RISE AGAINST

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Punk up your politics

RISE AGAINST sind eine Band, die beweist, dass sie trotz des Vertragsschlusses mit einem Majorlabel weder ihre politische Bissigkeit, noch den Willen, etwas zu verändern, verloren hat. Wie auch ihre ersten beiden, auf Fat Wreck veröffentlichten Alben, sprechen ihr erstes für Universal, "Siren Song Of The Counter Culture", wie das jüngste Album, "The Sufferer And The Witness", ebenfalls Universal, eine klare politische Sprache. Sieht man von einem unschönen FBI-Logo ab, das "Siren Song Of The Counter Culture" zierte und mit dazu gehörender Warnung vor dem Schwarzkopieren warnte, hat diese Band auf beeindruckende Weise ihre Integrität bewahrt: Nachdem "Siren Song ?" explizit politische Inhalte transportierte, machte die Band während ihrer dazugehörigen Deutschlandtour auf die "Control arms"-Kampagne von Amnesty International aufmerksam, indem man bei jedem Konzert Unterschriften dafür sammelte. Und auf dem Ende Juli 2006 erschienen "The Sufferer And The Witness"-Album beziehen RISE AGAINST fast noch klarer politisch Stellung, als auf ihren vorangegangenen Alben.



In den dreizehn melodischen Hardcore-Songs, wie dem Opener "Chamber the cartridge" oder "Drones", thematisieren RISE AGAINST die Einflüsse, die das Verhalten der Menschen in der westlichen Welt hat auf Menschen, die in Drittwelt- und asiatischen Ländern leben. Die keineswegs platt wirkenden Texte haben RISE AGAINST gemeinsam mit ihren Produzenten Bill Stevenson und Jason Livermore in einen starken Sound gebettet. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass er - im Gegensatz zur massiven Produktion von "Siren Song ?" - markant trocken, sprich eher schlank, aber durchaus druckvoll gehalten ist. "The Sufferer And The Witness" wirkt wie eine Fusion aus Punkrock und Hardcore, die eigen klingt, aber Einflüsse von BAD RELIGION, BLACK FLAG und DESCENDENTS aufweist. Während RISE AGAINST auf der amerikanischen Vans Warped Tour unterwegs waren, sprach ich Sänger Tim McIlrath.



Wie kam es, dass Bill Stevenson und Jason Livermore, die bereits euer zweites Album "Revolutions Per Minute" produzierten, auch "The Sufferer And The Witness" produzierten?

Bevor ich dir meine genaue Antwort auf deine Frage gebe, möchte ich kurz Folgendes vorwegnehmen: Wir als Band haben gemerkt, dass die Anzahl der Menschen zurückgeht, die in der Musikbranche arbeiten und sich dem Wertesystem und der Ethik des Punkrock verbunden fühlen. Es gibt stets weniger Musikverantwortliche, die Punkrock verstehen und schätzen. Deswegen sinkt auch die Zahl derer, die RISE AGAINST und den Hintergrund der Band verstehen. Die Tatsache, dass Bill und Jason jedoch zu den Menschen gehören, die zu einhundert Prozent verstehen, was RISE AGAINST ist und wofür die Band steht, war ein Grund, sie als Produzenten auszuwählen. Genauso sind sie aber ein schlicht fantastisches Produzentenduo, mit denen man toll zusammenarbeiten kann. Sie haben ein Ohr dafür, wie ein gutes Punkrock-Album klingt. Gleichzeitig respektieren sie deine Meinung als Musiker und zwingen dir nicht ihre Visionen der Songs auf, die sich ohnehin nicht maßgeblich von unseren unterscheiden.



Du erwähntest das Wertesystem sowie die Ethik des Punkrock. Inwiefern könnt ihr diese als Majorband leben?

Um dies zu beantworten, muss man Unterschiede suchen zwischen den Freiräumen, die dir ein Independentlabel gibt, und denen, die dir ein Majorlabel bietet. Und im Bezug auf RISE AGAINST muss ich sagen: Es gib keine. Nach wie vor suchen wir unsere Support-Bands aus sowie den Agenten, der unsere Tourneen bucht. Ebenso haben wir sowohl unsere ersten beiden Alben "The Unraveling" und "Revolutions Per Minute" für Fat Wreck, als auch "Siren Song Of The Counter Culture" und "The Sufferer And The Witness", unsere beiden Universal-Alben, ohne jeglichen äußeren Einfluss geschrieben, ohne Kompromisse einzugehen oder Wert auf die Wünsche der Plattenfirmen zu legen. Universal lässt uns hierbei auch freie Hand, und hin und wieder verweigern wir uns zwar gewissen Dingen, beispielsweise Anfragen zu Auftritten in gewissen TV-Shows, in der Regel läuft die Kooperation aber sehr erfreulich ab.



