Michael Monroe

Um es gleich klarzustellen: Michael Monroe ist nicht der mit den Zombie-Kontaktlinsen, der aus der Dope-Show, und schon gar nicht habt ihr es hier mit einem Antichrist Superstar zu tun, sondern mit dem Ex-Frontmann der finnischen Rocklegende HANOI ROCKS.

Deren Bekanntheitsgrad ist in Deutschland eigentlich erbärmlich, was zur aktiven Zeit der Band nicht viel anders aussah. HANOI ROCKS zogen ihre Kreise meist von London oder Helsinki aus und ihr Jagdrevier waren die damals noch nicht vor Hardrockbands aus allen Nieten platzenden skandinavischen Länder, Japan und die USA. Von der einzigen Deutschlandtour der Rocks in den Achtzigern hat mir Michael Monroe am Rande des Iggy Pop-Tourauftaktes berichtet, und diesem freundlichen, wenn auch hyperventilierenden Herr kochte trotz 15jähriger Amnesie das Blut, als er diese mit desaströs äusserst untertrieben umrissene Höllenfahrt noch einmal Revue passieren ließ. Nach der Trennung der Rocks zog Michael nach New York, wo er mit Stiv Bators an verschiedenen, teilweise unveröffentlichten Tracks arbeitete und sein erstes Soloalbum "Nights Are So Long" aufnahm, das Bators eigentlich produzieren sollte und dessen Titelsong die DEAD BOYS auf ihrer Reunion-EP coverten. Monroe machte weiter und spielte ständig mit anderen Musikern zusammen, die teilweise alte Helden des Sängers waren (AEROSMITH´s Steven Tyler, Ian Hunter von MOTT THE HOOPLE und Johnny Thunders, auf dessen sehr schöner LP "Que sera, sera" Michael Saxophon spielt), aber auch die jungen Haarsprayer aus der Hardglamrockküche Los Angeles waren oft HANOI ROCKS-Fans der ersten Stunde, so zum Beispiel GUNS N´ROSES und MÖTLEY CRÜE. 1989 konnte sich Michael dann endlich ein wenig feiern lassen, als er sein zweites Soloalbum herausbrachte und plötzlich von allen Seiten gelobhudelt wurde.

"Not Fakin´It" - auf den Punkt hat er´s schon immer gebracht, gerade was Titel angeht (Michael Monroes neues Album heißt "Life Gets You Dirty", das Cover zeigt ihn in einer Wäschetrommel). Nachdem diese Platte ihre Schatten unter die Augen geworfen hatte, war es eine Zeit lang äusserst schick, Michael Monroe als Gast auf seiner Platte zu haben Steven Tyler ließ den schmucken Jungen auf Les Pauls 75. Geburtstag ein Ständchen blasen und setzte ihn des öfteren bei AEROSMITH ein, Axl Rose und Slash kamen bei seiner four-nights-sold-out-Woche im Whiskey-A-Go-Go mit hinzu, veröffentlichten sogar den kompletten Backkatalog der HANOI ROCKS neu auf ihrem Uzi Suicide-Label. Danach ging es wieder bergab, und Michael weiss von den 90ern nicht viel Gutes zu berichten, ausser dass er mit seiner jetzigen Managerin und Kollaboratorin Jude Wilder zusammenkam und mit ihr von New York nach Finnland ging, um dort ein paar Jahre in Askese zu verbringen. Wie auch immer, anscheinend juckt es immer noch, und bei den Konzerten mit Iggy in Berlin und Düsseldorf sah ich einen Michael, der, was Geschwindigkeit und gute Vibes angeht, so ziemlich alles in den Schatten stellt, was ich zu kennen glaube.

Nachdem er mir seine neuesten Tourutensilien vorgeführt hat, macht es sich Mr. Monroe endlich in seiner Ecke des Tourbusses bequem, die aussieht wie das Zimmer eines wahnsinnigen Teenagers, der Alice Cooper nicht nur hört, sondern wahrscheinlich auch liest. Er fuchtelt mit einem quietschenden Gummihammer herum und führt mir dann eine Plastikfisch vor, der "Hound Dog" singen kann, und, als wäre das nicht genug - Monroe dreht an einem Knopf, sein Publikum (ich) immer mehr am Rad - geht der Fisch über in "Don´t Worry Be Happy". Na ja..

