LADY LUCK

Als ich Roger Miret von AGNOSTIC FRONT vor über ein paar Jahren interviewte, erzählte er mir begeistert von seiner Zweitband LADY LUCK, in der seine Frau Denise singt. LADY LUCK waren mir zu diesem Zeitpunkt schon von der Split-CD mit FULLY bekannt, gefielen mir, und so bot ich Roger an, mir doch einen Song von den neuen Aufnahmen für die Ox-CD zu schicken. Das passierte dann auch, "Lucky day" gefiel mir, auch vielen der Ox-Leser - und Lucky Seven Records, was zur Folge hatte, dass im Herbst letzten Jahres mit "Life In Between" das erste LADY LUCK-Album erscheinen konnte, gefolgt von einer Tour. Ehrensache, dass ich mich mit Roger, Denise und Kana zusammensetzte.

So lange Roger noch nicht da ist: Wie ist es mit Roger in einer Band zu sein, der ja bei AGNOSTIC FRONT der ist, der am meisten redet?


Denise: Bei LADY LUCK ist er ein ganz anderer Mensch.
Kana: Er ist in jeder Hinsicht ein anderer Mensch, wenn er nicht bei AF ist.
Denise: "eder Mensch hat verschiedene Seiten, und ich denke, es tut ihm gut bei LADY LUCK zu spielen, wo er musikalisch auf ganz andere Weise kreativ ist. Er sagt immer, AF sei eher ein physisches Erlebnis, während LADY LUCK eher in kreativer Hinsicht befriedigt, ja eher einen spirituellen Aspekt hat. Es sind eben zwei Seiten der gleichen Medaille.

Ein wichtiger Unterschied dürfte doch aber auch sein, dass AF auch wirtschaftlich eine andere Bedeutung für ihn haben und im Gegensatz zu LADY LUCK damit wohl immer oberste Priorität geniessen.

Denise: Ja, klar, AF sind sein Job, aber LADY LUCK gab es schon vor der AF-Reunion. Und glaub´ mir, das war eine harte Zeit... AF sind ein harter Job, der einen großen Teil seiner Zeit einnimmt, doch wenn Roger zuhause ist, widmet er auch LADY LUCK viel Zeit und Energie.
Kana: Dadurch, dass Roger viel unterwegs ist, braucht vieles etwas länger, doch uns ist wichtig, dass LADY LUCK eine "richtige" Band sind und kein "Side Project". Manchmal sagen die Leute das, aber was soll´s - und überhaupt sprechen wir sowieso ein anderes Publikum an. Abgesehen davon können wir daran eh nichts ändern.

Wie kamt ihr denn seinerzeit zusammen?

Denise: Es fing damit an, dass Roger in eine Band einstieg, ein Projekt mit einem Gitarristen, den ich schon lange kenne. Die Sache lief unter dem Namen AURA, war etwas heavier als LADY LUCK und ziemlich schnell wieder vorbei. Der Drummer - Glen - machte dann mit mir und Roger weiterhin zusammen Musik, und das war die Basis von LADY LUCK. Später schaltete die Frau, die dann unsere "A New Beginning"-Split-CD mit FULLY veröffentlicht hat, eine Suchanzeige für einen Gitarristen und Kana meldete sich.

Denise, hast du denn vor LADY LUCK schon Musik gemacht?

Denise: Ja, ich habe jahrelang mit einer befreundeten Gitarristin zusammen Musik gemacht. Sie hatte unter anderem bei PMS gespielt, ich war zuvor bei PUPPET SHOW, einer Partyband, die nie bekannter war.
Kana: Ich habe vorher zuhause in Vermont in einer Band gespielt, so eine verkopfte Sache à la TORTOISE, ohne Sänger.

Als Roger mir das erste Mal von LADY LUCK erzählte, erwähnte er ein paar Sätze später, dass JETS TO BRAZIL und PROMISE RING zu seinen musikalischen Favoriten zählten - und das machte dann auch Sinn, als ich den Song "Lucky day" hörte, der auf der Ox-CD enthalten war. Wie kommt ihr damit klar, im Emo-Kontext verortet zu werden?

Kana: Mann, ich versuche mich von "Emo" so weit entfernt zu halten wie möglich, das ist ein Stigma. Aber das ist ein generelles Problem, denn wie willst du Musik mit einem einzigen Stichwort beschreiben? Das geht nur, wenn sie extrem klischeehaft und schon eine Karikatur ihres Stils ist. Ein Wort wie "Emo" kann uns nicht beschreiben. Sowieso hat jeder von uns Vieren einen völlig anderen Musikgeschmack. Ich höre derzeit sehr gerne Nick Drake und Belle & Sebastian.
Denise: Bei mir ist das breit gefächert und reicht von POLICE über Trance-Sachen bis hin zu Jazz. Doch obwohl wir sehr unterschiedliche Sachen mögen, haben wir auch viele gemeinsame Vorlieben, und das hält die Band zusammen.
Kana: Bands wie THE CLASH oder THE JAM gehören zu unseren gemeinsamen Favoriten.

