NO TE VA GUSTAR

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NO TE VA GUSTAR aus Montevideo, Uruguay legen mit "Aunque Cueste Ver El Sol" gerade ihr drittes Album vor. Vor einem Jahr waren NTVG zum ersten Mal in Europa auf Tourneem gaben damals ihr Debüt-Konzert in Hamburg. Sie waren sehr gespannt auf die Reaktionen, denn in ihrer Heimat Uruguay zählen NTVG neben ABULEA COCA und LA VELA PUERCA zu den drei größten Bands, ihre Platten haben dort mehrfachen Platinstatus. Im verregneten Hamburg hingegen spielten sie vor vielleicht zweihundert Menschen, und zu allem Überfluss gab es nach dem zweiten Song bereits technische Probleme. Die folgende Viertelstunde ohne Sänger und Gitarrist wurde Dank einer spontanen Instrumentaleinlage nicht nur angenehm kurzweilig überbrückt, sondern es gab dabei sogar überschwänglichen Applaus für den Perkussionisten. Nachdem diese Hürde souverän genommen wurde, stand einer rauschenden Latin-Ska-Party mit Punk- und Rockelementen nichts mehr im Wege. Ein Jahr später sind NTVG erneut auf Europatournee und diesmal ergab sich die Möglichkeit, die siebenköpfige Band vor dem Konzert zu treffen. Zwischen Soundcheck und Abendessen gaben mit Martin Gíl und Mauricio Ortiz Zweidrittel der Bläserfraktion bereitwillig Auskunft.


Der Tourneeauftakt im letzten Jahr hat mich schwer beeindruckt, trotz Zeitumstellung, technischer Probleme und einer zum Drittel gefüllten Halle gab es ein rauschendes Konzert.


Mauricio: Glücklicherweise war dies die einzige technische Panne während der gesamten Tour, es passierte nur in dieser Nacht. Wir haben aber nicht herausgefunden, woran es lag. Am nächsten Tag brach sich unser Schlagzeuger den Fuß, es war bei einen Fußballspiel: Hannover gegen Montevideo, gewonnen haben wir trotzdem. Unser Perkussionist hat dann das Schlagzeug übernommen. Das war schon ein turbulenter Auftakt.

Ihr seid jetzt ja schon einige Wochen unterwegs, gibt es Unterschiede zur letzten Tour?

Martin: Unser Schlagzeuger ist damals vorzeitig zurück nach Uruguay geflogen und folglich mussten wir die Arrangements etwas umstellen. Diesmal sind wir komplett. Und, haha, wir kommen im Winter, beim letzten Mal war es Herbst. Diesmal liegt überall Schnee und alles ist gefroren. Wir kommen direkt aus dem Sommer hierher ...

Ihr seid in Uruguay sehr bekannt. Ich habe gelesen, dass ihr auf dem Quilmes Rockfestival vor 200.000 Menschen gespielt habt. Warum seid ihr jetzt, mitten im schönen Sommer, in Europa?

Martin: Moment, 200.000? Das stimmt nicht ganz. Beim Quilmes Rockfestival in Argentinien waren zwischen 100.000 und 150.000 Menschen. Da gab es mehrere Bühnen. Die Tatsache, dass wir Musik machen, ist der Hauptgrund, warum wir hier sind. Wir machen es nicht wegen des Geldes. Wenn wir hierher kommen, dann bekommen wir auch nicht viel. Wir sind immerhin 20.000 Kilometer von Zuhause entfernt. Das ist für eine Band eigentlich viel zu weit und zu teuer. Die einzige Möglichkeit besteht wirklich darin, dass wir, wenn wir einen Monat hier sind, versuchen, möglichst jeden Tag aufzutreten und zu spielen.

Mauricio: Und der Grund, warum wir hier sind, ist einfach, dass wir hier jeden Tag spielen können. Wir kommen für einen Monat und geben 28 Konzerte. In Südamerika ist so etwas undenkbar. Wir spielen zwar auch in Argentinien, aber nur ein- bis zweimal im Monat. Es ist uns sehr wichtig, so viel wie möglich aufzutreten,wir wollen einfach unsere Musik präsentieren. Wir wollen zeigen, was wir machen, am liebsten der ganzen Welt. Ich denke, davon träumen alle Musiker. Wir sind hier, weil wir es uns leisen können. Wir würden zum Beispiel auch gerne nach Singapur gehen, um dort aufzutreten, aber es ist uns nicht möglich, die Tickets für einen solchen Trip zu zahlen.

Was geht in euch vor, wenn ihr einmal vor 150.000 Menschen spielt und dann in Europa plötzlich vor etwa 200 Menschen?

