SCUM

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Abschaum?

An sich keine uninteressante Sache: Fünf nicht ganz unbekannte Musiker mit teils sehr unterschiedlichem musikalischen Background gründen eine Band mit dem einzigen Ziel, abseits ihrer Vollzeitbands mal richtig die Sau rauszulassen. TURBONEGROs Bassist Happy Tom, der AMEN-Sänger Casey Chaos, der MINDGRINDER-Boss Cosmocreator sowie die beiden ehemaligen EMPEROR-Mitglieder Samoth und Faust als Gitarrist respektive Schlagzeuger haben dies unter dem Namen SCUM getan und kürzlich ihr Debüt „Gospels For The Sick“ veröffentlicht. Leider ist die Platte musikalisch nicht wirklich überzeugend – siehe dazu die Ox-Geschmaxcontrol im letzten Heft – und eine weitere Beschäftigung mit SCUM damit eigentlich hinfällig, aber die bloße Tatsache der Kooperation dieser genannten Musiker interessant genug, um da mal nachzufragen. Gerade auch wegen der doch etwas fragwürdigen Vergangenheit Samoths und Fausts, die Anfang der Neunziger Teil der völlig durchgeknallten Sektion der norwegischen Black Metal-Szene waren, die durch Brandstiftung und Morde zu trauriger Berühmtheit gelangte. Samoth wurde damals wegen des Anzündens einer Kirche zu mehreren Jahren Haft verurteilt, genauso wie Faust, dessen Knastaufenthalt sich allerdings nicht unwesentlich dadurch verlängerte, dass er 1992 im norwegischen Lillehammer grundlos einen homosexuellen Mann mit mehreren Messerstichen tötete.

Grund genug also, um wissen zu wollen, wieso ein Mann wie Happy Tom – der ja gerne respektvoll mit Homosexualität kokettiert – mit jemandem musiziert, der einen Menschen wegen seines Schwulseins tötete. „Samoth, Cosmo und ich sind alte Freunde, die endlich mal zusammen in einer Band spielen wollten“, erläutert Faust kurz und knapp per eMail. Der vom NuMetal zum metallischen Punk konvertierte AMEN-Boss Casey Chaos dagegen plante wohl schon länger ein Projekt mit norwegischen Musikern und lernte über den ebenfalls mal bei EMPEROR spielenden Mortiis die drei Genannten kennen, während sein Kontakt zu Happy Tom schon vorher bestand. Sind SCUM denn nun eine richtige Band, die in Zukunft weitere Platten machen und touren will, oder doch eher ein einmaliges Projekt? „Wir sehen uns schon als eine Band infolge des Interesses, das wir erzeugen, aber unsere Hauptbands behalten ihre Priorität. Wir haben bisher zweimal live gespielt, in Oslo und in London. Gerade letzterer Auftritt war großartig, aber wir werden sehen, was sich ergibt. Wenn wir Lust dazu haben, machen wir auch noch ein Album, aber alles geschieht in dem Tempo, das wir vorgeben.“ Eigenartig an „Gospels For The Sick“ ist für mich, dass trotz der Beteiligung von zwei aus dem Black Metal stammenden Musikern die Platte keine hörbaren Black Metal-Einflüsse aufweist, sondern eher nach Oldschool-Punk klingt. Wenn auch sehr metallischem. Faust sieht das allerdings etwas anders: „Es gibt viele Black Metal-Spuren auf der Platte, es gibt Referenzen an Bands wie CELTIC FROST, BATHORY, IMMORTAL oder DARK THRONE. Es ist bloß eine Sache der Differenzierung zwischen den einzelnen Elementen.“
Verantwortlich für das Songwriting waren in erster Linie Samoth und Cosmo. „Sie haben den Großteil der Riffs geschrieben, alles zusammengesetzt haben wir aber gemeinsam im Studio. Es gab kein Konzept, wir haben nur das gemacht, auf was wir Lust hatten.“ Dennoch hat die Platte einen starken Hang zu der Musik der frühen TURBONEGRO, auch wenn Happy Tom nicht offiziell als Songwriter auftaucht. Drückt der Mann durch seine bloße Präsenz der Musik so stark seinen Stempel auf? „Er hat sogar zwei Songs geschrieben, die es aber nicht auf das Album geschafft haben. Wir werden sie eventuell in Zukunft berücksichtigen. Aber seine Anwesenheit hatte schon einen großen Einfluss, er hat für eine gute Atmosphäre gesorgt und war sehr professionell. Insofern war es toll, dass er dabei war.“ Kann denn eine wirkliche Fusion aus Punkrock und dem mythischen, sich textlich oft der Realität entziehenden und manchmal leider auch sehr elitären und teils offen menschenverachtenden Black Metal dauerhaft funktionieren? „Nun, ich denke, wir haben bewiesen, dass das geht. Black Metal und Punkrock haben oft viel gemeinsam. Musikalisch sind beide simpel und naiv, aber gleichzeitig auch komplex genug, um den Zugang zu ihnen zu erschweren. Was die Philosophie angeht, so werden beide Stile davon gespeist, sich als Underdog oder von der Gesellschaft ausgestoßen zu fühlen. Es werden nur verschiedene Wege benutzt, dies auszudrücken.“

Wie schon erwähnt, benutzten Samoth und Faust vor einigen Jahren die mehr als fragwürdige Tat des Kirchenanzündens, um sich auszudrücken, und gingen dafür in den Knast. Wie denken die beiden mehr als zehn Jahre danach darüber? „Wir haben den Ernst dieser Verbrechen verstanden, aber das ist ein abgeschlossenes Kapitel und hat nichts mit unserer Beschäftigung mit Musik zu tun.“ Nun ja, diese Antwort kann man noch mit einem Zähneknirschen akzeptieren, schließlich waren die beiden damals gerade der Pubertät entwachsen und wohl ziemlich naiv und dumm, aber Faust hat darüber hinaus einen Menschen getötet, was man schwerlich mit jugendlichem Leichtsinn erklären kann. „Ich habe keine Verpflichtung, mich immer und immer wieder Musikjournalisten und den Medien gegenüber in dieser Sache zu erklären. Ich realisiere, dass das von Zeit zu Zeit wieder jemand hervorkramt, aber ich fühle mich wirklich nicht verantwortlich, das immer wieder zu erläutern. Ich habe meine Zeit abgesessen und habe so ziemlich damit abgeschlossen. Ich will mich auf die Musik konzentrieren.“ Mag sein, dass Faust das Thema zum Hals raushängt, aber von einem „immer und immer wieder Erklären“ kann angesichts der wenigen im Internet zu diesem Thema zu findenden Einträge wohl kaum die Rede sein. Leider lassen sich nur Aussagen Fausts finden, die wenig mit Reue zu tun haben, im Gegenteil. Diese stammen allerdings wiederum aus der Zeit kurz nach der Tat und eine etwas eingehendere Beschäftigung mit seiner Website bard-faust.com zeigt, dass er kein dummer Mensch zu sein scheint, der die Augen vor der Realität verschließt. Dennoch hätte ich mir bei so einem heiklen Thema ein wenig mehr Offenheit und Erklärungswillen gewünscht.