TIGER LOU

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It’s all about „The Loyal“

Wir trafen Rasmus Kellermann alias TIGER LOU nach seinem Konzert in Bonn und sprachen mit ihm über seine musikalische Entwicklung, seine Einstellung zu Religion und Heirat, seine Vergangenheit auf dem Bonner HC/Punk-Label Scene Police und über das, was wir in Zukunft von TIGER LOU und anderen Projekten von ihm zu erwarten haben.

Zu deinem neuesten Album „The Loyal“. Warum hast du gerade diesen Titel gewählt?

Ich weiß nicht genau. Am Anfang sollte es eigentlich „Der Loyalist“ heißen, aber nach ein paar Wochen erfuhr ich, dass die protestantische Gegenbewegung zur IRA in Nord-Irland sich „The Loyalists“ nennen. Und weil ich nicht mit ihnen in Verbindung gebracht werden wollte, änderte ich es in „The Loyal“. Für mich ist es sehr wichtig, einen Albumtitel zu haben, bevor ich anfange aufzunehmen, weil du dann weißt, was für eine Art Album du machen und welche Art Texte du schreiben wirst. Ich denke, wenn du älter wirst, realisierst du, welche Menschen dir am meisten bedeuten. Du versuchst, diesen Menschen treu zu sein und wünschst dir, dass du diese Treue auch zurückbekommst.

Wäre es denkbar, dass die anderen Musiker aus deiner Band auch etwas zum Songwriting bei TIGER LOU beitragen, oder sind sie ausschließlich für die Live-Umsetzung der Songs zuständig?

Gute Frage. Der Grund, warum ich mich dazu entschlossen habe, die Songs selber aufzunehmen, war, dass ich es mag, Songs bei Nacht zu schreiben und sie am nächsten Tag aufzunehmen. Wenn ich einen Song schreibe, höre ich dabei das Schlagzeug, den Bass, die Gitarren. Es so zu machen, ist eine gute Form, sich selbst zu überraschen, denn du weißt nicht, wie sich der Song letztendlich anhört. Auf dem nächsten Album will ich wieder verstärkt zu Hause machen und da die Songs fertig aufnehmen. Ich denke aber, dass die Band dabei mehr integriert sein wird. Aber Songs schreiben eher nicht, denn TIGER LOU ist mein Projekt. Aber wir werden sehen, wie sich die Dinge in Zukunft entwickeln.

Ich habe bisher von dir nur Songs auf Englisch gehört. Gibt es auch welche, vielleicht frühere, wo du Schwedisch singst?


Ich habe es noch nie versucht und ich glaube auch nicht, dass ich das mal tun werde. Ich besitze zum Beispiel keine einzige CD von Künstlern, die Schwedisch singen, weil ich das total eigenartig finde. Als ich 13 Jahre alt war, hatte ich eine Punkband und wir haben mal was auf Schwedisch gemacht, aber natürlich kam da nichts bei raus, weil es ziemlich schlecht war. Du willst, dass die Leute deine Texte verstehen, das ist auch der Grund, warum ich mir nicht vorstellen kann, auf Schwedisch Songs zu schreiben.

Wenn man deine Songs hört, kommt immer eine ganz spezielle Stimmung auf. Was würdest du sagen, beeinflusst deine Musik am meisten?

Früher war es so, dass ich mich einfach hingesetzt habe und Songs geschrieben habe – immer und überall. Heute bin ich verheiratet, wir leben in einer sehr kleinen Wohnung und da ist es schwer, die Zeit zu finden, um sich hinzusetzen und zu Songs zu schreiben. Heute inspiriert mich, einfach dazusitzen und die Stille zu genießen oder einen Film zu gucken. Als wir „The Loyal“ aufnahmen, hatte ich einige unfertige Songs, die ich dann vollendete, als wir im Studio waren. Diese Umgebung setzt einen kreativen Fluss in Gang, du fängst einfach an zu schreiben. Es ist also nicht eine besondere Stimmung, die meine Songs prägt, sondern eher eine gewisse Umgebung, in der ich kreativ sein kann.

Beeinflussen Ereignisse aus deinem Leben deine Texte oder sind sie eher fiktiv? Auf „Is My Head Still On?“, deinem ersten Album mit TIGER LOU, gibt es einen Song namens „Oh Horatio“. Gab es die Begegnung wirklich, die du dort beschreibst?


