HUDSON FALCONS

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Different shades of grey

1998 gründete Mark Linskey mit ein paar Kumpels die HUDSON FALCONS. Seitdem hat die Band aus New Jersey etwa 800 Shows gespielt und über 30 Mitglieder verschlissen. Nach den ersten beiden Alben „Desperation And Revolution“ und „For Those Whose Hearts And Souls Are True“ erschien dann kürzlich „La Famiglia“, bis zum Zeitpunkt des Interviews nur in Eigenproduktion. Eine Band, die in Oi!-Kreisen unterwegs ist, Bruce Springsteen als ihren größten Einfluss nennt und auf ihrer Webseite neben Links zu zahlreichen Gewerkschaftsorganisationen auch einen zu Amnesty International hat, bietet doch ausreichend Fragepotenzial. Das Interview mit Mark führte ich nach dem Konzert der Falcons in Koblenz.

Das war Anfang Juni. Kurze Zeit später unterschrieb die Band beim US-Label Street Anthem, was uns leicht beunruhigte, denn in deren Web-Shop finden sich neben Tonträgern von Bands wie den LOS FASTIDIOS, OI POLLOI oder den ANGELIC UPSTARTS eben auch solche von Bands, mit denen sich große Teile der Ox-Gemeinde wohl weitaus weniger anfreunden können, zum Beispiel ULTIMA THULE, AMERICAN STATIC (Besprechung Ox #60), ALMIGHTY LUMBERJACKS OF DEATH (Besprechung Ox #61) und CONDEMNED 84. Da Mark Linskey mir keinesfalls den Eindruck machte, dass man ihn in irgendeiner Form dem rechten Lager zuordnen könnte, fragte ich nochmal per eMail bei ihm nach, wie denn dieser Deal zustande kam. Wo er im Interview bei einigen Fragen noch um einen neutralen oder unpolitischen Eindruck bemüht war, machte er mir jetzt in einer ausführlichen Antwortmail eindeutig seine linke Einstellung klar. Das reichte mir allerdings nicht, denn ich war ohnehin eher um die Einstellung der Street Anthem-Leute besorgt. Also nahm ich auch noch mit Jason von Street Anthem Kontakt auf. Dessen Antwort fiel zwar weitaus kürzer aus, aber auch prägnanter: „We are definitely not a right wing label!“. Er lege wohl großen Wert darauf, nicht mit eindeutig rechten Bands in Verbindung gebracht zu werden, habe aber mit – für unsere Begriffe übertrieben – patriotischen Bands nicht ein so großes Problem, da ja auch die andere Seite im Web-Shop vertreten sei. Das legt mal wieder die Vermutung nahe, dass in den USA anders zwischen Rassismus/Fachismus auf der einen Seite und Patriotismus auf der anderen Seite differenziert wird als bei uns. Im Endeffekt wäre es aber Unsinn, aufgrund solcher Definitionsunterschiede eine Band wie die HUDSON FALCONS, die eben doch nicht unpolitisch, sondern links ist, nicht mehr zu unterstützen. Daher nach einigem Hin und Her hier jetzt endlich das Interview.

Auf eurer Webseite steht, dass die Band bisher schon etwa 30 verschiedene Mitglieder hatte.
Also offizielle Mitglieder waren es etwa 12 oder 13 und dann noch mal etwa 20 oder 25, die uns bei Touren ausgeholfen haben. Zwischen 1999 und 2003 waren wir beinahe ununterbrochen auf Tour und haben pro Jahr etwa 200 Shows gespielt. Das ist schon ganz schön hart, das kann eben nicht jeder. Aber mit etwa 95% Prozent der Leute, die je in der Band waren, verstehen wir uns nach wie vor gut. Das ist wirklich selten, dass der Grund für jemanden, die Band zu verlassen, ist, dass wir uns nicht verstehen. Aber es nimmt nun mal viel Zeit und Energie in Anspruch, und es ist ja nicht so, als käme da finanziell irgendwas dabei rum, es ist sogar eher ein Verlustgeschäft. Mir persönlich macht es nichts aus, nur von Käsetoast und sonst nichts weiter zu leben, wenn ich dafür Rock’n’Roll spielen kann. Ich habe aber vollstes Verständnis, dass das nicht jeder kann. Umso toller ist es, dass wir so viele Freunde haben, die jederzeit aushelfen. Mit Jim und Kai zum Beispiel haben wir erst eine Woche vor dieser Tour das erste Mal zusammen gespielt. Es kommt mehr auf die Energie an, nicht so sehr darauf, ob alles hundert Prozent glatt klingt. It’s rock’n’roll, it’s not supposed to be perfect and we’re a sloppy rock’n’roll band! Okay, wir spielen etwas schneller und daher nennt man es Punk, das ist auch völlig okay. Aber im Endeffekt ist es doch auch nur Rock’n’Roll.