(Michael zupft nachdenklich an seiner Federboa) "Wahrscheinlich lege ich mich mit dem Ding eh nur wieder auf die Schnauze, wenn ich auf der Bühne... (zum Gitarristen Pinky Gibson) Okay, wenn du brav bist, kannst du beim Interview hierbleiben, immer schön die Klappe halten und keinen Stress machen, du weißt nicht, wovon ich rede. Never mind. Ach, all diese ganzen Leute, die hier im und um den Bus herumhängen. Ich weiß nicht, wie sie hier reinkommen, aber... (schmult paranoid aus dem Fenster des Nightliners wie Franz Kafka auf Speed) ...Ich muss wirklich vorsichtig sein!"

Er schließt seine Les Paul an den Minimarshall an und beginnt zu rocken.

"Rock like fuck, man! Ich bin´s, Michael Monroe, ich bin immer noch am Leben, ich glänze am Firmament. Ich bin völlig nackt, ich meine, neu..."

Du bist das erste Mal solo in Deutschland?

"Ja, ich rocke und rolle jetzt erstmals ohne die HANOI ROCKS in Deutschland. Ich war in den letzten Jahren oft hier, habe aber nur ein bisschen PR gemacht und bin nicht aufgetreten. Und mit Iggy zu spielen ist ja auch ein verdammt guter Anlass, mich dem deutschen Publikum zu präsentieren. Es ist ja das gleiche Ding... nein, oh sorry, ich wollte mich jetzt wirklich nicht mit Iggy vergleichen, er ist Gott und so weiter, Iggy ist der Größte! Es ist schon ´ne verdammte Ehre für mich, mit ihm zu spielen, und ich kann mir keine perfektere Tour vorstellen als die, die ich hier gerade durchziehe. Ich hab´ sooo viel Spaß! Rock´n´Roll must be kept alive, I´m on the road, it´s good to be here..."

Das ist ja mal was Neues.

"Schrecklich, nicht? Hey Leute, nehmt mal ein paar Sekunden das Popcorn runter und lutscht meinen Schwanz! Haha, war nur Spaß! Ich bin gar nicht so evil..."

Dein letztes Album kann man ja auch in diesem einen Songtitel zusammenfassen: "If the world don´t want me I don´t want the world"

"Das Album heißt "Life Gets You Dirty", weil das Leben einen dreckig macht. Man wird vom Leben verdammt schmutzig. Es gibt nichts Glamouröses am Rock´n´Roll. Du denkst wahrscheinlich, ich wär´ glamourös wegen dem Stuff hier... (fummelt an seinem Fummel herum, trägt mittlerweile eine von den sechs Lacklederjacken und jetzt eine Glitzerboa) Aber glaubt mir... es ist ein Hundeleben, ya know? Und der Sänger hat Halsschmerzen vom vielen Scheissefressen. Ich muss da einfach durch."

Was ist eigentlich bei Eurer HANOI ROCKS-Tour 1985 in Deutschland schiefgelaufen? Was man so erzählt...

"Ja, das ist nicht besonders glücklich verlaufen. In Amsterdam sind wir gestartet und sollten dann nach Frankfurt zum ersten Gig fahren. Wir hatten gerade eine neue Backline bekommen und nicht die erforderlichen Papiere und Genehmigungen, um die Instrumente und Verstärker über die Grenze zu bringen. Also musste unser Fahrer über einen Riesenumweg nach Frankfurt fahren. Da ist ziemlich viel Scheisse passiert, man hat uns in Amsterdam den Van aufgebrochen und Nastys komplettes Equipment gestohlen. Ausserdem war danach ein großes Loch im Fenster, und wir mussten mitten im Winter nach Frankfurt, sechs Stunden oder so... Die ersten zwei Shows wurden dann schon mal gecancelt, was ziemlich viel ist bei nur vier Shows in Deutschland, aber wir hatten ja kein Equipment! Beim ersten Gig, der dann tatsächlich stattfinden sollte, stellten wir beim Soundcheck fest, das die wundervollen Zollbeamten unser ganzes Zeug gefilzt hatten, dabei haben sie dann mal eben Sammys Basshals zerbrochen und mein Saxophon demoliert.