Nein, es geht mehr darum, wie es ist, wenn man alleine auf Tour ist. Ich meine, ohne Familie und so. Das ist eine ziemlich seltsame Situation. Die Menschen, mit denen man herumreist, werden dann echt gute Freunde. Ich traf viele Reisende, die einen in diesen kurzen Momenten an ihrem Leben teilhaben lassen. In dem Song geht es mehr um dieses Gefühl, Leute für nur kurze Zeit zu treffen und so vielleicht für fünf Minuten an ihrem Leben teilzuhaben. Natürlich stecken in jedem Song Sachen, die sich mit mir verbinden lassen.

Hast du beim Song „Like my very own blood“ vom neuen Album beim Schreiben an jemanden bestimmtes gedacht, oder soll es einfach allgemein die große Liebe beschreiben?

Das ist ein weiterer Song, der eine Situation mit Familie und Freunden beschreibt. Dieser Song handelt davon, zu realisieren, dass du dich in den wenigen Beziehungen, die du hast, manchmal einfach wie ein komplettes Arschloch verhältst, nicht, weil du es willst, sondern weil dich bestimmte Umstände dazu verleiten. Und du schämst dich dann dafür und hast den großen Wunsch, das zu ändern. Es geht darum, deine schlechten Seiten zu erkennen und den Wunsch, das wieder gutzumachen.

2002 hast du ja geheiratet. Hat deine Frau auch Einfluss auf deine Musik?

Sicher, sie ist die Person die mir am nächsten steht. Alle Menschen in meinem Leben inspirieren mich beim Schreiben.

Ihr habt ja richtig kirchlich geheiratet, geschah das aus religiösen Gründen?

Nein, ich hasse alles, was mit Religion zu tun hat. Das war auch niemals eine Option für meine Familie oder meine Frau. Beide sind glücklicherweise wenig religiös. Trotzdem ist es einfach schön, gut gekleidet dazustehen und deine Liebe vor all deinen Freunden zu zeigen. Leute denken oft, es würde sich viel dadurch ändern, aber das tut es nicht. Du heiratest, hast eine tolle Party, aber es ändert nichts an der Beziehung zueinander. Im Prinzip unterschreibt man ja nur ein Stück Papier.

Ich habe neulich einen Artikel über dich gelesen, wo deine Stimme mit der von Chris Martin von COLDPLAY verglichen wurde oder mit der von Morten Harket von A-HA. Was hältst du von solchen Vergleichen?


Bis jetzt habe ich noch nicht gehört, dass ich wie der Sänger von A-HA klingen soll, aber das ist cool. Sie sind jedenfalls beide gute Sänger. COLDPLAY haben viele wunderbare Songs geschrieben, aber wenn Leute denken, ich höre mich an wie er, dann ist das ihre Meinung, ich sehe das anders. Ich denke, wir klingen wie niemand anders, aber das sagt wohl jede Band über sich.

Ich denke aber, dass sich deine Stimme auf dem zweiten Album sehr verändert hat, sehr in Richtung 80er-Musik, findest du nicht?


Ja. Das erste Album war noch ein großer Mix aus vielen unterschiedlichen Einflüssen. Ich wusste da nicht genau, was ich tue. Aber dieses Album ist in jeder Hinsicht viel persönlicher. Ich denke, das liegt daran, dass ich jetzt weiß, welche Musik mir am meisten bedeutet. All diese 80er-Bands waren die ersten Bands die ich gehört habe, DEPECHE MODE, THE CURE ... Ich habe das damals durch meine älteren Geschwister mitbekommen. Es ist die Musik, die ich heute am meisten höre. Für mich gibt es nichts besseres, wenn es um Popmusik geht, als das, was aus den 80ern stammt. Sowohl vom textlichen als auch vom musikalischen her.

Das einzige Album deines Projekts ARAKI erschien damals auf dem mittlerweile aufgelösten Bonner HC/Punk-Label Scene Police, später folgte dort auch noch eine TIGER LOU-Single. Wie muss man sich die Zusammenarbeit mit einem Hardcore-Label vorstellen?

