SEWERRATS

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From the streets of Cologne

Gelegentlich, ganz selten, kommt es vor, dass mich eine Vorband zu begeistern vermag. Vielleicht liegt es an der Tatsache, dass viele Jahre Konzertbesuche mich gegen Vorbands abgestumpft haben, eventuell aber auch, was ich viel eher vermute, dass die meisten Vorbands schlecht sind. Den eigentlichen Zweck, wie es mal angedacht war, als Einheizer für die Hauptband zu agieren, erfüllen nur sehr wenige. Eines Besseren wurde ich vor einigen Monaten beim Vorprogramm der altgedienten Psychobilly-Opas KING KURT im Kölner MTC belehrt. Die SEWERRATS, als lokale Vorband vom örtlichen Veranstalter gebucht, haben mir den Abend gerettet und das, obwohl lokale Bands im Vorprogramm meist noch viel schlimmer sind als mitgereiste Vorgruppen. Nahe liegend also, dass es mir am Herzen liegt, die Band unserer kleinen Öffentlichkeit hier vorzustellen.


Gegründet wurden die SEWERRATS im Winter 2003 von Sänger und Gitarrist Chris als klassischer Vierer: zwei Gitarristen, beide singen, Bass und Schlagzeug. Letzthin hat man eine erste Split-Single, gemeinsam mit den PEACOCKS veröffentlicht, eine Live-Tour soll nach Veröffentlichung des ersten Longplayers im Mai oder Juni kommen. Termine, nach denen man die Augen offen halten sollte. Machen wir nun zunächst die Schublade 77 auf, um dem geneigten Leser eine erste Vorstellung zu liefern, was ihn bei einem solchen Gig oder dem Kauf des Tonträgers erwarten wird. Wenngleich die Schublade relativ groß bemessen scheint, passt nur ein Teil der Band rein: Bassist Puck, der seit letztem Sommer den E-Bass ersetzt hat, spielt nämlich Kontrabass, und die sind von Natur aus zu groß für Schubladen. Deswegen würden die SEWERRATS auch nicht in die andere Schublade Psychobilly passen, sondern nehmen sich einfach ihren Teil daraus und machen ansonsten Punkrock. Aber was sagen Chris und Puck selbst dazu?

Chris: Ich finde es ziemlich schrecklich, wenn Bands sagen, man könne sie nicht kategorisieren. Da wird immer behauptet, wir machen unseren eigenen Sound und Mix, und wenn man sich das dann anhört, ist es doch auch nur Punkrock. Meine eigenen Einflüsse fingen zunächst bei dem klassischen Westküsten-Melody-Core an, NOFX und LAG WAGON beispielsweise. Das waren dann auch die Sachen, die ich selber gespielt habe, wurde mir aber gitarrenmäßig schnell zu langweilig. Der größere Einfluss kam dann durch die alten RANCID, weil mich bei denen stärker gereizt hatte, dass die mehr mit Leadgitarre gearbeitet haben. Mittlerweile würde ich noch SOCIAL DISTORTION und dabei auch die Countrysachen von Mike Ness hinzuziehen und ganz klar auch aus der anderen Richtung, die STRAY CATS.

Puck: Bei mir dreht es sich schon um Psychobilly, also Bands wie FRANTIC FLINTSTONES, SHARKS oder BATMOBILE. Darüber hinaus aber allgemein Sachen, die mit Kontrabass gespielt werden, auch Blues und Rockabilly.

Gibt es noch weitere Einflüsse, z. B. aus Filmen oder Literatur?

Puck: Die Filme von Jim Jarmusch sind für mich auf alle Fälle ein wichtiger Einfluss, aber auch die Bücher von Charles Bukowski.

Chris: Bei Filmen fällt mir spontan "The Wanderers" ein, aber auch der Film "SLC Punk" mit Til Schweiger. Da geht es um eine Punk-Community in Salt Lake City, USA. Eigentlich ein ziemlich düsterer Film über ein paar Leute, die eine gemeinsame Zeit verbringen und wieder auseinander gehen. Einer stirbt, ein anderer macht als Jurist Karriere. Für die Tatsache, dass Til Schweiger da mitgespielt hat, ist der Film gar nicht schlecht. Der spielt aber auch keinen Punk, haha. Auf alle Fälle habe ich mir damals nach dem Film die Haare blau gefärbt und dadurch fast meine Zivi-Stelle verloren.