Am nächsten Tag dachten wir dann nur noch, lasst uns diesen Gig in München hinter uns bringen und nachhause fahren, wo wir am Besten von Anfang an geblieben wären, und zwar im Bett... Am nächsten Tag fuhren wir mit dem Zug bis zur Grenze, wo unser Manager Zeppo die Pässe einsammelte. Ich fand meinen einfach nicht. Ich dachte er wäre gestohlen und raste in den Zug zurück, durchsuchte die Kabine und fand ein großes Loch, das Nasty in die Wand geschlagen hatte. Er soff damals sehr viel und war manchmal etwas gewalttätig, Blackouts eben. Als ich den Perso nicht fand und zu den Jungs zurückwollte, fuhr der Zug plötzlich wieder los. Ich dachte nein nein nein , ich bin ganz alleine ohne Pass, also zog ich die Notbremse, bloß weg hier! Doch dann kamen wieder irgendwelche Cops, die auch nicht wussten, was sie mit mir machen sollten. Sie haben mich dann nach Belgien gebracht, und ich musste erstmal in Brüssel bleiben. Zum Glück blieb Zeppo bei mir, die anderen fuhren schon mal zurück nach London, betranken sich sinnlos und lachten über uns. Dann kam ich nachhause von dieser Horrortour, und wollte nur noch mal schnell in den Lebensmittelladen - ich gehe in Läden wie ganz normale Jungs - und merkte, dass ich den Schlüssel im Haus vergessen hatte, habe damals in Hammersmith gewohnt. Bin dann am Balkon hochgeklettert und habe meine Faust durch die Scheibe gesteckt, da ist dann das ganze Fenster herausgebrochen. Dann kamen die Bullen und wollten mich mitnehmen, und ich sagte: Leute, ich will doch einfach nur schlafen!!!

I don´t blame it on Germany! Vielleicht war es einfach ´ne schlechte Woche oder der Merkur war schuld oder was weiss ich??! Ich weiss schon, warum ich danach nicht mehr nach Deutschland gekommen bin. Ich war oft in Frankreich und in Spanien, da habe ich Pinky, diesen Hundesohn, getroffen (zerrt seinen Guitarrero Pinky Gibson an den Haaren auf´s Sofa ). Get animal, get human with Michael!!!" (dudelt auf der Les Paul)"

Auf deinen Soloplatten spielst du alle Gitarren, Saxophon, Harmonica und manchmal auch den Bass selbst. Wie hast du deine jetzige Liveband zusammengestellt?

"Gute Frage!"

Pinky Gibson: "Irgendwelche Leute haben sie zusammengestellt, oder?"

"Das war deine Band, Idiot! Komm, geh´ weg hier, fuckin´ Rockstar! Heute noch bist du neu, und morgen gibt es zwei davon oder sogar mehr!! Wo war ich? Das ist nun eine spanische Band. Ich habe verschiedene Bands in mehreren Ländern, die BACKYARD BABIES zum Beispiel."

Was war mit denen?

