TIGERBOMBS

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Crazy kids never learn?

Finnland, und wie sich die Assoziationen immer wieder gleichen. Wodka, lange Winter, kurze Tage. Musikalisch sind es HIM und THE RASMUS. Rock eben. Gerne schwarz gekleidet, gerne düster, gerne hart, immer blass. Was den Teint angeht, stechen auch die TIGERBOMBS nicht unbedingt aus dem Gros ihrer Landleute heraus, musikalisch allerdings setzt das Duo, zumindest im Heimatland, neue Maßstäbe. Garagenpunk, 60s angehaucht, mit dem Flair des Punk und des Pop, und einer alten Farfisaorgel, die so wunderbare Melodien quengelt, dass man sie kaum dort vermutet, wo die kalte Jahreszeit scheinbar nie ein Ende nehmen will. Und doch, Pepe Trouble und Kido Retro leben in Finnland, haben es schon immer getan, und werden es vermutlich auch immer tun. Aber nachdem das erste Album der Finnen nicht mehr war als ein Geheimtip, erscheint dieser Tage mit "Crazy Kids Never Learn" das Zweitwerk, und es sollte mit dem Teufel zugehen, wenn die beiden und ihre drei ständigen Live-Musiker Sepe Ace, Bubba Dukes und Alain Maynenkey jetzt nicht auch Einiges über die Grenzen Finnlands hinaus zu sehen bekommen werden. Zumindest jede Menge Clubs ...


Was macht das Leben in Finnland?


Pepe: Im Augenblick geht's. Im Vergleich zum eiskalten Winter, den wir noch vor einer Woche hatten, ist es gerade hervorragend. Der Frühling kommt ...

Kido: Es ist trotzdem langweilig. Ich kann es kaum erwarten, auf Tour zu gehen. Es ist schon wieder einige Wochen her, dass wir das letzte Mal live gespielt haben. Pepe hat Recht, der Winter war verdammt lang in diesem Jahr. Außerdem habe ich nur dämliche Winterklamotten, in denen ich reichlich bescheuert aussehe.

Diese langen Winter, mit einer der Gründe, dass soviel düstere, ernste Musik aus Finnland kommt? Zumindest ist es die Art von Musik, die man hier hauptsächlich kennt beziehungsweise die Popularität erlangt.

Pepe: Das ist definitiv ein Grund.

Kido: Es ist nicht einfach, so etwas wie Frühlingsgefühle zu entwickeln, wenn es über einen solch langen Zeitraum kalt und düster ist. Und das ist genau der Punkt, an dem wir ins Spiel gebracht werden. Haha ... Aber es ist tatsächlich so. Es gibt sehr viel, ja, nennen wir es düstere Musik, hier in Finnland.

Pepe: Oder Hardrock, nicht einmal Metal, dieses AOR-Ding.

AOR?

Kido: Adulted Oriented Rock. So was wie BON JOVI. Belanglose Rockmusik, die keinem weh tut, gespielt von Brille tragenden Ingenieuren. Und 3 DOORS DOWN-Rock scheint gerade im Kommen zu sein.

Pepe: Grauenhaft.

Kido: Es gibt einige wirklich gute Indie- und Elektro-Bands, aber aus irgendeinem Grund bleiben sie im Untergrund.

Pepe: Ich weiß nicht, ich glaube, es hat damit zu tun, dass Finnland einfach ein zu kleines Land ist. Und es hängt sicher auch mit der Mentalität der Menschen zusammen. Finnen sind sehr darauf bedacht, was andere über sie denken könnten. Und dieses Schwarze, Düstere, Traurige passt sehr gut dazu. Mit diesem Image kannst du ruhig in der Ecke stehen und fällst nicht großartig auf, und vor allem, du kannst kaum etwas falsch machen. Tanzen zum Beispiel, eine fantastische Sache. Bis Finnen erst einmal tanzen, müssen sie schon einiges getrunken haben. Sie könnten ja etwas falsch machen, sich blamieren. Die dunkle Seite der Musik gibt den Finnen den passenden Hintergrund. Wenn du alleine in der Öffentlichkeit weinst, denken die Leute, du bist traurig. Wenn du in der Öffentlichkeit lachst, denken sie, du bist verrückt.