ARAKI war mein erstes Solo-Projekt überhaupt. Ich hatte eigentlich nicht vor, ein richtiges Album aufzunehmen. Es sollte mehr ein Demo sein, was ich an verschiedene Labels senden und einfach mal abwarten wollte, ob sich jemand meldet. Aber niemand tat das. Mein Freund Emil war damals mit seiner Band CHILDREN OF FALL auf Scene Police und gab ihnen das Demo. Sie mochten es und wollten was mit mir aufnehmen. Natürlich sagte ich Ja. Nun hatte ich keine Band, um auf Tour zu gehen. Ich erzählte ihnen also von meinem anderen Projekt TIGER LOU. Daraufhin brachten sie auch noch die „Gone Drifting“-Single von TIGER LOU heraus. Damals bestand die Band nur aus mir und meiner Gitarre. Und ich war sehr nervös, als es auf Tour ging. Vor mir spielten Hardcore-Bands, die laut waren und einfach alles rausbrüllten. Dann kam ich, setzte mich auf einen Stuhl und spielte mit meiner Akustikgitarre. Überraschenderweise hat es sehr gut funktioniert. Ich denke, es war für die Leute eine nette Abwechslung, weil sie sonst dort nun mal laute Musik hören, und dann kommt dieser Junge, der einfach dasitzt und ruhig ist. Die Leute mochten es und so hat auch die Zusammenarbeit mit Scene Police sehr gut funktioniert.

Inwiefern wird ARAKI weiter bestehen bleiben?


Eigentlich sollte es eigentlich ARAKI sein, womit ich auf Tour gehen wollte. Aber es stellte sich schnell heraus, dass TIGER LOU das war, woran sich die Leute erinnerten. Von da an rückte ARAKI immer weiter in den Hintergrund. Mein Plan ist momentan wirklich, ein neues Album mit ARAKI zu machen. Ich denke, dieses Jahr werde ich die Chance haben, mich wieder auf etwas anderes als TIGER LOU zu konzentrieren. Wobei sich das aktuelle TIGER LOU-Album mehr nach ARAKI anhört als es beim ersten TIGER LOU-Album der Fall war. Beide Projekte sind wirklich zusammengewachsen. Jetzt möchte ich das wieder etwas mehr trennen und etwas total Neues machen. Ich möchte versuchen, etwas zu machen, was sich mehr nach Elektronik anhört.

HC/Punk hast du aber auch mal gemacht, Mitte der 90er in verschiedenen schwedischen Bands. Damals hast du auch Konzerte organisiert und ein Fanzine namens „Spinsigns“ herausgegeben. Erzähl doch mal ein bisschen darüber.

Als ich 14 war, fing ich an, die ganze Punk/Hardcore-Szene in Schweden zu entdecken. Ich begann, zu Konzerten und Festivals zu gehen und lernte Fanzines kennen. Also versuchte ich es einfach mal selbst. Die erste Ausgabe kam 1995 heraus, danach entwickelte sich das Ganze von alleine. Viele meiner Freunde kamen auch zur Musik, wir spielten in Bands, machten unser eigenes Label und fingen an, in Jugendzentren Shows zu organisieren – für schwedische und ausländische Bands, die auf Tour waren. Irgendwann langweilte einen das aber, die Szene wurde immer uninteressanter, was einfach passiert, wenn du älter wirst. Man hat weniger Zeit, um sich darauf zu konzentrieren. Es war wirklich fantastisch, mit diesen ganzen Leuten Fanzines zu machen und es war toll, all diese Bands zu kennen. In dieser Zeit habe ich viele Erfahrungen sammeln können, es war gut so aufzuwachsen.

Gibt es einen großen Unterschied zwischen der öffentlichen Aufmerksamkeit, die du in Schweden und in Deutschland erhältst?

Für eine schwedische Band ist das immer etwas seltsam, weil Schweden so klein ist. Wenn wir in Schweden touren, geht die Tour zwei Wochen und in Deutschland dauert es dann dreimal so lang. In Schweden gibt es ein sehr begrenztes Angebot an Städten, wo du spielen kannst, wenn du nicht gerade 50.000 Platten verkaufst, und wir verkaufen höchstens ein Zehntel davon. Deswegen haben wir bisher auch mehr in Deutschland gespielt. Also waren wir sehr nervös, als wir im November anfingen, in Schweden zu spielen, aber es war wirklich sehr gut. Wobei die Rezensionen zum neuen Album und den Konzerten in Schweden eigentlich sehr schlecht waren. Aber wenn du eine Show spielst und da sind 500 Leute, denen es gefällt, was du machst, ist es dir letztendlich egal, ob jemand, der später etwas darüber schreibt, es schlecht findet.