OTHER

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Scary Band

Es gibt letztlich nur zwei Punkbands, die einen so eigenen Sound entwickelt haben, dass bei jeder Band, die sich daran versucht, das Vorbild absolut klar erkennbar ist. Die eine sind die RAMONES, die zig Epigonen hervorgebracht haben, die anderen die MISFITS, bei denen der Boom der Fan-Bands erst mit großer zeitlicher Verzögerung einsetzte. Exemplarisch lässt sich das an THE OTHER aus Köln nachvollziehen, die passenderweise aus einer MISFITS-Coverband den Weg zu eigenen Songs im "Horrorpunk"-Gewand fanden. Frontmann der geschminkten Truppe ist Thorsten Wilms, der seinerseits auch einer der beiden Betreiber von Fiendforce Records ist - und der meine Fragen beantwortete, gerade auch zum nagelneuen Album.


Thorsten, deine musikalische Karriere begann einst mit FORCED TO DECAY und damit auf einer doch etwas anderen Baustelle als THE OTHER. Wie kamst du überhaupt zum Punk/Hardcore?


Punk und Hardcore höre ich seit circa 1989. Damals wohnte ich noch bei meinen Eltern und hab nur Metal gehört. Plötzlich drangen aus dem Zimmer meiner kleinen Schwester immer geile Songs, die mir super gefallen haben. Das waren dann RAMONES, BAD RELIGION und DANZIG. Tja, und ein Jahr später war ich auf meinem ersten RAMONES-Konzert und kurz danach bei BAD RELIGION, NOFX, SLAPSHOT, SICK OF IT ALL ... MISFITS kenne ich allerdings noch länger.

Und wie kam es zum Wechsel von metallisch-crustigem Hardcore zu MISFITS-beeinflusstem Punkrock?

Ich habe seit der Zeit, als ich das erste Mal mit den RAMONES in Kontakt kam, immer Punkrock gehört. Aber gleichzeitig mochte und mag ich auch viel hartes Zeug. Death Metal, Grindcore, Sludge, Screamo, Doom und so weiter. Und bei FORCED TO DECAY konnte ich diese Seite eben ausleben. Nur nach neun Jahren "Kopfmusik" wollte ich aber dann doch was machen, das einfach aus dem Bauch kommt, und gründete 1999 die MISFITS-Coverband GHOULS, aus der dann THE OTHER entstanden ist. Sowohl FORCED TO DECAY, als auch THE OTHER sind auf ihre Art "düstere" Bands, so schließt sich also irgendwie der Kreis.

Wie und wann kamst du zum ersten Mal mit den MISFITS in Kontakt, und was, denkst du, ist der Grund, dass das so einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat?

Durch METALLICA, wie so viele andere auch. Ich hörte die "Garage Days"-EP und dachte nur, Mann, was sind "Last caress" und "Green hell" für geile Songs. Doch viel später erst legte ich mir eine MISFITS-LP zu, das war die "Collection 1", und als ich "Teenagers from Mars" gehört habe, war's um mich geschehen. Ich bin durch meine Eltern mit Elvis und Rockabilly aufgewachsen und liebte außerdem immer alles, was mit Horror zu tun hatte, und die MISFITS haben das irgendwie alles zusammen gepackt. Dazu dann noch solch unübertroffene Ohrwurmmelodien ... Die MISFITS sind einfach gleichzeitig Punk, Rockabilly, Gothic und Horror, es passt eben alles zusammen.

Nun ist dieses MISFITS-Ding aber auch ein oft strapazierter Vergleich. Welche anderen würdest du denn gerne sehen, und warum?

Ach ja, wir kommen sehr gut damit klar, mit den MISFITS verglichen zu werden. Das war ja auch anfangs immer unser Anspruch, die Songs zu schreiben, die die Fiends von den MISFITS hören wollten, aber nicht mehr bekamen. Mittlerweile findet man noch Einflüsse von zum Beispiel THE DAMNED, Alice Cooper, Nick Cave oder AFI in unserem Sound, aber MISFITS, DANZIG und SAMHAIN werden immer eine große Inspiration sein.

"Horrorpunk" - wer hat diesen Begriff eigentlich erfunden und geprägt?

Ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung, wer den Begriff das erste Mal benutzt hat. Ich habe das Mal irgendwo in einem Artikel als Beschreibung über die MISFITS gelesen. Ohne arrogant klingen zu wollen, würde ich aber behaupten, dass erst die "This Is Horrorpunk"-Compilations von Fiendforce das Genre überhaupt definiert haben. Vorher kannte keiner den Begriff.

Ich habe das Gefühl, dass dieses Horrorpunk-Ding erst in den letzten fünf Jahren so richtig aufgekommen ist. Warum eigentlich? Oder hat vorher einfach nur die begriffliche Klammer gefehlt, waren diese Bands auch so schon präsent?