Eure ersten beiden Alben sind ja auf GMM erschienen. Warum bringen die nicht auch das Neue raus?
Der Sound ist etwas anders ausgefallen. Es ist eben noch mehr Rock’n’Roll als vorher und hat sich insofern weiter von Punk entfernt, scheinbar zu weit für GMM. Es gab da aber keinen Streit oder so. Sowohl mit Mark Noah von GMM und den ANTI-HEROS, als auch den Typen, die ihm mit dem Label helfen – unter anderem Leute von PRESSURE POINT und den WHISKEY REBELS – sind wir weiterhin gut befreundet.

Ihr sollt ja eine Mischung aus den STIFF LITTLE FINGERS, den DEVIL DOGS und Bruce Springsteen sein. SLF ist geschenkt, spätestens nach dem Cover von „Alternative Ulster“. Aber den Teil mit Springsteen musst du mir doch noch mal näher erklären.
Ganz einfach: Wenn es Springsteen nicht gäbe, würde ich keine Musik machen. Er ist der Hauptgrund, warum ich überhaupt Lieder schreibe. Manche Leute mögen ihn nicht so sehr, weil einige seiner Alben zu aufwändig und sauber produziert sind. Aber die Texte und die Intention dahinter machen das, meiner Meinung nach, mehr als wieder wett. Sein 78er Album „Darkness At The Edge Of Town“ zum Beispiel ist roher und ehrlicher als manch eine Platte, die sich Punkrock nennt. Die Musik ist selbstverständlich etwas anders, aber die Integrität, die Intensität und die Verzweiflung sind trotzdem da.

Hast du nicht auch ein Solo-Unplugged-Album gemacht?
Ja, da ist der Einfluss von Springsteen wahrscheinlich eindeutiger zu erkennen. Die Hälfte der Songs sind Cover, die andere Hälfte eigene Sachen. Neben Springsteen covere ich auch noch Bob Dylan, Steve Earle und sogar Bob Marley. In allen Songs geht es um Freiheit in irgendeiner Form. Mit dem Album toure ich auch sehr viel. Das ist auch das Einzige, was ich machen kann und will: Musik machen! Dafür muss ich dann auch nicht immer erst Leute für eine Band zusammensuchen, ich mach das einfach ganz alleine nur mit Akustikgitarre.

Kommen wir noch mal auf eure Website zurück, da gibt es den Punkt „political links“. Aber warum ist der fünfmal kleiner als alle anderen Links. Wenn ihr nicht wollt, dass den einer sieht, warum macht ihr den dann überhaupt da hin?
Dass der Link so klein ist, liegt lediglich daran, dass ich zu blöd bin, eine Website zu erstellen. Wir sind auf jeden Fall eine sehr politische Band. Ich bin Gewerkschafter, das ist mein eigentlicher Job, und viele der Texte handeln davon.

Denkst du, das ist auch der Grund, warum eure Fans hauptsächlich aus dem Oi!- und Streetpunk-Bereich kommen, obwohl ihr musikalisch ja eher in eine andere Richtung geht?
Mit Sicherheit. Ich denke, das merken die Leute auch. Was die Texte oder die Links auf der Seite angeht, kann ich allerdings nur für mich persönlich sprechen. Außerdem kann man uns politisch keiner Partei im klassischen Sinne zuordnen. In den USA kriegen wir immer wieder von den Linken Ärger, die behaupten wir wären Nationalisten. Und dann kommen die Rechten und sagen, ihr seid ja alle Commies. But politics is not black and white, it’s different shades of grey! Vieles, was ich mache, geht sehr weit nach links, aber ein Kommunist bin ich deswegen noch lange nicht. Trotzdem liebe ich mein Land und bin patriotisch. Meine Regierung liebe ich hingegen überhaupt nicht, eben weil sie die Ideale, auf denen das Land aufgebaut wurde, zerstört. Andererseits singen wir auch Lieder über die Truppen und deren Probleme. So werden wir eben von beiden Seiten dumm angemacht. Das Einzige, was ich aber absolut nicht tolerieren kann, ist Faschismus. Ich habe sowohl konservative als auch extrem linke Freunde. Jedem das seine. Aber da hört meine Toleranz eindeutig auf. Wenn eine gewisse Linie überschritten ist, dann kann ich mir den Scheiß auch nicht mehr anhören, so verständnisvoll ich auch sonst sein mag, was unterschiedliche Ansichten angeht.