Mauricio: Wir spielten hier durchaus auch vor weniger Leuten. Bei einem Konzert in der Schweiz waren 16 Personen anwesend.

Martin: So etwas ist aber gut, dann verlierst du nicht den Bezug zur Realität, es gibt immer zwei Seiten. Und das macht dich sensibler, es stärkt dein Einfühlungsvermögen.

Mauricio: Du nimmst die Reaktionen der Besucher wahr, du siehst in ihre Gesichter, während du einen Song spielst.

Ihr seid in Lateinamerika sehr populär, euer zweites Album "Este Fuerte Viento Que Sopla" wurde sogar mit Platin ausgezeichnet. Aber dennoch könnt ihr nicht so oft auftreten. Wieso?

Martin: Man muss das in den richtigen Relationen sehen: Wir haben dort weniger Geld zur Verfügung, wir sind also ärmer. Es kommen schon viele Bands von überall her, zum Beispiel aus Russland, zu uns und touren. Aber du kannst nur am Wochenende spielen. Selbst wir, die ziemlich bekannt sind, können nur am Wochenende Konzerte geben. Die Leute haben einfach nicht genug Geld, um auch an einem Montag, Dienstag oder Mittwoch in ein Konzert zu gehen. Das ist das Schöne hier, du kannst jeden Tag spielen.

Ihr habt euch Mitte der Neunziger Jahre gegründet. Was war der Auslöser für die musikalische Ausrichtung der Band? Ich habe gelesen, ABUELA COCA waren für euch sehr wichtig.

Martin: ABUELA COCA waren bei uns die Ersten, die traditionelle Rhythmen mit Ska und Reggae kombiniert haben. Vorgestellt haben sie das Ganze als typische Rock'n'Roll-Band: Bass, Gitarre, Schlagzeug und Sänger, dazu Keyboards und Perkussion. Ich denke, sie haben die Haltung, solche Art von Musik zu spielen, entwickelt. In unserer Musik ist es ein Mix verschiedenster Stile, mit Rock als Basis. Jeder von uns bringt etwas in die Band mit ein. Wir mischen Ska, Reggae, Rock und traditionelle Rhythmen aus Uruguay und Argentinien.

Vorhin beim Soundcheck habt immer wieder einen bestimmten Songteil geprobt und verschiedene Variationen durchgespielt. Ihr seid scheinbar Perfektionisten. Wann habt ihr mit Musik begonnen?

Martin: Angefangen Musik zu machen habe ich erst, als ich zur Band kam, und das ist neun Jahre her. Allerdings habe ich mich schon immer für Musik interessiert, habe viel Musik gehört und als Kind etwas klassische Gitarre gelernt. Das ist meine Geschichte. Ich habe mit dem Trompetespielen angefangen, als ich in der Band war. Dies ist der Platz, wo ich vieles gelernt habe, nicht alles, aber eine ganze Menge.

Habt ihr noch andere Jobs als die Band?

Martin: Wir haben schon Berufe, allerdings haben wir sie vor kurzem aufgegeben, denn es ist nicht länger mit der Musik vereinbar. Und wir sind auch viel unterwegs, das ganze Projekt beansprucht viel Zeit. Aber wir machen auch andere Sachen. Mauricio zum Beispiel arbeitet in einem Kommunikationsunternehmen und ich war Rettungsschwimmer. Ich habe in meinem Leben schon viele Jobs gemacht.

Noch was zu den Songs: Zarte Poesie wie bei "Cosa Linda" trifft da auf harte Realitäten wie bei "Nadie Duerme" ...

Martin: Wir schreiben nicht die Texte, das macht Emiliano, unser Sänger. Es wäre unfair, jetzt darüber zu spekulieren. Ich kann dir zwar eine Interpretation geben, aber das wäre dann meine eigene. Es betrifft die Regierenden und handelt teilweise von Vorfällen aus dem letzten Jahrhundert. Zwischen 1973 und 1984 war in Argentinien eine Militärregierung an der Macht, jetzt leben wir in einer Demokratie. Seit 1984 ist es möglich, darüber zu singen. Wir schreiben Songs und machen Musik, das ist unser Platz in diesem Kampf. Wir machen Songs über alles, was uns stört, von der Regierung bis hin zu unserer Rolle in der Gesellschaft.

Jedenfalls strahlt eure Musik auf mich eine unheimlich positive Energie aus. Seid ihr positiv eingestellt?

Mauricio: Ja, wir sind positive Menschen. Wir gehören zu den Menschen, die eher sagen, das Glas ist halbvoll und nicht halbleer.

Kay Wedel