Genauso ist es. Viele der Bands gibt es schon recht lange, BLITZKID zum Beispiel oder THE INDEPENDENTS. Aber jede Band hat ein bisschen vor sich hin gewerkelt und es gab keine Kommunikation und keine Szene. Ich denke, vielen Leuten wird es so gegangen sein wie mir, dass man irgendwann auf der Suche nach Bands war, die so ein bisschen "in Richtung MISFITS" gehen. Und dann stieß man hier auf BALZAC, da auf THE SPOOK, dort auf MISTER MONSTER. Und plötzlich wurde mir klar, dass das Ganze eigentlich ein wirkliches Genre ist, nur, dass Fans und Bands noch nichts voneinander wussten. Fast alle der Bands hatten noch nicht mal einen Labeldeal. Durch fiendclub.de oder Fiendforce, das "Fiend Fest" oder das Horrormagazin Virus hat sich das Ganze dann schön zusammengefügt, so dass man von einem jungen Genre sprechen kann, mit vielen Bands, die aber schon lange Musik machen.

Siehst du einen Konflikt zwischen deinem Job als Labelboss und Bandboss?

Meist nicht, denn der Vorteil, gleichzeitig in einer Band auf meinem eigenen Label zu spielen, ist, dass ich die Bedürfnisse der anderen Musiker viel besser nachvollziehen kann und mich auch um kleine "Band-Wehwehchen" kümmern kann. Weiterhin versuche ich, bei Shows, die THE OTHER spielen, immer andere Fiendforce-Bands mit unterzubringen, oder ich organisiere durch meine Kontakte eigene Gigs für unsere Bands. Einzig die Zeit ist manchmal ein Problem. Gerade jetzt, wo wir drei Wochen im Studio waren, konnte ich mich nicht so intensiv um das Label kümmern, wie ich es gerne getan hätte.

Wo ist in Sachen Bühnenshow und -optik für dich/euch die Grenze? Ich meine, cooles Posen ist das eine, aber die Grenze zur Peinlichkeit ist da ja auch schnell überschritten, wenn man nicht über sich selbst lachen kann.

Glücklicherweise ist ja Horrorpunk kein so ernsthaftes Genre wie zum Beispiel Gothic. Bei uns geht es zwar auch um Tod und Leid, aber immer wieder auch mit einer guten Prise (schwarzen) Humor. Horrorpunk ist ja stark mit Halloween, B-Movies, Comics und so weiter verbunden, es steckt eine gute Prise Lust am Trash da drin. Die Bands, als auch die Fans, trinken und feiern, trotz schwarzer Klamotten und Schminke. Lachen ist ausdrücklich erlaubt. Gleichzeitig wollen wir natürlich möglichst professionell sein und weiter an Bühnenshow und Präsentation arbeiten, denn das Genre ist untrennbar mit der Optik verbunden: Wir singen über Monster und sehen aus wie Monster. Aber wir werden natürlich nie so weit gehen, wie GWAR oder LORDI und mit Ganzkörper-Plastikkostümen auf die Bühne gehen.

"We are who we eat" ist ja ein sehr lustiger Albumtitel. Keine Angst, wegen "Förderung des Kannibalismus'" angeklagt zu werden ...? Und was hat es überhaupt damit auf sich? Und: bist du Vegetarier?

Da fragst du doch glatt einen Untoten, ob er Vegetarier ist ... Also, um die Frage möglichst diplomatisch zu beantworten: Ich esse keine Tiere. Seit 15 Jahren nicht mehr. Warum auch, es gibt genug Menschen, die es verdient haben ... "We are who we eat" ist natürlich eine leichte Veränderung des bekannten Vegetarierspruchs. Er entstammt der Horrorfilmdokumentation "American Nightmare" und bezieht sich auf die 70er-Jahre-Filme von Romero, Craven, Hooper oder Carpenter. Diese Regisseure haben in ihren Horrorfilmen damals deutliche Statements über die Gesellschaft und die Politik integriert und Romero hat das auch kürzlich in "Land Of The Dead" noch getan. An den Film ist unser Coverartwork stark angelehnt. Für uns bedeutet das, dass auch Zombies eben ein Spiegelbild der Gesellschaft sind, allerdings ohne moralische Instanz, die ihr Handeln beeinflusst. Sie folgen ihren Trieben, sie gehen über Leichen, sie sind längst tot, auch wenn sie sich weiter bewegen.

Stell mir doch mal deine Mitmusiker vor. Und wie habt ihr euch gefunden?

