in den Streifen hinein interpretiert habe. Wenn man Horror richtig macht, dann ist das schon cool. Ich habe jetzt die gesellschaftskritischen Dinge jedoch eher außen vor gelassen und über Gefühle geschrieben.“

Psychobilly ist ja generell eine eher „unpolitische“ Musikrichtung. So unpolitisch, dass früher sogar Rechte toleriert wurden.

„Glücklicherweise ist das heute überhaupt nicht mehr der Fall. Ich bin sehr froh, dass es irgendwann diesen Bruch gab. Diese aktuelle zweite Welle jetzt hat mit Rechts gar nichts mehr zu tun. Und ‚unpolitisch‘ hat in diesem Fall nichts mit Rechts oder der Tolerierung von Rechten am Hut. Die Bands und das Publikum bestehen aus Menschen aller Nationalitäten. Psychobilly ist richtig multi-kulti geworden.“

Zum Abschluss das beliebte Auswahlspiel. Kurze Antworten auf kurze Fragen ... METEORS oder DEMENTED ARE GO?

„Wir waren mit Demented auf Tour, ich habe mir jeden Gig angeschaut. Ganz klar: DEMENTED ARE GO!“

NEKROMANTIX oder HORRORPOPS?

„NEKROMANTIX. HORRORPOPS sind Kaugummi ... In den Mund nehmen, kurzer netter Geschmack, ausspucken, fertig. NEKROMANTIX sind einfach großartig und Kim ist ein super witziger Typ.“

Schröder oder Merkel?

„Frau Merkel könnte sich als außenpolitisches Desaster erweisen. Aber ich bin politisch nicht wirklich interessiert und Schröder gefällt mir auch nicht. Na ja, die Abwechslung macht’s vielleicht: also Merkel.“

Piercing oder Tattoo?

„Tattoo! Piercings können ziemlich entstellen.“

Karloff oder Lugosi?

„Eigentlich finde ich beide gleich genial, aber Karloff ist der bessere Schauspieler.“

Bier oder Whisky?

„Mittlerweile Bier.“