Können eventuelle Versuche, euch eher rechts einzuordnen auch was damit zu tun haben, dass ihr viele Skinheads als Fans habt?
Teilweise schon, aber ich denke, das ist in Europa ein größeres Thema als in den Staaten. Durch unsere Texte und unser politisches und gewerkschaftliches Engagement ziehen wir viele Skinheads an. Aber sehen wir es doch mal realistisch: Die Arbeiterklasse wird doch auch nur verarscht und ausgebeutet, in Europa genauso wie in den Staaten. Die Leute arbeiten immer mehr zu immer schlechteren Bedingungen und bekommen immer weniger Geld dafür. Allerdings gehöre ich nicht zu den Leuten, die dafür Einwanderer verantwortlich machen, denn die sind auch meistens nur Arbeiter und sitzen somit im selben Boot. Schuld sind die Firmenbosse, die auf Kosten der Arbeiter immer mehr verdienen.

Was hältst du von so Sachen wie Punkvoter? Denkst du, das ist eine gute Idee?
Ich weiß, dass da einige Aktionen und Kampagnen gelaufen sind im Vorfeld der Wahlen. Ich war und bin auch entschieden gegen George Bush und hab ihn auch nicht gewählt, aber ich wollte eben auch nicht unbedingt Werbung für John Kerry machen, da ich den ebenfalls für ungeeignet hielt. Ich habe zwar im Rahmen meiner Gewerkschaftsarbeit versucht, Leute zum Wählen zu motivieren, aber nicht innerhalb der Szene. Außer, dass ich bei Konzerten mal gesagt habe: „Geht bitte wählen.“

Hast du auch den Eindruck, dass manche US-Bands mit ihrem politischen Aussagen nur eine größere Fanbasis, vor allem in Europa, erreichen wollen? Oder dass sie da zumindest solche Hintergedanken haben?
Auf jeden Fall. Viele so genannte Punkbands in den Staaten sind nur ein Haufen Kids mit reichen Eltern, die keine Ahnung haben, wovon sie reden oder wie es der arbeitenden Bevölkerung so geht. Sie haben vielleicht ihr Schulwissen, aber vom wahren Leben haben die keinen Schimmer. Die reden nur Bullshit! Abends gehen die dann zurück in die schicken Vorstadthäuschen ihrer Eltern und das war’s. Ist ja schön für die, freu mich auch, hat nur leider mit der Realität herzlich wenig zu tun.

Okay, lass uns mal über was ganz anderes sprechen. Ihr habt ja mal eine Split mit EMSCHERKURVE 77 gemacht. Kkennst du noch irgendwelche anderen Punk- oder Oi!-Bands aus Deutschland?
Wenige, ehrlich gesagt. Selbst EMSCHERKURVE 77 hatte ich vorher noch nie live gesehen. Wir haben in den Staaten mal zusammen mit OXYMORON gespielt, aber ich weiß nicht, ob die sich noch an uns erinnern. Und ich hab mal DIE TOTEN HOSEN gesehen. An dem Abend, an dem ich sie gesehen habe, spielten die als Support von GREEN DAY in einer Riesenarena und am folgenden Abend als Headliner im CBGB’s. Das war Anfang der 90er. Ansonsten kenne ich nur Nena und Falco.

Kleiner geografischer Schlenker: Wie sieht es aus mit eurer Verbindung zur Bostoner Szene?
Als wir angefangen haben, dachten die Leute immer, wir wären aus Boston, weil wir da schon so oft gespielt haben. Es ist unglaublich, wie viele gute Bands aus Boston kommen: BLOOD FOR BLOOD, die MURPHYS, DUCKY BOYS, STREET DOGS, THE PUG UGLIES, SUSPECT DEVICE, TOMMY AND THE TERRORS, THE BLUE BLOODS. Die MURPHYS haben uns 2000 mit auf Tour genommen, zusammen mit den DUCKY BOYS. Das hat uns sehr weitergeholfen. Auch FAR FROM FINISHED sind gute Freunde von uns. Deren Schlagzeuger hat auch schon mal bei uns ausgeholfen. SUSPECT DEVICE sind ebenfalls Freunde von uns. Beide kommen, glaube ich, auch bald nach Europa. Wir und THE SKELLS sind sozusagen von der Bostoner Szene adoptiert worden. Wir spielen da öfter als zu Hause. Es ist echt eine großartige Szene, alle helfen sich gegenseitig.