ALEXISONFIRE

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Alright! This is from their hearts!

Das berüchtigte dritte Album und die Bewährungsprobe: Sind ALEXISONFIRE nur ein Funken im immer weiter lodernden Feuer der Screamo-Szene, oder sind sie schon einer der Holzscheite, die das Feuer immer heißer brennen lassen? Mit "Crisis" beweist die Band aus Ontario, Kanada, dass sie viel mehr kann als der Rest der Bands, die mit Gesang und Geschrei im Wechselspiel ihrer Musik zu einem Charakter verhelfen. Eigentlich beweisen sie, dass sie Vergleiche gar nicht mehr nötig haben, denn das Album ist viel typischer ALEXISONFIRE als irgendwas etwas anderes. Die elf neuen Songs sind wieder um einiges roher als auf ihrem "Durchbruch"-Album "Watch Out!", aber dennoch keinesfalls schlechter oder unwichtiger. Am Telefon beantwortete mir Gitarrist Wade zum Beispiel Fragen zu den Lyrics, die scheinbar nicht mehr so vor Unbekümmertheit strotzen, wie noch auf den ersten beiden Alben. Sind ALEXISONFIRE nun ernsthafter und erwachsen geworden?


In einer der ersten Reviews, die ich über euch las, verglich euch der Autor mit IRON MAIDEN. Was hältst du davon?

Ich denke, dass wir viele melodische Elemente in unserer Musik haben und sich der Vergleich darauf bezog. Wir sind aber definitiv keine Metalband, weil wir zum Beispiel nicht diese epischen Momente in unsere Songs einbauen. Dennoch haben wir viele melodische Parts, die sich ein bisschen nach IRON MAIDEN anhören könnten.

Warum betitelt ihr, die ihr für euren hohen Spaß-Faktor und Songs wie "Hey, it's your funeral mama!" bekannt seid, euer drittes Album ausgerechnet "Crisis"?

Wir haben diesmal nicht diese abgespackten Songs geschrieben, dennoch hampeln wir, wenn wir live spielen, wie totale Idioten auf der Bühne herum. Die Tatsache, dass wir so abgehen, soll aber nicht einschließen, dass wir nur Songs schreiben, die witzig sind. Wir wollen nicht in jedem Punkt das Klischee von Hampelmännern bedienen, sondern auch zeigen, dass wir etwas zu sagen haben. Dazu kommt, dass wir diesmal auch Songs schreiben wollten, die uns selbst etwas bedeuten. Da wir als Band zusammengewachsen sind, wussten wir, was wir wollten, und in welche Richtung es gehen sollte. Eine Idee war es, etwas anderes zu machen als auf "Watch Out!". Wir wollten uns als Band weiterentwickeln und da ging es dann in erster Linie auch textlich in eine ernsthaftere Richtung.

Lass uns über die Lyrics auf "Crisis" sprechen. In einem vorhergehenden Interview sagtet ihr, dass das Leben euch und eure Texte beeinflusst. Was ist also passiert, dass euch dazu veranlasst hat, Texte wie bei "This could be anywhere in the world" und "Keep it on wax" zu schreiben?

Bei "This could be anywhere in the world", welches hauptsächlich von unserem Gitarristen Dallas geschrieben wurde, geht es um die Welt, aus der wir kommen. Es handelt davon, wie unsere Stadt immer beschissener wird, sie scheint einfach zu verrotten. Sie hat einen sehr großen Einfluss auf uns und unsere Entwicklung gehabt. Wenn wir sie verlassen, um auf Tour zu gehen, und nach vier Monaten oder so zurückkommen und sehen, dass alles weiter verfallen ist, ist das sehr traurig für uns. "Keep it on wax" ist ein Song über unseren alten Drummer und die ganze Scheiße, die wir als Band durchgemacht haben. Wir sind mit ihm aufgewachsen und er hat sich einfach in eine ganz andere Person "verwandelt" und entwickelte ganz plötzlich ganz andere Ideen, was er mit seinem Leben anfangen sollte. Die Geschichte mit ihm endete recht übel. Der Titel ist an alte Hip-Hop-Tracks angelehnt, und daran, dass MCs keinen Unsinn über ihre alten Kollegen erzählen, sie lassen ihre Platten sprechen.

