LIQUID VISIONS

Schon vor einiger Zeit bin ich auf LIQUID VISIONS aufmerksam geworden, eine Psychedelic-Band aus Berlin. Bei meinem Besuch des diesjährigen Swamp Room Happenings in Hannover hatte ich schließlich die Gelegenheit, die Band zum ersten Mal live zu erleben - und sie bei dieser Gelegenheit auch gleich interviewt. LIQUID VISIONS, das sind Robert Terkhani an der Gitarre und an den Vox, Hans-Peter Ringholz an der anderen Gitarre, David Schmidt am Bass und Steffen Schurz an den Drums. Alles andere erzählen sie jetzt selbst.

Wenn ich euren Sound mit dem anderer deutscher Psychedelic-Bands vergleiche, fällt mir auf, dass ihr eher zu der stärker rockenden Fraktion gehört. Wenn ich da jetzt z.B. an die COSMIC GARDENERS denke, die eher spacig-folkigen Sound mit starken indischen Einflüssen machen, oder auch die MANDRA GORA LIGHTSHOW SOCIETY, die große Dominanz auf die Orgel legen, sehe ich euren Sound mehr in der Tradition von Hendrix als in der von verspielteren Sachen aus dieser Zeit. Wo liegen eure Wurzeln?


Hans-Peter: "Meine Wurzeln? Bei mir war das so: Ich hatte ältere Geschwister und da hab´ ich natürlich auch in deren Plattenschränkchen gestöbert und da ging´s los. Am Anfang eher noch so mit 70er Rock-Geschichten, auch härtere, BLACK SABBATH, AEROSMITH, Ted Nugent, solche Geschichten. Na ja, und später waren dann auch so Sachen wie IRON BUTTERFLY und Jimmy Hendrix, die mich angesprochen haben und dann ging´s, so ab 18 sag ich mal, irgendwann los mit horizonterweiternden Stoffen und da fing das dann an, dass sich bestimmte Musik klar rausgefiltert hat. Das war dann größtenteils psychedelische Musik."

David:
"Wurzeln? Ja, ABBA als Kind. Nee, also bei mir war das so: das erste Konzert, bei dem ich gesagt habe, jetzt wird alles anders, das war HAWKWIND, 1990 oder so. PINK FLOYD-Fan war ich eh, aber HAWKWIND kannte ich nicht, bin auf´s Konzert gegangen und von da an war alles anders. So eine Musik wollte ich auch machen."

1990 ist ja nicht so lange her.

David: "Nee, vorher habe ich auch eher elektronische Musik gemacht. So Mitte der 80er hatte ich mein erstes Konzert als Keyboarder und das ging dann so bis Anfang 90, wie gesagt, dann wurde alles anders. Das hatte aber auch damit zu tun, dass ich halt Elektronik mit Liveauftritten gemacht habe und sowas ist, bis auf wenige Ausnahmen, tödlich langweilig. Ansonsten ist das mit den Wurzeln schwer zu sagen. Ich bin eher offen, auch für indische Musik und auch immer noch für Elektronik, Ambient oder experimentell. Etwas anders als bei Hans "Wurzel" Peter."

Robert: "Plattenschränke konnte ich eigentlich nicht plündern. Mein Vater ist Kurde, der interessiert sich überhaupt nicht für westliche Musik, ausser Klassik. Also habe ich mich eher am Geschmack meiner Brüder orientiert. Ich hab´ noch vier Brüder, dass war bei uns so ´ne richtige Dynastie. Dadurch habe ich auch erst so richtig mit Musik hören angefangen, als ich schon 16 oder 17 war. Dann habe ich mir aber auch gleich ´ne Gitarre zugelegt, die hat mir ein Schulfreund besorgt, mit dem habe ich dann ´ne Band gegründet. Wir haben damals ganz klar den klassischen 70er-Rock gehört und auch viel Hendrix, den ich ziemlich geil fand, weil mich fasziniert hat, auf welche Art und Weise der seine Gitarre genutzt hat. Mit der Band haben wir eigentlich nur um die drei Jahre im Jugendzentrum geprobt, zu Auftritten sind wir nicht gekommen. Mein erster Auftritt war erstaunlicher Weise wirklich eine Sixties-Band, so Beat und Garagensound. Die Band und die Songs waren innerhalb einer Woche zusammengeschustert worden, mehr so ´ne Hauruck-Aktion. Das hat sich dann wieder zerschlagen, weil wir auch keinen Proberaum hatten. Dann habe ich mehr alleine weitergemacht, bzw. mit verschiedenen Musikern und dann ergab sich das irgendwann, dass ich zum Psychedelic gekommen bin. Ich denke, dass hatte sicherlich auch mit Drogen zu tun. Auf Trip habe ich halt gemerkt, dass ich mich mehr für Musik interessiere, die auch einen Erlebniswert hat, nicht nur den reinen Unterhaltungswert. Musik mit, ich sag´ mal, einer eher ungewohnten Klangzusammenstellung. Von daher muß ich auch Dave recht geben. Mein erstes Konzert wo´s richtig Klick gemacht hat, war HAWKWIND. Das war absolut genial in diesem Rauschzustand."