Kido: Außerdem gibt es in Finnland nur beschissene Radiostationen.

Pepe: Es gibt hier eine Radiostation, die sozusagen das Monopol besitzt. Diese Station entscheidet, was gut und was schlecht ist. Wenn sie dich mögen - klasse. Wenn nicht, hast du ein Problem. Keine Shows, keine Verkäufe, nichts. Das Untergrund-Ding läuft bei uns nicht. Es gibt da einfach kein gutes Netz, so wie bei euch beispielsweise.

Kido: Das war vor einigen Jahren weitaus besser.

Pepe: Ja, ich glaube, es hat sich hier in Finnland einiges seit der Jahrtausendwende verändert.

Kido: Noch vor sechs oder sieben Jahren gab es hier zum Beispiel einen landesweiten Sender, der alle Arten von Underground-Musik gespielt hat. Der war klasse. Heutzutage kannst du kaum noch eine halbe Stunde Radio hören, ohne richtig angepisst zu sein, weil dort einfach nur noch Scheiße läuft. Das finnische Radio fokussiert sich immer mehr auf Teenager, auf Hip-Hop und all den ganzen Mist für Kinder. Mir wäre es eigentlich vollkommen egal, wenn sich das Ganze hier nicht so immens auf die Gig-Situation auswirken würde. Und wenn du wenig Shows spielst, verkaufst du wenig Platten. Es ist ein Rattenschwanz. Es ist beschissen. Ob du es glaubst oder nicht - die meisten Clubs fragen, ob du in den Playlists von diesem Radiosender auftauchst, und wenn nicht, bye bye ...

Das erinnert mich schon sehr an das, was in den zurückliegenden Jahren in deutschen Musik-TV-Sendern passiert ist. Alle Shows, die Untergrund-, oder sagen wir besser, "alternative" Musik unterstützt haben, sind nacheinander eingestellt worden. Stattdessen wurde das Programm mehr und mehr auf die vermeintlich stärkste Käufergruppe konzentriert. Und das nicht nur mit Clips von nationalen und internationalen R&B- und Hip-Hop-Acts, sondern vor allem mit unerträglichen Klingelton-Werbespots ...

Kido: Ja ... genau. Jamba! Unerträglich!

Pepe: Din Din Din Din ...

War das der Frosch?

Pepe: Ja, der beschissene Frosch!

Kido: Weißt du, Finnland hat letztes Jahr sein eigenes MTV bekommen. Vorher gab es das so genannte Nordic-MTV, für Finnland, Schweden und Norwegen. Seitdem ist es nur noch schlimmer geworden.

Verstehe ich euch richtig, es gibt also keine Underground-Radiostationen oder -Magazine, keine Chance für Bands, abseits des Mainstreams mehr Publicity zu bekommen? Ich meine, ihr seid mittlerweile auch bei einer der größten Booking-Agenturen Finnlands unterkommen.

Kido: Vielleicht liegt es daran, dass dieses Land einfach zu klein ist. Natürlich gibt es Underground-Bands und es gibt einige Aktivitäten, Fanzines und so weiter. Du kannst natürlich hier und da in einigen Clubs spielen, aber sie können dir kaum etwas zahlen. Das kann sich keine Band auf Dauer leisten. Wir haben das jahrelang mitgemacht. Aber du kannst nicht immer nur drauf zahlen. Irgendwann funktioniert das nicht mehr. Du musst den Bus bezahlen, den Sprit, den Mischer ...

Wir reden hier vom Underground. Ein Mischer ...?

Kido: Oh ja. Glaub mir, wir wissen wovon wir reden. Wir haben unsere Erfahrungen gemacht. Die meisten Mischer in finnischen Clubs sind entweder taub oder dämlich ... oder beides.

Pepe: Führen sich aber gleichzeitig auf wie die größten Stars, sind unhöflich und super schwierig.

Kido: Und wenn du auf der Bühne irgendeines Laden stehst, gerade deine eigene komplette Backline aufgebaut hast und nur nach einer Monitorbox für den Drummer fragst, schauen sie dich an, als hättest du mit ihrer Frau geschlafen.

Pepe: Und bei dem ganzen Thema darf man nicht vergessen, dass wir in Finnland vielleicht gerade mal zehn wirklich gute Clubs haben, wenn du nicht gerade in einer Pizzeria oder ähnlichem spielen willst.