Sarge von Rock war früher zusammen mit Andy Only bei GRIMSROTTEN, einer Crust-Punkband aus der Düsseldorfer Ecke. Als ich noch bei FORCED TO DECAY war, haben wir viele Gigs gemeinsam gespielt und sind gute Freunde geworden. Dr. Caligari prügelte damals bei den Hardcore-Bands SECOND TO NONE und SLIPFIRE auf die Kessel und war auch mal als FORCED TO DECAY-Drummer im Gespräch. Alle gemeinsam hatten wir, dass wir große MISFITS-Fans sind und die Gründung der GHOULS - unserer MISFITS-Coverband - regelmäßiges Partythema unter uns war.

Da du dich ja auch gerne damit schmückst: Was zum Teufel hat's denn mit dieser "Teufelslocke" auf sich?

Meine Teufelslocke ist ja eher eine seitliche Locke. Die Original-Devilock der MISFITS entstammt wohl frühen Darstellungen von Vampiren oder Monstern, bei denen die Haare auf der Stirn spitz zusammen liefen. Bei Eddie Munster gab's das zum Beispiel in den 60ern zu sehen. Jerry Only hat diese Spitze einfach etwas länger wachsen lassen.

Derzeit auch in Deutschland im Kommen ist ja dieser japanische "Visual Kei"-Look, bei dem es mir ja gewisse Ähnlichkeiten zu diesem ganzen Alice Cooper/KISS/MISFITS/BALZAC-Dingens zu geben scheint.

Ja, das ist mir auch aufgefallen. Ich kann damit nicht viel anfangen, das ist für mich irgendwie Retortenmusik, die nur von der Optik lebt, und wird nur von 14-jährigen Manga-Girls gehört, die sich eigentlich gar nicht für Musik interessieren.

Eure Platte ist ja doch ziemlich fett rockig geworden - und für die Chöre müsst ihr sicher Lizenzgebühren an die Herren Danzig und Only zahlen, oder? Was waren die Vorgaben, eure Ziele?

Haha ... Gut, die Chöre sind natürlich von den MISFITS beeinflusst, weil eben jeder Song bei denen ein Mitsing-Hit ist. So was wollten wir immer machen, das finde ich auch bei anderen Bands geil wie zum Beispiel den BONES. Einen catchy Refrain zu schreiben ist eine Herausforderung und der wollten wir uns stellen. Ansonsten war aber unser Anspruch, ein Album aufzunehmen, das sowohl düster, als auch (punk-)rockig ist, das eben irgendwo zwischen Punk, Deathrock/Batcave, Metal und Rockabilly liegt. Ich denke, es ist uns gelungen, all diese Einflüsse zu integrieren und uns daher, noch eher als beim ersten Album, einen eigenen Stil zu erarbeiten, der trotzdem noch 138 Prozent Horrorpunk ist.

Hast du eigentlich Kontakt zu Glenn Danzig oder Jerry Only? Oder Michale Graves ...?

Graves soll bleiben, wo der Pfeffer wächst. Dieser Redneck-Idiot ist einfach nicht zu ertragen und versucht, sich jetzt mit seinem Engagement für die "West-Memphis-Three" zu rehabilitieren. Zu Jerry habe ich immer dann Kontakt, wenn er in Deutschland ist, da wir die Band ja oft supporten. Er ist wirklich ein sehr angenehmer Zeitgenosse, der THE OTHER stark unterstützt hat. Er ist vor uns auf die Bühne gegangen und hat uns angekündigt, hat mich zweimal als Gastsänger auf die Bühne gebeten. Ein echter Gentleman, der leider momentan nicht ganz weiß, wie er mit der mächtigen Historie der MISFITS umgehen soll, wie mir scheint. Glenn habe ich fünfmal interviewt und dabei beide Seiten von ihm kennen gelernt. Trifft man ihn persönlich, ist er wirklich angenehm, er macht Witze, hat mit mir für Fotos posiert, meine alten MISFITS-Scheiben signiert und sich die Fiendforce-Sachen genau angeschaut. Am Telefon ist er ein totaler Choleriker, der auf Teufel komm raus Streit sucht. Aber für mich ist Glenn ein wirklicher Künstler, der hundertprozentig zu dem steht, was er tut. Mein Traum wäre es, DANZIG auf Tour zu supporten, wenn Doyle als Gast dabei ist, wie in den USA geschehen, wo ja zig MISFITS-Klassiker zum Besten gegeben wurden. Glenn ist übrigens sehr stolz auf das, was derzeit mit Horrorpunk passiert ...

Sonst noch was? Wann kommt die Rumänientour?

Oh Mann, das wäre echt ein Traum. Es gibt ja diese Drac-Tours, wo man eine Woche durch Rumänien fährt und Halloween auf Draculas (nachgebautem) Schloss feiert. Da zu spielen wäre der Wahnsinn!