Puck, wie siehst du denn speziell die heutige Psychobilly-Szene? Früher war das strikter getrennt, oder? Da kamen kaum Punks zu Psycho-Konzerten und umgekehrt sah es ähnlich aus, so war mein Eindruck immer.

Puck: Das hat sich viel stärker durchmischt. Wir haben dadurch auch den Vorteil, dass wir als Punkband auf Psychobilly-Festivals spielen können, wie beispielsweise auf dem Wildcat Festival, zusammen mit Bands wie DEMENTED ARE GO, oder SUNNY DOMESTOZ.

Erstaunlich finde ich, dass es mittlerweile sehr viele Psychobands gibt, die auch Punk machen, wohingegen es bei Punkbands ausgesprochen selten vorkommt, dass diese Psycho-Einflüsse drin haben. Auch bei euch ist der Punk-Anteil viel dominanter.

Chris: Das kommt natürlich auch daher, dass wir als reine Punkband angefangen haben. Da nannten wir uns noch SUBWAY SEWERRATS. Puck ist ja erst seit sechs Monaten dabei, von daher kann das durchaus noch mehr werden. Ich finde es sowieso gut, wenn jeder seine Einflüsse mit einbringt.

Wobei die Stücke und Texte bislang alle von dir sind.

Chris: Das stimmt.

Puck: Trotzdem bringe ich schon einen Teil meines Einflusses mit ein, weil ich ja, wenn Chris mit einem Song ankommt, meine Bassläufe dazu selber konzipiere. Ich schreibe auch Texte, aber die verwende ich bei meiner anderen Band, den BOOZEHOUNDS. Das sind dann eben reine Psychobilly-Stücke, die, finde ich, thematisch nicht zu den SEWERRATS passen, sowohl vom Humor her als auch von den Texten.

Chris, erzähl mir doch in dem Zusammenhang was über deine Texte.

Chris: Da verarbeite ich persönliche Erlebnisse. Bei "My last friend" geht es zum Beispiel darum, dass ich aus einer Kleinstadt nach Köln gezogen bin und mich hier erst mal verloren fühlte. Es ist einerseits geil, weil man viele Möglichkeiten hat, aber man kommt sich eben auch fremd vor.

Was meinst du mit Möglichkeiten? Als kleine Band hat man es doch hier eher schwer, Auftrittsmöglichkeiten zu finden. Entweder geht das nur in Kneipen, oder, da es so gut wie keine Clubs in mittlerer Größe gibt, bleibt einem nur die Möglichkeit, im Vorprogramm zu spielen.

Chris: Ich meine auch eher die generellen Möglichkeiten, die man als Individuum hat. Viel Kultur und Abwechslung. Was die Bandsituation angeht, gebe ich dir recht. Da lautet das Stichwort "Pay-to-play".

Puck: Die Clubkultur in Köln ist wirklich beschissen. Natürlich gibt es Ausnahmen, wie das Sonic Ballroom, aber bei vielen Clubs musst du tatsächlich zahlen, um spielen zu dürfen.

Was habt ihr denn für Ansprüche beziehungsweise Pläne in Bezug auf die Band?

Chris: Soweit damit zu kommen, wie irgend möglich. Ich studiere zwar, aber Musik ist bei mir auf alle Fälle das Ding, wo mir am meisten dran liegt. Da stecke ich sehr viel meiner Energie rein. Das heißt also, auch wenn es die Band nicht mehr geben würde, dass ich auf alle Fälle weiter Musik mache.

Puck, du hast ja neben deiner anderen Band auch noch ein eigenes Label, auf dem eure Single erschienen ist. Was geht da ab?

Puck: Ich möchte damit möglichst viel Vinyl herausbringen, weil ich schon großer Vinyl-Fan bin. Als nächstes mache ich die Platte von THE DAMAGERS, das ist die neue Zweitband von Paul Dumbell. Eventuell bringe ich auch die nächste DUMBELL-Platte raus. Außerdem die dritte BOOZEHOUNDS und einen FRANTIC FLINTSTONES-Sampler.