(An dieser Stelle allgemeines heiteres Feststellen, dass man damals auf dem gleichen Konzert war, sich aber noch nicht kannte.)

"Sowas wollte ich halt auch machen, habe aber in Berlin nichts gefunden, bis ich dann die Anzeige von den beiden gelesen habe, dass sie Leute suchen, die so ´ne Musikrichtung machen wollen. Wir haben uns dann getroffen und es hat gleich gefunkt."

Hans-Peter: "Das war gleich richtig geil."

Robert:
"Ja, die Chemie hat absolut gestimmt. Wir mussten auch gar nicht groß besprechen, wer was wie zu spielen hat. Das war ein intuitives Verständnis."

Wann war das denn mit dem Inserat, also dass ihr angefangen habt zusammen zu spielen?

Robert: "Winter 94."

Hans-Peter: "Ich bin damals von Bayern nach Berlin gezogen, weil das da nicht so prickelnd war."

Aus Bayern? Du berlinerst aber ganz schön.

Hans-Peter: "Ich bin ja auch ein Chamäleon."

David (lacht):
"Hans-Peter Chamäleon."

Hans-Peter: "Mussts holt sog´n, ob´s des mogst oder net. Nee, ich habe Klassenfahrten gemacht nach Berlin und Hamburg. Da war eigentlich klar, dass ich meinen Zivi in einer der beiden Städte machen wollte. Das hatte auch was mit dieser halluzinogenen Geschichte zu tun, dass mir München und Bayern nicht mehr zugesagt haben. In Berlin habe ich dann David getroffen und Robert hat sich auf die Anzeige gemeldet. Die hatte ich aufgegeben, weil ich auf keinen Fall in ´ne bestehende Band reinwollte, wo es dann heisst: "So, das sind unsere Stücke, spiel´ mal möglichst genauso". Das Tolle war, Robert hatte bereits einen Proberaum und einen Schlagzeuger und als wir uns getroffen haben, kam er mit einem Rieseneffektbrett an, ich kam mit ´nem Rieseneffektbrett an und da war eigentlich alles klar. Da hat´s musikalisch gefunkt. Ich sehe das auch jetzt noch so. Es gibt selten Bands, die mit richtiger Spielfreude ihre Effekte benutzen. Viele haben schlimmstenfalls ein vorprogrammiertes Multidigitalteil, und wenn sie analoge Effekte haben, lassen sie die meist in einer Einstellung. Mich persönlich reizt bei einem Delay, also dem Echo, die Modulation während des Spielens. Das hat bei uns beiden eben sofort gepasst. Zu der Zeit war dann auch noch ein Sänger dabei, aber der war auch schnell wieder weg."

Hieß das Ganze da schon LIQUID VISIONS?


Hans-Peter: "Nee, damals noch nicht. Da haben wir uns noch den Kopf drüber zerbrochen."

Robert: "Das wurde erst beim ersten Auftritt aktuell, weil man da ja irgendwas angeben musste. Wir haben bei der Namensgebung lange überlegt, weil es sollte schon was sein, was zu dem Sound passt. Eigentlich ging das dann auf ein gemeinsames Triperlebnis zurück, als die Gesichter der anderen so zerlaufen sind, flüssig wurden."

Drogen scheinen ja eine wichtige Sache zu sein in der Band...