Wie ist es denn, mit drei Mitgliedern einer Familie in einer Band zu sein? Roger und Denise sind verheiratet, Walter, der Drummer, ist Denise´ Bruder.

Denise: Manchmal ist das nicht leicht, aber andererseits weisst du trotz des ganzen Stresses, den es manchmal gibt, dass man sich doch schätzt. Es hat eben Vor- und Nachteile. Man muss eben versuchen professionell an die Sache ranzugehen.
Roger: Manchmal ist schon schwierig, aber alles in allem klappt es.
Denise: Roger und ich haben auf jeden Fall gelernt uns zu beherrschen und das, was zwischen uns zu klären ist, draussen vor der Tür zu klären.
Kana: Ich bin sowieso perfekt, von daher gibt´s mit mir nie Probleme.

Warum habt ihr eigentlich so lange gebraucht, um euer Album zu veröffentlichen? Seit dem Split-Album sind immerhin drei Jahre vergangen?

Kana: Es gab diverse Besetzungswechsel, und dann ist da natürlich der "AF-Faktor", der die Sache immer wieder verzögert hat. Dazu kommt, dass ich studiere und das ist auch eine Vollzeit-Angelegenheit. Aber seit Walter fest dabei ist, läuft es rund und Roger und ich kümmern uns auch richtig konzentriert ums Songwriting.
Roger: Das Problem ist eben wirklich, dass ich ständig auf Tour bin. Aber nach dieser Tour werden wir verstärkt neue Songs machen für LADY LUCK. Meist haben wir nur einen Monat Zeit für LADY LUCK, dann bin ich wieder drei Monate mit AF unterwegs.

Ist das Album denn bisher nur in Europa erschienen oder auch in den USA?

Roger: Nein, bislang gibt´s das nur in Europa, und wir wollen mit diesem Album in der Hinterhand jetzt in den USA ein Label suchen. Wir würden´s ja auch selber machen, aber da ist wieder die Frage des Geldes.

Hast du denn nicht bei Epitaph angefragt, wo ihr mit AF unter Vertrag steht?

Roger: Ich hatte natürlich auch den Gedanken, aber entschloss mich dann doch, es gar nicht erst zu versuchen und die beiden Bands voneinander getrennt zu halten. Dazu kommt, dass Epitaph doch eher ein Punk-Label ist, und zudem bin ich mir manchmal nicht so sicher, was in deren Köpfen vor sich geht. Von daher denke ich, dass DieHard/Lucky 7 das richtige Label für uns ist.
Denise: Die haben sich richtig um uns gekümmert und bisher einen guten Job für uns gemacht, ich bin echt zufrieden.
Roger: Ich musste auch feststellen, dass die Zeiten sich geändert haben, gerade in den USA. Früher hat man sich untereinander ausgeholfen, da wäre das kein Problem gewesen, sofort ein Label zu finden. Heute ist das schwieriger, und ich bin nicht der Typ, der jemanden anbettelt und rumschleimt. Das scheint aber bei vielen Labels der Trick zu sein, damit man ins Geschäft kommt.

Wie kommt ihr damit klar, dass LADY LUCK vielfach als "die Zweitband von Roger von AGNOSTIC FRONT" wahrgenommen werden?

Kana: Ach, was sollen wir denn machen? Die meisten Leute, die uns so sehen, sind wohl AF-Fans, und die werden uns entweder mögen oder nicht. Wenn sie uns mögen, dann gut, wenn nicht, auch egal. Wir können daran nichts ändern. Manchmal hilft es ja auch, damit Leute überhaupt auf uns aufmerksam werden, aber andererseits bin ich mir sicher, dass unsere Fans nicht unbedingt auch AF-Fans sind. Wenn´s nach mir ginge, würden wir das mit AF überhaupt nicht erwähnen.
Roger: Er hat natürlich Recht, aber andererseits habe ich ja auch meine musikalische Vergangenheit, die ich natürlich nicht verschweigen kann und will. Und es ist nun mal so, dass die Medien immer die Vergangenheit einer Band als Ausgangspunkt für ihre Berichterstattung machen. Wirklich stören tut mich eigentlich nur, wenn LADY LUCK-Konzerte angekündigt werden mit "feat. Roger Miret of AGNOSTIC FRONT", während kein Wort über die Musik von LADY LUCK gesagt wird. Und ehrlich gesagt macht es mich manchmal auch nervös, mit LADY LUCK auf der Bühne zu stehen und nicht zu wissen, was die Leute von mir erwarten, denn ich bin da ja ganz anders, spiele Bass und halte mich eher im Hintergrund.
Denise: Witzigerweise habe ich in Deutschland eine ganz neue Vergangenheit angedichtet bekommen: ein paar Leute denken, ich sei die Ex-Sängerin von NAUSEA. Darf ich das nochmal klarstellen?!? Ich war nie, nie, nie, nie in NAUSEA, ich bin nicht Amy!!! Ich hoffe, dass jetzt niemand übermäßig enttäuscht ist.