Liegt "The Sufferer And The Witness" eine zentrale Thematik zugrunde?

Dem Album liegt eine, wenn du so willst, Meta-Thematik zugrunde, die sich in jedem Song auf die eine oder andere Weise äußert. Es geht darum, dass alles, was man tut, an einem anderen Punkt der Erde eine Reaktion auslöst. Unsere Essgewohnheiten, unser Einkaufsverhalten sowie unser politisches Verhalten führen an einem anderen Punkt der Erde Konsequenzen herbei, die für die davon Betroffenen meist negativ sind. Nimm die Sweatshop-Problematik als Beispiel: Dass Menschen in Amerika und Europa Bekleidung kaufen, die unter Sweatshop-Bedingungen gefertigt wurde, führt doch gerade dazu, dass die Menschen leiden, die unter diesen erschreckenden Bedingungen arbeiten müssen. Dieses Aktion-Reaktion-Schema ist die zentrale Thematik, die in jedem Song des Albums zum Vorschein kommt. Gleichzeitig besteht für jeden von uns die Möglichkeit, sich darüber zu informieren. Genauso können wir uns über die schrecklichen Ereignisse in Darfur informieren oder das Geschehen in Schlachthäusern. Allein die Möglichkeit, dass dem Menschen die Möglichkeit der Information über diese Dinge offen steht, macht ihn zum Zeugen der Leidenden.



Und was ist die Konsequenz?

Die Konsequenz daraus ist in die Hände jedes einzelnen gelegt. Sobald man als Individuum im westlichen Kulturkreis erkannt hat, dass man Zeuge von Dingen ist, die man durch das eigene Verhalten positiv beeinflussen kann, ist es Zeit zu handeln und ein Bewusstsein für diese Dinge zu entwickeln.



Du sprachst die Sweatshop-Problematik an, doch wie entzieht ihr euch dieser als Merchandise verkaufende Band?

Es ist sehr leicht, T-Shirts bedrucken zu lassen, die nicht in Sweatshops gefertigt wurden. Das Problem ist, dass viele denken, es sei so schwer - was völlig falsch ist. American Apparel ist beispielsweise eine Firma, die ihre Angestellten unter fairen Bedingungen beschäftigt. Gleichzeitig arbeiten wir mit der Fair Labour Organization zusammen, die die Arbeitsbedingungen in Fabriken in Honduras und Mexiko überwacht. Wir werden oft angegriffen, weil unsere T-Shirts in diesen Ländern gefertigt wurden und daraus der Verdacht erwächst, sie kämen aus Sweatshop-Fabriken. Ich versichere dir aber, dem ist nicht so. Außerdem verwenden wir keinerlei tierische Produkte für unseren Merchandise.



Weißt du, ob Vans Sweatshop-Arbeit für ihre Produkte billigt?

Vor der Warped Tour war dies ein Anliegen von uns. Deswegen baten wir Vans um Auskunft darüber, ob sie Sweatshop-Arbeit nutzen. Sie verneinten. Daher denke ich, dass sie es auch nicht tun.



Noch eine Frage zur Warped Tour: Es gibt eine interessante Geschichte, die von dir und von Rekrutierungsständen der Armee auf der Warped Tour handelt. Leg los ...

Gerne, aber lass mich ganz kurz vorweg nehmen, dass dieses Jahr keine Rekrutierungsstände der Armee die Warped Tour begleiten. Auf der Warped Tour 2004 traten wir auf und wir bemerkten, dass die Armee bei den Konzerten einen Rekrutierungsstand aufgebaut hatte. Ich nahm dies zum Anlass, bei unseren Auftritten zu sagen, dass die Armee nichts auf einer Punkrock-Show zu suchen hat und forderte die Kids auf, zu dem Stand zu gehen und den dortigen G.I.s zu sagen, dass sie abhauen und keine weiteren Menschen rekrutieren sollten. Oftmals war der Stand der Armee gegenüber von der Bühne, auf der wir spielten, so dass durch die Ansagen ein Spannungsfeld besonderer Qualität entstand, weil die G.I.s mich sehen konnten und ich sie. Im Zuge der Tour verschwanden die Rekrutierungsstände auf einmal und auf den folgenden Shows tauchten keine Soldaten mehr auf. Später bekam die Firma, welche die Warped Tour veranstaltet, einen Brief, in dem stand, dass die Armee sich aufgrund der Bühnenansagen von RISE AGAINST nicht mehr in der Lage sah, auf der Warped Tour sinnvoll ihre Arbeit zu machen. Ich habe diesen Brief bis heute nicht gesehen, brenne aber darauf, ihn zu lesen.