Wer schreibt den bei euch die Lyrics? Bei euch singen ja drei Leute. Ist das dann so was wie Gruppenarbeit oder habt ihr einen Haupt-Songwriter?

Es ist eigentlich Gruppenarbeit, aber der Großteil wird doch von George, unserem Shouter, geschrieben. Wenn wir jedoch Ideen haben, setzen wir uns alle zusammen und jeder bringt dann das ein, was er sich im Vorfeld überlegt hat. Es kommt auch vor, dass zum Beispiel Dallas oder ich einen Text allein schreiben. Das ist jedoch eher seltener der Fall. Manchmal sammeln wir auch all unsere Ideen und jeder überlegt sich dann, welchen Teil er dazu beisteuert. Wenn wir die Sachen dann einspielen, wird der Gesangsanteil von uns Gitarristen auch immer kleiner. Wir wollten, dass sich die Lyrics auf "Crisis" wie aus einem Guss anhören und da ist es dann schon besser, wenn weniger Leute beim Schreiben der Texte beteiligt sind.

Auf jeden Fall hört sich "Crisis" um einiges roher und punkiger als "Watch Out!" an. Wie kommt es ausgerechnet zu dieser Entwicklung? Bands sind ja eigentlich dafür bekannt, von Album zu Album immer bombastischer im Sound zu werden.

Ja, definitiv. Diesmal sind wir auch ganz anders an die Aufnahmen herangegangen: Wir haben diesmal versucht, so wenig wie möglich am Sound herumzuarbeiten und alles in einem Take aufzunehmen. Deshalb haben wir auch meistens nur maximal zwei Gitarrenspuren aufgenommen. Es sollte sich alles so anhören, wie es sich auch live anhört, und nicht so überproduziert.

Warum lasst ihr euer drittes Album ausgerechnet mir den Worten "Alright! This is from our hearts ..." anfangen. Ist das eine Message, die Leute erreichen soll, die euch Ausverkauf vorwerfen?

Als wir "Drunks, lovers, sinners and saints" - so heißt der Song - aufgenommen haben, stand für uns fest, dass das der Song ist, der unser Album eröffnen sollte. Wir haben ihn nicht mit dem Gedanken geschrieben, dass wir einen solchen Song als Opener haben müssen. Der hauptsächliche Antrieb, diesen Song zu schreiben, war es wirklich, den Leuten klar zu machen, dass wir unsere Sache mit vollem Herzen machen und auch dahinter stehen. Alleine die Zeile "I don't spin my live and jump from sinking ship to sinking ship. I rather drown" soll verdeutlichen, dass wir uns auch nicht verbiegen, nur um den Hörern etwas zu geben, was sie von uns hören wollen, nur um sie nicht zu enttäuschen - so wie andere Bands das machen. Wir wollten etwas machen, mit dem wir selbst zufrieden sind.

Erzähl mir mehr über den Song "You burn first", ein wirklich sehr untypischer ALEXISONFIRE-Song, warum ist er ausgerechnet in der Mitte des Albums?

Wir haben uns diesmal überlegt, dass wir Gastsänger auf unserem Album haben wollten. Und da wir in der letzten Zeit mit PLANES MISTAKEN FOR STARS gespielt haben und finden, dass Gared O'Donnell eine phänomenale Stimme hat, vielleicht sogar eine der besten der Rockmusik, haben wir ihn gefragt, ob er über den Track singen will. PLANES MISTAKEN FOR STARS waren gerade selber dabei, eine neue CD aufzunehmen, aber als sie ein paar Tage Pause gemacht haben, kam Gared rüber und sang den Song ein. Als wir den Song geschrieben hatten, ist uns das gar nicht so klar gewesen, aber als er seine Stimme einsang, schien es offensichtlich: Wir haben "You burn first" irgendwie für ihn geschrieben. Alles scheint zu passen ... Ich kann mir die Reaktionen auf den Song bei den Leuten aber auch nicht vorstellen. Die jüngeren Kids, die PLANES MISTAKEN FOR STARS nicht kennen, werden vielleicht nicht wissen, was sie mit dem Song anfangen sollen, da er ja definitiv ganz anders ist als das, was sie von uns gewohnt sind. Und weil es ein so untypischer Song ist, haben wir ihn in die Mitte des Albums gesetzt. Vielleicht soll er die Leute aufwecken.