"Ich habe ´ne Show in Japan gespielt, wo sie einige HANOI ROCKS-Songs zusammen mit mir spielten. Sie sind ziemliche Rocks-Fans, sie haben "Taxi Driver" gecovert. Ich hab´ sie dann im Studio besucht, um ein Saxophonsolo zu spielen, auf einem Song namens "Rocker Harp" habe ich dann auch noch gespielt, und plötzlich wollten die Jungs, dass ich auch noch darüber singe. Ich sagte okay, aber dann lasst uns mal ´n guten Text auf die Reihe bekommen. Um sechs Uhr morgens waren die Lyrics dann fertig, und na ja, ich singe darauf mit dieser Stimme, die ich auch beim Duett mit Axl Rose hatte, wir haben damals einen DEAD BOYS-Song als Tribute für Stiv Bators aufgenommen, "Ain´t It Fun" für "The Spaghetti Incident" von 1993. Es wurde gut, sogar sehr gut. Wir haben später noch in Holland und auf dem Fujimato-Festival in Japan zusammengespielt, wo ich mir den Hals brach. Ich meinte: Das ist nur wegen eurer Total-13-Scheisse, das ist echt nicht mehr witzig! Bad luck! Ich kann diesen Kram nicht mehr hören, EVIL, 666, and an extra 6 for extra evil!! Ja, sehr lustig. Ich hab´ mir den Hals gebrochen! Das ist nicht witzig. Verpisst euch! Tja, die BACKYARD BABIES waren meine Band in Schweden, nun habe ich auch eine argentinische Band in Buenos Aires. Ich kann überall Bands zusammenstellen, man braucht einen guten Drummer, der das Timing hält, und es ist perfekt. Mir reicht das. In Finnland lebe ich jetzt, seit ich von New York weggezogen bin. Weil mich das Musikbusiness da ankotzt! Music has no business in music business!!!"

Hast du sonst noch was am Hut mit der neuen skandinavischen Hardrockposse, wie haben dir z.B. TURBONEGRO gefallen?

"Ich habe den Namen gehört, aber ich erinnere mich nicht an Songs. Dregen von den HELLACOPTERS ist brillant, aber weißt du, ich vermisse in der Szene, dass die Bands sich kaum noch voneinander unterscheiden. Damals hatten wir MOTT THE HOOPLE, die FACES, die DOORS, Alice Cooper, MC 5, und die klangen alle anders und fuhren alle ihr individuelles Ding und hatten ihre eigene Persönlichkeit. Ich bin kein Nostalgiker, aber es hat sich verdammt scheisse entwickelt, Rock´n´Roll ist in seiner Existenz eliminiert, und das Punkding mit diesen wundervollen Freunden wie Thunder und Stiv ist ja auch nur allzu schnell zum Joke verkommen. Ich wünschte wirklich, es wäre wieder ein bisschen so wie damals. Mit HARDCORE SUPERSTAR hatte ich letztens ein Konzert in Japan, wir haben einen Alice Cooper-Song zusammen gemacht..." (spielt "Still Got A Long Way To Go") "Die haben auch "Don´t You Ever Leave Me" von den HANOI ROCKS gecovert."

Wie ist mittlerweile dein Verhältnis zu Plattenfirmen, Promotern und so weiter, du hast ja schon ziemlich miese Erfahrungen gemacht, als alles noch halb so schlimm war wie jetzt?!


"Die können mich nicht verletzen, weil ich nichts zu verlieren habe. Ich begreife nicht, dass MTV und all die anderen Institutionen nicht ihre Aufgabe wahrnehmen, die Leute mit Rock´n´Roll vertraut zu machen. Für mich ist es immer mehr gewesen als diese abgehobene Sache. Rock´n Roll hat sehr viel mit dem Leben zu tun, es bleibt immer genug Platz für seine eigenen Interpretationen. Es ist für mich das Größte, wenn irgendwelche Leute eine ganz spezielle Zeile aus einem meiner Songs verstehen und davon berührt werden. Ich habe auch mal ein japanisches Mädchen, einen HANOI ROCKS-Fan, geheilt. Irgendeiner ihrer Freunde erzählte mir, dass da ein kleiner Rocks-Fan im Krankenhaus liegt, und ich rief sie an. Sie ist gesund geworden und hat einen HANOI ROCKS-Fanclub gegründet."

Michael Monroe spielte auf dieser Tournee Abend für Abend Punkt halb acht ein halbstündiges Set, wenn die meisten Leute noch gar nicht in der Halle waren. Besonders unbegreiflich war, dass man dem Publikum die soul- und eierlosen KILLER BARBIES als zweiten "Hauptact" zumutete. Es bleibt zu hoffen, dass beide gestandenen Herren in Bälde wieder ihre Blutgrätschen auf irgendeiner Bühne in diesen Breitengraden zelebrieren.