Hans-Peter: "Mir hat das neue Horizonte eröffnet. Plötzlich habe ich bestimmte Sachen gehört, auf die ich vorher gar nicht geachtet habe. Ein Stück Sensibilisierung. Ich meine gut, ich bin kein Eingeborener, ich lebe nicht mehr mit Sonne und Mond im Zyklus, aber es passiert halt trotzdem was. Auch wenn es da immer diese Klischees gibt, von wegen Sex and Drugs and Rock´n´Roll. Aber das muss im Endeffekt jeder selbst wissen, ob und wenn wie oft..."

David: "Was man anderen und sich zumuten kann."

Hans-Peter: "Genau. Also, ich will niemandem dazu raten oder sage, dass man das machen muss. Ich versuche für mich das musikalisch umzusetzen, etwas rauszufiltern."

Bislang habt ihr eine Platte rausgebracht, die erstmals ´95 bei Nasoni als LP erschienen ist und die ihr ´99 als CD wiederveröffentlicht habt. Dazwischen liegen vier Jahre. Warum keine neue Platte?

David:
"Die kommt noch, aber das hatte sich ein bisschen so ergeben. Nachdem die Platte damals in relativ kleiner Auflage erschienen war, hatten wir einige Umbesetzungen. Robert war mal eine Zeitlang nicht mehr dabei und Steffen hat das Schlagzeug übernommen. Teilweise hatten wir auch andere Projekte laufen, so hatte ich z.B. mit Leuten von GROWING SEEDS das Projekt WELTRAUMSTAUNEN und mit Hans-Peter noch ZONE SIX. Letztes Jahr hatte es sich dann ergeben, dass die Besetzung von LIQUID VISIONS wieder fast die gleiche war wie ´95, und weil da eine gewisse Nachfrage herrschte, haben wir die Platte mit einem zusätzlichen Bonusstück, auf dem auch Steffen dabei ist, wiederveröffentlicht."

Wie sieht´s denn aus mit was Neuem? Du hattest eben sowas erwähnt und Hans-Peter sagte was von anderem Stil. Die erste Platte rockt ja ganz anständig, wird es psychedelischer?

David: "Ich denk´ schon, dass die psychedelischer wird, auf jeden Fall."

Steffen: "Andererseits auch ein Stück rockiger. Nach meinem Verständnis hat sich das Feld erweitert. Also es sind Songs drauf, die einiges an Psychedelic zunehmen und andererseits auch Songs, die für uns bislang eher ungewohnt waren. Ich glaub schon, dass wir da noch einen draufsetzen konnten."

Hans-Peter: "Sie ist sozusagen noch ehrlicher." (Allgemeines Lachen)

David: "Es wird diesmal im Gegensatz zur ersten Platte keine Coversongs geben. Ich würde auch sagen, es geht weniger in die 60ies/70ies Richtung, sondern eher zu einem eigenen Stil."

Hans-Peter: "Ich find es schwierig zu sagen "psychedelischer", weil das könnte auch heißen, dass sie abgedrehter ist. Es geht letztlich immer darum, in welchen Zustand du die Hörer versetzen willst. Es gibt da immer ein Engelchen und ein Teufelchen. Willst du jemanden verschicken, oder eher in einen spirituellen Zustand versetzen? Ich merke bei mir, dass ich da beide Seiten bevorzuge."

(Es folgt eine angeregte Diskussion darüber, wie Psychedelic verstanden wird und wo die (fließenden) Grenzen sind. Der Konsens war, dass eine Festlegung absolut unmöglich ist und das eigentlich doch alles erlaubt sein sollte.)

Robert: "Man kann da nicht mit der Keule kommen und sagen: So, jetzt machen wir Psychedelic, total vertrippt, alles verzerrt, Effekte bis zum Abwinken..."

Hans-Peter: "Machen wir auch." (Lacht)

Robert: "Ja, aber subtiler als früher."

Hans-Peter:
"Klar, man versucht gerne, ich merke das auch bei mir selbst, ´ne Band in eine Schublade zu stecken, aber letztendlich muss sich jeder irgendwo selbst ein Bild machen, indem er sich das anhört."