Kido: Oh, ich glaube, wir sind gerade dabei, nichts anderes zu tun, als uns die ganze Zeit zu beklagen.

Stimmt. Gibt es auch Positives zu berichten?

Kido: Die Sommer-Festivals. 99 Prozent schlechte Heavy Metal-Festivals. Haha. Nein, lass mich nachdenken. Vielleicht die Tatsache, dass, wenn du Lebensmittel kaufst, du immer davon ausgehen kannst, dass sie frisch sind. Sollte das mal nicht der Fall sein, bekommst du dein Geld zurück. Leider sind die Sachen hier um einiges teurer als in Deutschland. Grafenwalder Bier aus dem Lidl zum Beispiel. Bei uns ein Euro, bei euch vielleicht 28 Cents.

Lass uns über die Band reden. Ihr beide kennt euch tatsächlich seit eurer Kindheit?

Kido: Ja, wir haben schon mit 14 gemeinsam in einer Heavy-Band gespielt. Ich glaube, wir hießen damals TREMOR oder so ähnlich. Dann haben sich unsere Wege für einige Zeit getrennt, weil ich in einer Blues-Band getrommelt habe, die verhältnismäßig oft live gespielt hat. Wir hatten uns sogar fast aus den Augen verloren, bis mich Pepe eines Tages fragte, ob ich mit ihm einige von seinen Songs in seinem selbst gebauten Studio einspielen würde. Wir haben Wochen und Monate im Studio rumgelungert, bis sich der Sound nach und nach zu dem entwickelt hat, wofür die TIGERBOMBS heute stehen. Wir hatten einige komische Aufnahmeexperimente. Ich kann mich erinnern, dass wir mal nachts um 2.00 raus sind auf die Straße, um kleine Steine zu sammeln, die wir in einen leeren Joghurtbecher getan haben, weil wir keine vernünftige Rassel hatten. Oder wir haben alte Telefonmikrofone an die Trommeln geklebt, was einen ähnlichen Effekt hatte wie elektronische Drums. Hörte sich gar nicht schlecht an.

Aber die Geschichte, dass schon eure Väter gemeinsam in einer Band gespielt haben stimmt nicht?

Kido: Doch. Sie haben sogar in derselben Garage geprobt, die Pepe dann in die Bughouse-Studios umgebaut hat. Wir haben sogar einmal zusammen hier in Toijala gespielt. Unsere Väter, Pepe, mein Bruder und ich. Das war schon irgendwie eigenartig. Aber gut ...

Und jetzt ist gerade eben mit "Crazy Kids Never Learn" euer zweites Album erschienen. Worin liegt der Unterschied zum Vorgänger?

Kido: Das ist einfach: Es ist besser!

Pepe: Wie es so oft mit einem ersten Album ist. Die Songs waren teilweise vom ersten Demo, teilweise haben wir sie erst kurz vor der eigentlichen Aufnahme geschrieben. Es lag eine große Zeitspanne dazwischen. Für das zweite Album haben wir dann nur neue Songs genommen. Wir hatten mehr Ideen, konnten besser spielen, mehr Variation hinein bringen. Aber es ist natürlich unverkennbar TIGERBOMBS-Style, immer noch der tuntige Garagenpunk, immer noch die Orgel.

Kido: Dadurch, dass Bughouse unser eigenes Studio ist, hatten wir genügend Zeit und konnten die Sache relaxt angehen. Wir haben in den Wochen unglaublich viel Bier getrunken und sind zwischendurch immer wieder in die Sauna gegangen. Das hat geholfen ...

Also, alleine die Vorstellung, dass ihr beide immer gemeinsam in die Sauna geht ...

[b]Kido: Ich kann mir vorstellen, dass es bei anderen komisch ankommt. Für uns Finnen ist das vollkommen normal. Das hat nichts mit Sex zu tun. Auch wenn du mit einer Frau in die Sauna gehst, kommt nicht eine Sekunde sexuelle Spannung auf. Du gehst halt in die Sauna. An jedem anderen Ort der Welt wäre es uns unglaublich peinlich, nackt zu sein, in der Sauna ist es vollkommen normal. Etwas, das ich auf Tour sicher vermissen werde. Na ja, ich bin halt Finne ...