Wie kam es dazu, dass ihr in Amerika jetzt auf Vagrant Records gelandet seid?

Das ist eigentlich ganz unspektakulär und einfach: Wir mussten einfach eine neue Plattenfirma finden, die unsere CD in Amerika vertreibt - in Deutschland ist das ja Defiance Records. Da unsere guten Freunde von MONEEN ebenso wie einige unserer "Helden" von Vagrant vertrieben werden, hatten wir schon immer großes Interesse an dem Label. Der Kontakt ergab sich durch MONEEN und so kam es dann, dass wir irgendwann die Büros von Vagrant besuchten, ein bisschen redeten und am Ende den Vertrag unterschrieben. Wir dachten uns, dass wir beide ganz gut zusammen passen würden.

Ihr seid auf der Warped-Tour in Amerika unterwegs gewesen. Beschreib doch mal das Gefühl, auf so einer großen Tour dabei zu sein!

Es ist unfassbar und gigantisch, denn es ist eine sehr gute Show jeden Abend. Total bizarr ist, dass wir jeden Tag in einem Stadionen oder so pielen. Die Venues mit den ganzen Zelten, Bühnen und Ständen entstehen quasi aus dem Nichts. Jede Band spielt nur für eine halbe Stunde, also hast du auch als Musiker mal Zeit, ein bisschen herumzuschlendern und alle möglichen Leute zu treffen. Was auch total abgefahren ist, ist, dass du unheimlich viele Interessengruppen wieder findest: Das sind zum einen die ganzen Vegetarier, Veganer oder gar Anti-Raucher und auf der anderen Seite die Idioten von der Army, die immer noch ihre Rekrutierungsstände aufbauen.

Seid ihr eigentlich schon Millionäre oder müsst ihr immer noch irgendwo Teller waschen? Immerhin haben sich eure Alben schon rund eine Million Mal verkauft.

Haha, wir sind definitiv keine Millionäre, aber einen anderen Job haben wir auch nicht. Wir gehen viel auf Tour, da wir durch unsere CD-Verkäufe nicht genug verdienen würden, um zu überleben. Diese ganze Geschichte mit Gewinnbeteiligung ist so glaubhaft wie die Geschichte vom Weihnachtsmann oder der Zahnfee. Die Art, wie die Plattenindustrie arbeitet, ist ungerecht und unherzlich, weil die Leute, die den Großteil der Arbeit machen, am wenigsten an ihrem eigenen Werk verdienen und die Leute, die die Alben lizenzieren, bekommen den Großteil des Geldes.

Aber ihr könnt das doch auch selber in die Hand nehmen, oder nicht?

Wir haben auch vor, nach dem Ablauf unseres Vertrages eine eigene Sache aufzuziehen, bei der wir unsere eigenen Platten auf die Art herausbringen können, wie wir wollen, ohne anderen da irgendwie verantwortlich zu sein.

Was bedeuten euch die vielen Preise, unter anderem den Much Music Award in Kanada, die ihr gewonnen habt?

Nun ja, sie bedeuten uns nicht wirklich viel. Ist natürlich toll, von den Leuten Aufmerksamkeit zu bekommen, nur kommt diese Aufmerksamkeiten meist aus den Teilen der Plattenindustrie, die wir nicht wirklich gut finden. Beim Much Music Award gab es nicht mal eine Trophäe, die ich mir auf den Kamin stellen kann. Es hat uns also nicht besonders viel gebracht und so bedeutet es uns auch nichts. Die Leute, die sich mit unserer Musik beschäftigen, weil sie es von Herzen wollen und weil sie ihnen gefällt, das sind diejenigen, die uns was bedeuten.