Roger, was für ein Gefühl ist es denn in LADY LUCK zu sein, im Vergleich zu AGNOSTIC FRONT? Musikalisch ist der Unterschied beträchtlich, aber auch von deinem Verhalten auf der Bühne und im Hinblick auf das Publikum - der Macho-Faktor ist bei AF doch recht hoch, und Frauen haben in den ersten Reihen wohl nicht viel Spaß, während das LADY LUCK-Album, wie ich festgestellt habe, gerade auch Frauen gut gefällt.

Kana: Darf ich kurz einwerfen, dass ich damit überhaupt kein Problem habe? Ich stehe mehr auf Frauen als auf verschwitzte Skinheads.
Roger: Also ganz klar, der Unterschied ist gross. AF sind für mich eher eine physische Angelegenheit, während LADY LUCK musikalisch im Vordergrund stehen und eben viel emotionaler und melodiöser sind. Ich muss aber auch anmerken, dass sich das Publikum von AF in letzter Zeit gewandelt hat. Da kommen jetzt viel mehr Frauen als früher, und das wirkt sich positiv aus.
Denise: Das kann ich bestätigen, denn ich weiss, wie es 1984 und 1985 auf AF-Konzerten zuging.
Roger: Da war sie das einzige Mädchen.
Denise: Na komm! Wir sind immer mit einer ganzen Gruppe von Mädchen zu den Shows gegangen. Aber es war schon hart, als Mädchen in dieser Menge von stinkenden, verschwitzten Typen...
Kana: ... und heute ist Roger der stinkendste, verschwitzteste Typ auf einem AF-Konzert, haha.
Denise: Hehe, genau. Nein, also das Publikum auf einer New Yorker AF-Show hat sich schon schwer gewandelt, die Leute sind heute viel hipper.
Roger: Ich muss aber noch was zu der angeblichen Macho-Sache sagen: das war nie unser Ding, wir hatten nie was mit diesem Macho-Gangster-Scheiss am Hut, wir waren immer für Unity und wollten, dass sich jeder auf unseren Konzerten wohlfühlt. Aber wir kommen natürlich aus New York, da ist alles etwas härter - schwer, das zu erklären. Jedenfalls waren Frauen bei uns immer willkommen, und AGNOSTIC FRONT sind definitiv keine Macho-Band. Und genauso sind LADY LUCK keine "femmy band", nur weil Denise singt und wir eher melodiöse Musik machen, das ist ein genauso blödes Klischee.

Könnte man sagen, dass LADY LUCK dir den Rahmen gibt, musikalisch das zu machen, was bei AF - auch wegen der Erwartungen anderer - nicht möglich ist?

Roger: Ja, genau. Ich muss da keinerlei Erwartungen befriedigen, kann machen was ich will, und das macht Spaß. LADY LUCK erinnert mich daran, wie Punk und Hardcore früher war: alles kam unerwartet, niemand wusste, was auf ihn zukommt, und auf jeder Show klang jede Band anders. Heute scheint es nur noch Klischees zu geben, und alle Bands klingen gleich.
Kana: Ich denke, das ist bei jeder Bewegung früher oder später der Fall. Plötzlich gibt es Regeln und Erwartungen, doch wir haben damit überhaupt nichts zu tun. Wir machen unser eigenes Ding und kümmern uns nicht um den Rest.
Roger: Uns verbindet als Band auch, dass wir alle Ex-Punkrocker sind.

Äh, Roger, du bist ein Ex-Punkrocker?

Roger: ICH BIN EIN SKIN!!! Und mit LADY LUCK spiele ich New Wave Oi! Music.

Könnt ihr mir zum Schluss noch erklären, was es mit "Lady Luck" auf sich hat? Man sieht das Motiv dieser lächelnden, gut gebauten Dame und den Schriftzug "Lady Luck" ja überall: auf Bombern aus dem Zweiten Weltkrieg, tätowiert auf Oberarmen, als Sticker auf Autos...

Denise: Es ist heutzutage nicht leicht, einen Bandnamen zu finden, denn die meisten, die was taugen, sind schon vergeben. Also kamen wir auf LADY LUCK, aber so weit wir wissen ist das eine Country-Band, was aber kein Problem ist, da wir vor denen eine Platte veröffentlicht haben. Und in den USA reicht das aus, um sich das Recht an einem Namen zu sichern.
Kana: Sollten wir den Namen ändern müssen, haben wir aber schon einen neuen: KANA & THE LADY LUCK TONES.

Apropos: habt ihr denn auch alle ein Lady Luck-Tattoo?

Denise: Roger und ich haben das gleiche Motiv, ja.

Danke für das Interview.

Denise: Wir danken dir, dass du damals den Song auf die Ox-CD gepackt hast. Ohne das wären wir jetzt wohl nicht hier, denn dadurch kamen wir an unser Label.