Das Problem ist nur, wenn jemand eine Band absolut nicht kennt, kann man ihm mit Vergleichen die Sache vielleicht schmackhaft machen. So hab ich mir früher oft Platten bestellt. Wenn da stand, die Band X hört sich ungefähr so an, wie Band A, die ich kannte und geil fand, war für mich klar, die Platte ist was für mich. Von daher finde ich Schubladen, zumindest als Appetithappen, nicht immer schlecht.

Robert:
"Also ich kann mich auch mit dem Stempel Psychedelic identifizieren, nur besteht halt immer die Gefahr von Klischees, die dann gerne aufkommen."

Hans-Peter: "Du drückst z.B. auf die Wah Wah und dir sagt einer: Booah, Hendrix Alter." (Allgemeines Lachen)

David: "Wir kennen da massenhaft Bands, die viel eher unseren Sound beeinflusst haben, als jetzt, ich sag mal, die 10 Bands, die ständig für Vergleiche herhalten müssen."

Klar, nur nutzt es keinem was, wenn ich ´ne Band, die keine Sau kennt, mit ´ner anderen Band, die auch keine Sau kennt, beschreibe.

Hans-Peter: "Dann kannste direkt uns beschreiben."

Klar, aber ich glaube, dass der Werbeeffekt sonst besser funktioniert. Themenwechsel. David und Hans-Peter machen noch ZONE SIX, aber Robert hat auch noch was anderes laufen, oder?

Robert: "Kurdisch."

David: "Durch´s wilde Kurdistan."

Robert: "Das ist keine Band oder so. Das hatte mit meinem Studium zu tun, da hab´ ich mit ´ner kurdischen Volksmusiktruppe was gemacht, einfach interessemäßig. Das ist auch sowas wie kulturelle Ahnenforschung, wenn man so will. Ich bin zwar in Berlin geboren, habe aber natürlich von meinem Vater auch einen orientalischen Background mitgekriegt, auch wenn das eher subtil war. Ihm war schon wichtiger, dass ich mit diesem Kulturkreis hier großwerde, damit ich keine Anpassungs- oder Verständigungsschwierigkeiten bekomme. Aus heutiger Sicht interessiert mich der kurdische Background natürlich viel mehr als früher. Es gibt Dinge, da merk ich, das ist mir vertraut, obwohl ich die Musik gar nicht kenne. Das sind so Sachen, vielleicht hab´ ich die in der Kindheit mal gehört. Es ist auch toll, wie einem plötzlich die Unterschiede innerhalb verschiedener orientalischer Musik auffallen, Sachen die sich vorher vermeintlich gleich anhörten. Aber für mich war das auch eine Erfahrung, mal zu sehen wie ich mit Musikern klarkomme, die aus einem völlig anderen Kulturkreis kommen. Das ist auf jeden Fall eine Horizonterweiterung, mal über das Europäische, oder Westliche, hinaus zu blicken."

Gibt´s noch irgendwelche Schlußworte?

Hans-Peter: "Wir wollen mit unserer Liveshow versuchen, alle Sinne zu betören, dazu gehören dann auch optische Reize. Dafür haben wir meistens eine Lichtshow dabei, die Freshlight Family und heute gibt´s dazu noch ´ne Tanzperformance von Katja, meiner Freundin."

David: "Free Cannabis!"

Hans-Peter: "Free Tibet!"

David: "Genau. Erstmal Scheiß Chinesen raus aus Tibet und Cannabis legalisieren, weltweit, vor allem in Amerika und AKWs abschaffen."

Warum Amerika? Ich fänd´s gut, wenn wir hier erstmal anfangen würden.

David: "Die Amis sind so besessen darin. Wenn´s da nicht legalisiert wird, dann nirgendwo."

Gut, dann schalt ich jetzt ab.


Hans-Peter: "Nee halt. Ich wollt an dieser Stelle noch den Hausmeister unseres Proberaums, Herr Grusewitz grüßen." (Alles lacht)

Liest der das Ox? Ist der Punkrocker?

Hans-Peter: "Nee, weiß ich nicht, aber ohne ihn würd´s einfach noch besser laufen."

Robert: "Und noch, dass unsere nächste Platte ein Unikum wird, weil das Haus, in dem wir aufnehmen, danach abgerissen wird. Das letzte räumliche Klangerlebnis sozusagen."